Landwirtschaft und biologische Vielfalt
"Bienensterben", "Insektensterben", "Vogelschwund": Mit teilweise alarmierenden Begriffen wird in den vergangenen Jahren über die Entwicklung der biologischen Vielfalt in Deutschland diskutiert.
Als Hauptursache wird die Landwirtschaft genannt. In der Agrarlandschaft seien "praktisch alle" Tier- und Pflanzengruppen von einem "eklatanten Schwund" betroffen, heißt es in einer Pressemitteilung des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) zum Report der Behörde über die biologische Vielfalt in der Agrarlandschaft.
In der Diskussion über die Ursachen geht es oft um Pflanzenschutzmittel. In den vergangenen Jahren sind insbesondere Glyphosat und Neonikotinoide in den Mittelpunkt gerückt. Glyphosat beseitigt – so wie andere Herbizide auch – nicht nur "Unkräuter" (heute "Begleitflora"), und Neonikotinoide beseitigen so wie andere Insektenbekämpfungsmittel nicht nur gezielt tierische Pflanzenschädlinge, sondern diese Mittel wirken sich auch auf andere Tier- und Pflanzenarten in der Agrarlandschaft aus.
Welche Bedeutung hat die Landwirtschaft?
Über die Hälfte der Fläche Deutschlands wird landwirtschaftlich genutzt. Das verdeutlicht, dass dieser Wirtschaftsbereich großen Einfluss auf Umwelt, Naturhaushalt und Landschaft hat. So sind Agrarlandschaften auch Lebensraum für wildlebende Tiere und Pflanzen, und sie speichern und filtern Wasser. Ihre Bewirtschaftung wirkt sich daher auf Böden, Gewässer, Luft, das Klima und die biologische Vielfalt aus.
Die Landwirtschaft hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt. Die Zahl der Betriebe und der Beschäftigten nimmt ab. Gleichzeitig ist die Produktion enorm gestiegen. Ein Landwirt ernährt heute 155 Menschen (Stand 2014), in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg waren es nur zehn Menschen. Das wurde durch die starke Veränderung der Produktionsweise möglich: Landwirtschaft ist heute gekennzeichnet durch den Einsatz von Maschinen und Produktionsmitteln wie Mineraldünger und Pestizide. Zudem gab es große Fortschritte bei der Zucht von Pflanzen und Tieren. Es wurden zum Beispiel sogenannte "Hochleistungssorten" gezüchtet.
Diese Entwicklung hat die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion ermöglicht, und die Beschäftigten wurden von schwerer körperlicher Arbeit entlastet. Durch die gestiegene Produktivität ist die Versorgung mit landwirtschaftlichen Produkten verbessert worden. Die Landwirtschaft liefert größere und stabilere Erträge und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Ernährungssicherung, aber auch zur Rohstoffversorgung. Auch die hygienische Qualität der Erzeugnisse ist gestiegen, zum Beispiel bei Milchprodukten. Zudem haben die Veränderungen die Arbeit der Landwirte erleichtert.
Doch die intensive Landwirtschaft bringt auch große Nachteile in Form von Umweltschäden mit sich. Dazu gehören Beeinträchtigungen von Böden, Gewässern, der Luft und des Klimas sowie die Bedrohung der Artenvielfalt. So hat die Landwirtschaft mit sieben Prozent einen beträchtlichen Anteil an den Treibhausgasemissionen in Deutschland.
Die Landwirtschaft ist aber nicht nur Verursacherin von Umweltschäden, sie ist gleichzeitig davon bedroht. Wenn die Belastungsgrenzen von Böden und Natur überschritten werden, gefährdet dies auch die Grundlagen der landwirtschaftlichen Produktion. Die Landwirtschaft ist darauf angewiesen, fruchtbare Böden zu erhalten. Auch der Verlust von Bestäuberinsekten oder der Klimawandel gefährden die Erträge.
Welche Formen der Landwirtschaft gibt es?
Als intensive Landwirtschaft wird eine Wirtschaftsweise bezeichnet, bei der durch einen hohen Einsatz von Technik, Energie und anderen Betriebsmitteln ein möglichst hoher Ertrag pro Flächeneinheit beziehungsweise pro Tier erzielt werden soll.
Im Gegensatz dazu steht die sogenannte extensive Bewirtschaftung. Sie ist durch einen relativ geringen Aufwand an Betriebsmitteln gekennzeichnet. Zum Beispiel werden weniger Düngung oder Pflanzenschutzmittel verwendet oder es wird darauf verzichtet. Ein Beispiel ist Weidewirtschaft auf Dauergrünland.
Intensive Landwirtschaft ist nicht gleich konventionelle Landwirtschaft. Konventionell bedeutet herkömmlich. Der weitaus größte Teil der landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland wird konventionell bewirtschaftet. Als konventionelle Landwirtschaft wird eine große Bandbreite von allgemein üblichen und weit verbreiteten Verfahren des Ackerbaus und der Viehhaltung bezeichnet, die nicht an Wirtschaftsweisen des ökologischen Landbaus gebunden sind.
