10.03.2022 | Hintergrund

Nachhaltiges Bauen: energieeffizient, nachwachsend und recyclingfähig

Grundschule, Sekundarstufe

Der Bausektor verbraucht in hohem Maß Rohstoffe und Flächen. Außerdem emittiert er erhebliche Mengen Treibhausgase. Zugleich wächst der Sektor weltweit, wodurch sich die bestehenden Probleme verschärfen. Doch es gibt nachhaltige Alternativen zu Rohstoffen und Bauweisen.

Die Baubranche boomt. Allein in Deutschland arbeiten in Bauhauptgewerbe und Ausbaugewerbe rund 2,5 Millionen Menschen in mehr als 330.000 Betrieben. Im Jahr 2019 setzten sie mit ihrer Arbeit 290,9 Milliarden Euro um. Und selbst im Corona-Jahr 2020 haben die 100 weltweit größten börsennotierten Bauunternehmen 1,5 Billionen US-Dollar umgesetzt und wuchsen demnach um 3,7 Prozent. Besonders schnell entwickelt sich die Branche derzeit in China. Doch auch in den USA wurden 2020 erstmals seit 2006 wieder mehr als eine Million neu gebauter Einfamilienhäuser verkauft, wie das Statistische Bundesamt der USA berichtet. Weltweit ist ein Trend zur Urbanisierung zu beobachten, der neue Straßen und Gebäude mit sich bringt und gerade in Entwicklungs- und Schwellenländern anhalten wird.

Mit dem Bauboom wächst auch der Bedarf an Baustoffen: Nicht nur Beton, auch Stahl, Glas, Holz und zahlreiche weitere Materialien sind regional so stark gefragt, dass die Nachfrage oft nicht zeitnah bedient werden kann. Infolgedessen steigen die Preise, insbesondere seit 2020. So waren in Deutschland die Preise für Konstruktionsvollholz im Mai 2021 rund 83 Prozent höher als noch ein Jahr zuvor, aber auch gewöhnliches Bauholz verteuerte sich um 38 Prozent und Betonstahl um 44 Prozent. Sand ist in manchen Teilen der Welt inzwischen so wertvoll, dass ganze Strände gestohlen werden. 

Die Bauindustrie ist weltweit also einer der größten Verbraucher natürlicher Ressourcen. Die damit verbundenen Auswirkungen auf die Umwelt und das Klima sind vielfältig. Mit Blick auf eine nachhaltige Entwicklung steht die Baubranche daher vor einer großen Herausforderung. Alternative Baustoffe und Bauweisen sind gefragt. In der westlichen Welt hat zudem der Erhalt des Bestandes über Sanierung oder Modernisierung eine hohe Priorität.

Ressourcenbedarf belastet Umwelt und Klima

Insgesamt verarbeitet die Bauindustrie laut Umweltbundesamt mehr als 70 Prozent aller abgebauten Rohstoffe in Deutschland. Der Abbau dieser Rohstoffe ist oft mit massiven Eingriffen in die Umwelt verbunden. 

Zement – das Bindemittel in Beton – war dem World Wide Fund for Nature (WWF) zufolge im Jahr 2017 für zwei Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen und acht Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Etwa 2,8 Milliarden Tonnen des Treibhausgases gelangen pro Jahr bei der globalen Zementherstellung in die Atmosphäre. Zugleich werden in vielen Regionen die weiteren Beton-Grundstoffe Sand und Kies in der benötigten Menge und Qualität knapp. 

Die Förderung von Sand und Kies wirkt sich auf die Biodiversität aus, kann Gewässer und Grundwasser verunreinigen, den Wasserspiegel und die Landschaft verändern. Hinzu kommen CO2-Emissionen durch den Transport. Zudem gibt es im globalen Rahmen weitere Konsequenzen. So hat der Sandabbau zum Verschwinden einiger Inseln Indonesiens geführt. 

