05.10.2017 | Hintergrund

Die Sortenvielfalt bei Äpfeln

Äpfel am Baum
Grundschule, Sekundarstufe

Es gibt tausende Apfelsorten. Doch obwohl Äpfel das Lieblingsobst der Deutschen sind, beschränkt sich das Angebot im Supermarkt meist nur auf wenige Sorten. Warum ist das so? Welche Folgen hat das für die Umwelt? Und weshalb ist es sinnvoll, die Sortenvielfalt der Äpfel zu bewahren?

Äpfel sind das Lieblingsobst der Deutschen: Rund 21 Kilogramm pro Kopf und Jahr werden hierzulande verspeist (Stand 2014/15). Das macht knapp ein Viertel des gesamten Obstverzehrs der Deutschen aus, der 2013 rund 88 Kilogramm pro Kopf betrug. Damit liegt Deutschland EU-weit an erster Stelle beim Verzehr von Äpfeln.

Weltweit gibt es Schätzungen zufolge rund 20.000 Apfelsorten, so die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. Im Handel findet sich jedoch nur ein Bruchteil davon: Mengenmäßig von Bedeutung sind nur etwa 20 Sorten, insgesamt werden lediglich 70 Sorten im gewerblichen Obstanbau in Deutschland kultiviert. Den Hauptanteil machten 2015/2016 einige wenige bekannte Sorten aus wie Elstar (17,9 Prozent), Red Prince (14,7 Prozent), Jonagored (14,5 Prozent) und Braeburn (11,6 Prozent). Weitere bekannte Sorten sind Jonagold (8,2 Prozent) und Gala (7,1 Prozent). Die Anteile der weiteren Sorten bewegen sich im niedrigen einstelligen Prozentbereich und darunter. Mit etwa 77 Prozent machen Äpfel den mit Abstand größten Teil des in Deutschland geernteten Obstes aus.

Besonders beliebt bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern waren in den vergangenen Jahren vor allem härtere Apfelsorten mit einem ausgewogenen Zucker-Säure-Verhältnis, wie zum Beispiel Braeburn oder Pinova. Sorten mit einem hohen Zucker-, aber geringen Säuregehalt wie Fuji wurden in den letzten Jahren dagegen weniger gekauft.

Im Herbst ist das Angebot besonders groß und vielfältig, denn die Haupterntezeit für die heimischen Apfelsorten beginnt im Oktober. 2015 wurden hierzulande rund 973.500 Tonnen Äpfel geerntet. Zusätzlich wurden weitere 514.300 Tonnen Äpfel nach Deutschland importiert, vor allem aus Italien, den Niederlanden, Frankreich, Polen und Neuseeland.

Im Handel sind Äpfel das ganze Jahr über erhältlich. Das liegt zum einen daran, dass viele Sorten in speziellen Lagern bis zu zwölf Monate lang frisch bleiben. Zum anderen werden auf der Südhalbkugel der Erde die Äpfel in den Monaten März und April reif. Zu diesem Zeitpunkt wird die heimische Ware in den Lagern meist knapp.

Wie gesund sind Äpfel?

Äpfel gelten als gesundes Nahrungsmittel: Sie enthalten fast kein Fett,
wenig Eiweiß und rund 12 Prozent Kohlenhydrate. Die in Äpfeln enthaltenen Pektine (Ballaststoffe) können den Blutfettspiegel senken und sekundäre Pflanzenstoffe wie Polyphenole vor Herz- und Krebserkrankungen schützen.

Außerdem steckt vergleichsweise viel Vitamin C in vielen Äpfeln – das stärkt die Immunabwehrkräfte des Körpers. Allerdings variieren die Vitamin-C-Gehalte von Sorte zu Sorte stark: Während Braeburn und Jonagold relativ viel Vitamin C enthalten, ist der Anteil in den Sorten Golden Delicious und Elstar deutlich niedriger. Und die Sorte Granny Smith enthält im Vergleich dazu kaum noch Vitamin C. Demgegenüber gibt es viele Vitamin-C-reiche alte Apfelsorten wie zum Beispiel den Ribstone Pepping oder den Gelben Edelapfel – allerdings sind sie nicht im Handel erhältlich.