Der ökologische Landbau folgt dem Kreislaufgedanken. Er ist damit eine besonders ressourcenschonende und umweltverträgliche Wirtschaftsform. Oft wird auch der Begriff biologischer Landbau oder kurz: Bio-Landbau verwendet. Im ökologischen Landbau wird unter anderem auf mineralische Düngemittel und chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel verzichtet. Nur sogenannte traditionelle Mittel sind erlaubt, auch Kupferpräparate. Der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Fläche an der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche beträgt 6,5 Prozent (Stand 2015).
Die Bezeichnungen "Öko" und "Bio" sind in Deutschland gesetzlich geschützt. Als ökologischer beziehungsweise biologischer Landbau darf Landwirtschaft nur bezeichnet werden, wenn sie den EU-Vorschriften für den ökologischen Landbau entspricht.
Wie beeinflusst die intensive Landwirtschaft die biologische Vielfalt?
Die intensive Landwirtschaft reduziert die Artenvielfalt durch die Beseitigung und Veränderung der Lebensräume von Tier- und Pflanzenarten sowie den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Mineraldünger, der in sehr großen Mengen und großflächig erfolgt (siehe Hintergrundtext: Wie kann das Grundwasser vor Verunreinigungen geschützt werden?).
Pflanzenschutzmittel sollen die Kulturpflanzen vor Schaden durch Insekten oder andere tierische Schädlinge, Pilzkrankheiten oder konkurrierende Pflanzen ("Unkraut") bewahren. Kulturpflanzen sind die in der Landwirtschaft angebauten Pflanzen wie Getreide, Gemüse oder Obst. Neben chemischen Mitteln werden auch biologische Pflanzenschutzmittel oder technische Verfahren eingesetzt. Chemische Pflanzenschutzmittel werden zum Beispiel verwendet, um Insekten oder Kräuter zu beseitigen, die auf dem Acker leben.
Das hat unvermeidbare "Nebenwirkungen". Denn mit der Beseitigung von Schadinsekten auf dem Acker und der sogenannten Ackerbegleitflora wird das Nahrungsangebot für viele wildlebende Arten zerstört, wie andere Insekten und Vögel. Doch auch viele dieser wildlebenden Arten sind nützlich für die Landwirtschaft. So sind Bienen und Schmetterlinge wichtig für die Bestäubung von Nutzpflanzen.
Das in den vergangenen Jahren häufig diskutierte Glyphosat zum Beispiel ist ein sogenanntes Totalherbizid. Es wirkt nicht nur bei sogenannten Schadkräutern, sondern tötet flächendeckend alle Kräuter und Gräser auf dem Acker ab. Dadurch können ganze Nahrungsnetze von der Pflanze über Insekten bis zu den Feldvögeln zusammenbrechen.
Glyphosat ist besonders relevant für die biologische Vielfalt, weil es das am häufigsten eingesetzte Herbizid ist. Es steht sinnbildlich für die Intensivlandwirtschaft. Es wird auf rund 40 Prozent der Felder mindestens einmal im Jahr eingesetzt. Bei Raps sogar auf 90 Prozent der Felder.
Zudem verändern sich mit der Intensivierung der Landwirtschaft die Landschaftsstruktur: Die Felder sind größer geworden. Landschaftselemente wie Hecken, Weiher oder Ackerrandstreifen wurden häufig entfernt, insbesondere in Regionen mit besonders günstigen Bedingungen für Ackerbau. Doch diese Landschaftselemente sind der Lebensraum von wildlebenden Tieren und Pflanzen. Verschwinden diese Elemente, verschwinden auch diese Tiere und Pflanzen.
Wie ist der Zustand der biologischen Vielfalt?
Viele der in Deutschland vorkommenden Arten sind auf landwirtschaftlich geprägte Lebensräume angewiesen. Ihr langfristiges Überleben hängt davon ab, wie intensiv und auf welche Weise ihre Lebensräume bewirtschaftet werden.
Ein prominentes Beispiel für die Verschlechterung der Lebensbedingungen in der Agrarlandschaft ist der früher weit verbreitete Feldhamster, der inzwischen in Deutschland vom Aussterben bedroht ist. Auch beim Bestand von Tagfaltern und Wildbienen gibt es einen Negativtrend.
Pflanzen der Ackerbegleitflora wie der Acker-Rittersporn, das Sommer-Adonisröschen oder der Lämmersalat sind kaum noch zu finden. Heute lassen sich auf den meisten Äckern selten mehr als fünf bis sieben Ackerwildkrautarten finden – in der Regel häufige, überall anzutreffende Arten.
Auch Vögel sind vom Rückgang betroffen: Bei der Hälfte der Vogelarten, die im landwirtschaftlich genutzten Offenland leben, nehmen die Bestände ab. Zwei typische Beispiele sind die Feldlerche und die Goldammer. Besonders besorgniserregend sind die Rückgänge bei Braunkehlchen (63 Prozent zwischen 1990 und 2013) und Rebhuhn (84 Prozent zwischen 1990 und 2015).