Im Meer hat der Abbau gravierende Folgen für die Lebewesen am Meeresboden. Die Umweltschutzorganisation BUND e.V. kritisiert, dass dabei Saugbaggerschiffe den Boden oft metertief abtragen, einschließlich aller dort lebenden Tiere und Pflanzen. Das Ökosystem würde sich meist nicht regenerieren, da durch den Abbau die Korngrößen der Ablagerungen am Meeresboden verändert würden. Laut dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) verändert sich dadurch die Zusammensetzung der Arten, und die Zahl der Meerestiere nimmt meist ab. 

An Küsten kann der Sandabbau zu Erosion führen. Dies geschieht entweder, weil Strände direkt abgetragen werden, weil Unternehmen in Küstennähe Sand absaugen oder weil der Sandabbau in Flüssen dazu führt, dass die Wasserläufe weniger Material aus dem Landesinneren an die Küsten spülen.

Zwar haben Kies und Sand gemessen an der Masse den größten Anteil an den Rohstoffen der Baubranche. Aber auch Natursteine, Kalk, Gips, Ton, Lehm, Holz, Eisen in Form von Stahl und weitere Materialien werden verbaut. Die jüngste Preisexplosion zeigt, dass dabei selbst erneuerbare Rohstoffe wie Holz an ihre Grenzen stoßen können. 

Neben dem Abbau beziehungsweise der Herstellung der verschiedenen Baustoffe erzeugt auch der Transport Treibhausgase. Generell entstehen insbesondere dort große Mengen Treibhausgase, wo ein Prozess – beispielsweise in der Produktion - viel Strom oder Wärme benötigt und diese noch mit fossilen Rohstoffen erzeugt werden. Neben Zement ist vor allem die Stahlherstellung sehr energieintensiv. Nicht zuletzt arbeiten die meisten Baumaschinen mit Dieselantrieben. 2018 stammten laut Umweltbundesamt nur 2,4 Prozent der im Baugewerbe eingesetzten Energie aus erneuerbaren Quellen.

Doch nicht nur der Rohstoffabbau, die Produktion und der Transport von Baumaterialien sind nicht nachhaltig. Die Baubranche hat zudem einen enormen Flächenverbrauch. Die Siedlungs- und Verkehrsfläche in Deutschland ist im vierjährigen Mittel der Jahre 2016 bis 2019 durchschnittlich um rund 52 Hektar pro Tag gewachsen. Damit schwinden natürliche Ökosysteme, Tier- und Pflanzenarten verlieren Lebens- und Rückzugsräume. Meist geht der Flächenverbrauch mit Bodenversiegelung einher, sodass der Boden seine Funktion verliert. Mehr Informationen im Thema der Woche Flächen "sparen" – Wofür brauchen wir Platz?

Die Herausforderung wird größer

Die Baubranche ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige in Deutschland. So setzte das Bauhauptgewerbe 2019 laut Bundeswirtschaftsministerium 137,7 Milliarden Euro um und das Ausbaugewerbe weitere 153,2 Milliarden Euro . Doch der Bedarf an Wohnraum wächst weiter. Das liegt zum einen daran, dass in Deutschland mehr Menschen leben. Waren es 2011 noch 80,4 Millionen, stieg die Einwohnerzahl bis 2019 auf 83,2 Millionen. Außerdem ziehen viele Menschen vom ländlichen Raum in Ballungsgebiete, wodurch dort der Bedarf an Wohnraum besonders schnell steigt. Insgesamt hat die Branche in Deutschland 2019 laut Umweltbundesamt 108.071 Wohngebäude mit 260.791 Wohnungen fertiggestellt. Das waren 91 Prozent mehr als zehn Jahre zuvor – wobei 2009 einen Tiefpunkt der Bautätigkeit markierte.

Zugleich verändert sich die Gesellschaft Der Anteil der Single-Haushalte wächst nahezu stetig und lag 2020 bei 16,48 Millionen gegenüber 24,07 Millionen Mehrpersonenhaushalten. Das Statistische Bundesamt geht davon aus, dass es 2040 noch mehr Single-Haushalte geben wird. Gründe sind unter anderem die Alterung und der demografische Wandel der Bevölkerung sowie die "Versingelung" der Gesellschaft. Zusätzlich wächst die Wohnfläche pro Kopf. Zwischen 2011 und 2020 ist sie von 46,1 auf 47,7 Quadratmeter gestiegen. Am größten ist die Wohnfläche pro Kopf mit 68 Quadratmetern in Single-Haushalten (Stand: 2018).