Auch in Bezug auf Allergien erweisen sich bestimmte alte Sorten als vorteilhaft. Während Menschen mit Apfelallergie oft auf typische Handelssorten wie Golden Delicious oder Granny Smith reagieren, sind einige alte Apfelsorten verträglicher.

Handelsnormen: Strenge Regeln für Äpfel

Dass nur wenige Apfelsorten den Markt dominieren, hat vor allem wirtschaftliche Gründe. Die weit verbreiteten Tafelobstsorten werden so gezüchtet, dass sie den Bedürfnissen des Handels und den Vorlieben der Kundinnen und Kunden entsprechen. Zu den erwünschten Eigenschaften bei Neuzüchtungen gehört neben der Qualität der Früchte oft auch, dass sie sich für den Intensivanbau eignen. Das bedeutet, dass sie leicht zu ernten und möglichst gut zu vermarkten sein sollen. Dazu gehört, dass die Früchte möglichst zuverlässig den Vermarktungsnormen entsprechen.

Die Vermarktungsnorm der Europäischen Union setzt klare Standards für die Äpfel, die in den Handel gelangen. Sie müssen bestimmte Anforderungen erfüllen. Die Früchte müssen nicht nur einen ausreichenden Reifegrad aufweisen, sondern unter anderem auch ganz, sauber und "praktisch frei von Schädlingen" sein. Außerdem dürfen sie keinen fremden Geschmack oder Geruch aufweisen. Nicht zuletzt müssen die Äpfel auch so beschaffen sein, dass sie den Transport gut aushalten, so dass sie in zufriedenstellendem Zustand an ihrem Bestimmungsort ankommen.

Warum hat sich der Apfelanbau verändert?

Dass nur wenige Sorten den Handel dominieren, war nicht immer so. Einige Sorten sind mit der Zeit aus dem Handel verschwunden. Ihr Verschwinden geht auch mit dem Rückgang der traditionellen Streuobstwiesen einher. Jahrhundertelang prägten diese die deutsche Kulturlandschaft. Anders als im Plantagenanbau sind dort nicht nur Bäume einer Apfelsorte angepflanzt, sondern vielmehr stehen dort Apfelbäume – oft verschiedene Sorten – sowie häufig andere Obstbäume wie Birnen, Kirschen oder Zwetschgen „verstreut“ auf einer Wiese.

In den 1970er-Jahren förderten die Bundesregierung und die Europäische Gemeinschaft den Apfelanbau auf Plantagen, wo kleinere Apfelbäume im Spalier stehen, das heißt in geraden Reihen. Viele Obstbauern rodeten in dieser Zeit ihre Obstwiesen und legten Plantagen an.

Der Vorteil der Plantagen: Anbau und Ernte sind auf Plantagen zeit- und kostengünstiger, darüber hinaus fallen die Erträge größer aus. Auf derselben Fläche finden in einer Plantage 10- bis 20-mal so viele Apfelbäume wie auf einer Streuobstwiese Platz.

Anders als bei vielen alten Apfelbaumbeständen, in denen sich Bäume mit hohen Stämmen finden, werden in den Plantagen niedrigstämmige Sorten angepflanzt. Bei ihnen kann man die Äpfel einfach ohne Leitern ernten. Durch die Rodung älterer Apfelbaumbestände und die Zunahme des Plantagenanbaus nahm die Sortenvielfalt erheblich ab.

Streuobstwiesen: "Hotspots" der Artenvielfalt

Durch den Rückgang der Streuobstflächen ist nicht nur die Vielfalt der Apfelsorten gefährdet. Er wirkt sich auch auf viele andere Pflanzen- und Tierarten aus, denn Streuobstwiesen bieten für viele Arten einen wichtigen Lebensraum. Sie spielen somit eine wichtige Rolle für die Vielfalt der mitteleuropäischen Tier- und Pflanzenarten und die genetische Vielfalt innerhalb dieser Arten, also für die Biodiversität.

Die Umweltschutzverbände BUND und NABU bezeichnen die Streuobstwiesen in Mitteleuropa als "Hotspots" der Artenvielfalt. Sie schätzen die Zahl der dort lebenden Tier- und Pflanzenarten auf mehrere Tausend. Diese biologische Vielfalt zu bewahren, ist von großer Bedeutung für das ökologische Gleichgewicht, da die verschiedenen Arten aufeinander angewiesen sind.