Welche Lösungsansätze gibt es?
Der Erhalt der biologischen Vielfalt ist als politisches Ziel bereits auf vielen Ebenen verankert. Dazu zählt die Biodiversitätsstrategie der EU, die unter anderem vorsieht, dass Land- und Forstwirtschaft einen höheren Beitrag zur Erhaltung der Biodiversität leisten sollen. Die Bundesregierung hat 2007 eine Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt beschlossen. Auch die meisten Bundesländer haben Strategien in diesem Bereich.
Um die biologische Vielfalt zu schützen, müssen vor allem artenreiche Lebensräume besser geschützt werden. Gleichzeitig müssen die negativen Auswirkungen der Landwirtschaft auf die Natur minimiert werden. So sieht die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt unter anderem vor, den Anteil von Agrarbiotopen, die aus Sicht des Naturschutzes besonders wertvoll sind, zu steigern. Dazu gehören hochwertiges Grünland und Streuobstwiesen.
Jedoch zeigt der Rechenschaftsbericht der Bundesregierung zum Erhalt der biologischen Vielfalt, dass es bei Artenvielfalt und Landschaftsqualität einen negativen Trend gibt. Ein wesentlicher Grund sind die weitere Intensivierung der Landbewirtschaftung und die Zunahme von intensiv genutzten Flächen für den Anbau von Energiepflanzen.
Aus Sicht des Umwelt- und Naturschutzes ist demnach ein "Umsteuern" in der Landwirtschaft nötig, hin zu einer nachhaltigen Flächennutzung. Das Umweltbundesamt hat Handlungsansätze zusammengefasst. Dazu zählt eine Stärkung des ökologischen Landbaus. Doch auch die konventionelle Landwirtschaft muss stärker zur Sicherung unserer Lebensgrundlagen beitragen.
Beim Pflanzenschutz geht es darum, die Umweltauswirkungen des chemischen Pflanzenschutzes zu verringern. Zwar unterliegen Pflanzenschutzmittel einem durch EU-Recht vorgeschriebenem Zulassungsverfahren mit strengen Zulassungsvoraussetzungen; insbesondere darf ein Pflanzenschutzmittel nur dann zugelassen werden, wenn es keine unvertretbaren Auswirkungen auf die Umwelt hat. Aber auch dieses strenge Zulassungsrecht bietet einen guten Ansatz, jedoch keine umfassende Lösung, um die negativen Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln insgesamt auf Natur und Umwelt hinreichend abzusenken, geschweige denn gänzlich zu verhindern.
Denn im Zulassungsverfahren wird stets nur ein bestimmtes Pflanzenschutzmittel, auf Antrag eines Antragstellers, bewertet. In der Realität kommt jedoch eine vielfach kombinierbare Palette von Pflanzenschutzmitteln zum Einsatz und somit in der Umwelt an. Dies wird durch das Zulassungsverfahren nicht abgebildet, und daher kann das Zulassungsverfahren nicht angemessen gegensteuern.
Zudem hat auch ein zugelassenes Pflanzenschutzmittel immer Auswirkungen auf Lebewesen, da es ja auch hinreichend wirksam sein soll. Diese aufgrund der Zweckbestimmung eines Pflanzenschutzmittels unvermeidbaren Auswirkungen können sich in der Summe der Verwendung der zugelassenen Pflanzenschutzmittel und aufgrund ihres flächendeckenden Einsatzes hin zur Unvertretbarkeit addieren. Aus Sicht des Natur- und Umweltschutzes sollte der Einsatz chemischer Mittel daher minimiert werden. Gleichzeitig sollten unvermeidbare indirekte Effekte kompensiert werden. Zu diesen Effekten gehört, dass sich durch die Beseitigung von auf dem Acker lebenden Kräutern und Insekten das Nahrungsangebot für Wildtiere reduziert. Dies kann durch die Bereitstellung von ökologischen Ausgleichsflächen kompensiert werden – Flächen ohne Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wie Brachflächen oder Blühstreifen.
Auch Verbraucherinnen und Verbraucher können einen Beitrag leisten, indem sie auf die Produktionsbedingungen achten. Zum Beispiel können sie durch den Kauf von Bio-Lebensmitteln die Umweltbelastungen durch die Landwirtschaft verringern (siehe Hintergrund: Das Bio-Siegel und nachhaltiger Konsum).
Weiterführende Links
Umweltbundesamt: Landwirtschaft
www.umweltbundesamt.de/daten/land-forstwirtschaft/landwirtschaft
Bundesamt für Naturschutz: Agrarreport 2017 – Biologische Vielfalt in der Agrarlandschaft
www.bfn.de/fileadmin/BfN/landwirtschaft/Dokumente/BfN-Agrar-Report_2017.pdf
Bundeszentrale für politische Bildung: Deutschland in Daten – Landwirtschaft
www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/deutschland-in-daten/221113/landwirtschaft
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