Ein Beispiel: Der starke Rückgang der Schmetterlinge in Deutschland hängt damit zusammen, dass diese eine vielfältige, blütenreiche Vegetation brauchen, da sie sich hauptsächlich von Blütennektar ernähren. Diese findet sich unter anderem auf Wiesen wie den Obstwiesen, deren Fläche jedoch abnimmt. Umgekehrt brauchen viele Pflanzen die Schmetterlinge und andere Insekten. Denn diese bestäuben ihre Blüten und tragen damit dazu bei, dass sie Früchte tragen. Diese wechselseitigen Beziehungen können sehr speziell sein: Manche Pflanzen werden nur von ganz bestimmten Faltern und Wildbienen bestäubt. Und auch die Raupen einiger Schmetterlingsarten ernähren sich von nur einer bestimmten Pflanze.

Alte Apfelsorten – eine genetische Ressource für die Zukunft

Die Erhaltung einer möglichst großen Sortenvielfalt ist aber noch mehr als Traditionspflege und Naturschutz. Sie ist auch aus ganz praktischen Gründen wichtig: Alte Sorten sind eine wichtige und wertvolle genetische Ressource für die Züchtung neuer Sorten. Das gilt nicht nur für Äpfel, sondern auch für andere Nutzpflanzen.

Um das weitere Aussterben von Apfelsorten zu verhindern, wurde die Deutschen Genbank Obst gegründet. Sie wird von einem Netzwerk mehrerer Partner betrieben – Forschungsinstitute, Ämter, Vereine und andere private Organisationen. Ziel ist die Erhaltung obstgenetischer Ressourcen.

Ein Teil dieser Bemühungen ist das sogenannte Apfelnetzwerk. Die daran beteiligten Vereine und Organisationen haben fast 1.000 Apfelsorten gesammelt. Gemeinsam wollen sie im Auftrag der Bundesregierung diese Sorten katalogisieren und dafür sorgen, dass keine mehr verloren geht. Zu diesem Zweck werden die verschiedenen Apfelsorten in Deutschland an mindestens zwei Standorten angepflanzt, um sie nachhaltig zu bewahren und zu nutzen.

Das Netzwerk will auf diese Weise alte Sorten erhalten, um ihre Vielzahl unterschiedlicher Merkmale auch für die Züchtung neuer Sorten nutzen zu können. Die Fachleute hoffen, dadurch zum Beispiel Pflanzen zu erhalten, denen Hitze und Schädlinge weniger zusetzen. Neue Züchtungen auf der Basis alter Apfelsorten könnten damit auch für Klimaveränderungen besser gerüstet sein und so dabei helfen, den Obstbau in Deutschland nachhaltig sicherzustellen.

Die Sortenvielfalt erhalten

Auch jede und jeder Einzelne können dabei helfen, die Vielfalt an Apfelsorten zu bewahren. Zum Beispiel, indem sie bewusst traditionelle, regionale Sorten im eigenen Garten anpflanzen. Typische regionale Sorten sind oftmals robuster und ertragreicher – gerade auf Obstwiesen und in Gärten, die für neuere Sorten nicht den optimalen Boden und klimatisch besten Standort besitzen. Werden hochstämmige Apfelsorten angepflanzt, trägt dies gleichzeitig auch zum Vogel- und Insektenschutz bei.

Alte Apfelbaumsorten können beispielsweise bei der Deutschen Genbank Obst oder anderen Datenbanken bestellt oder auch bei regionalen Baumschulen direkt vor Ort erworben werden. Und auch wer keinen eigenen Garten hat, kann etwas zum Erhalt der Sortenvielfalt des Apfels tun – indem sie oder er beim Einkauf gezielt nach regionalen Sorten fragt.

Weiterführende Links:

Bundesamt für Naturschutz: Agrarbiodiversität
www.bfn.de/0313_agrobiodiv.html

Bundeszentrum für Ernährung (BZfE): Äpfel – Vom Baum bis in die Küche
www.bzfe.de/inhalt/aepfel-702.html

Deutsche Genbank Obst
www.deutsche-genbank-obst.de

Datenbank für regionale Apfelsorten
www.streuobstapfel.de

Naturschutzbund Deutschland (NABU): Streuobst
www.nabu.de/themen/streuobst/hintergrund

Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), Ortsgruppe Lemgo: Obstsortendatenbank
www.obstsortendatenbank.de

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