Welche Baustellen gibt es für die Baubranche?

Um nachhaltig zu werden und die Klimaschutzziele einzuhalten, muss die Baubranche möglichst alternative Rohstoffe nutzen und ressourcenschonende Bauweisen anwenden. 
Der naheliegendste Weg dabei ist es, ein Gebäude zu sanieren, statt es neu zu errichten. Der Materialbedarf einer Sanierung ist um zwei Drittel geringer als der eines Neubaus. 

Recycelter Beton kann den Bedarf an Sand und Kies reduzieren. Bis 2050 ließe sich laut Umweltbundesamt mehr als ein Drittel der Mengen an Sand und Kies durch aufbereitete Abbruchmaterialien ersetzen. Forschungsteams entwickeln derzeit Verfahren, um in Recycling-Beton sogar zusätzlich CO2 zu binden. Auch andere Rohstoffe lassen sich aus Bauschutt rückgewinnen. Hinzu kommen traditionelle Baustoffe wie Holz und Lehm. Sie erfüllen dank moderner Verarbeitungsmethoden vergleichbare Anforderungen wie Beton und Stahl. Holz und Lehm können so verwendet werden, dass sie bei Brandschutz, Feuchtigkeits- und Wärmeschutz sowie Luftdichtheit höchste Anforderungen erfüllen. 

Ganze Häuser können im sogenannten Holzständerbau errichtet werden. Ein Raster aus waagerechten und senkrechten Balken wird mit Holzplatten verkleidet, sodass sich stabile Wandelemente ergeben. Diese Bauweise ist relativ kostengünstig und lässt kurze Bauzeiten zu. Selbst 85 Meter hohe Hochhäuser können heute aus Holz gebaut werden. Jedoch benötigt man auch hier Beton für Fundamente oder beispielsweise Aufzug- und Treppenschächte. Je nach Zweck des Baus können derartige Mischbauweisen sinnvoll sein. Zum Beispiel lassen sich tragende Innenwände und Decken aus Beton oder Lehm errichten, die Hülle des Gebäudes aus Holzrahmen. 

Auch Materialien für die Wärmedämmung können aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen werden. Dazu zählen Holzfasern, Zellulose aus Altpapier, Hanf, Flachs, Schafwolle, Stroh, Schilf und Seegras. Manche Stoffe werden zu Matten oder Platten verarbeitet, andere werden lose geschüttet oder in Hohlräume eingeblasen. In ihrer Dämmleistung sind sie mit nicht nachwachsenden Dämmstoffen wie Polystyrol vergleichbar und erfüllen ebenfalls die Brandschutzvorgaben.

Nachwachsende Rohstoffe haben den Vorteil, dass sie für einen langen Zeitraum das Kohlendioxid speichern, das die Pflanzen beim Wachstum aufgenommen haben. Außerdem benötigt die Herstellung dieser Baumaterialien in der Regel vergleichsweise wenig Energie. Damit diese Rohstoffe den Kriterien der Nachhaltigkeit genügen, müssen sie aus nachhaltiger Land- und Forstwirtschaft stammen. Besonders vorteilhaft ist es, wenn die Rohstoffe aus der Region stammen, damit der Energieaufwand beim Transport möglichst gering ist. Biobasierte Baumaterialien erleichtern zudem eines Tages die Entsorgung.

Darüber hinaus kann eine platzsparende Architektur den Flächenbedarf minimieren und auf diese Weise Baustoffe einsparen. Auch die Standortwahl beeinflusst die Umweltbilanz eines Hauses. So führt eine Nachverdichtung in Baulücken zu weniger Flächenverbrauch, als wenn eine Kommune neue Baugebiete erschließt. Nicht zuletzt entsteht ein großer Teil der Treibhausgasemissionen im Gebäudesektor nicht bei der Errichtung, sondern während der Nutzung des Gebäudes. Energieeffiziente Bauweisen, Haustechniken und Dämmungen reduzieren die Umweltauswirkungen über die Lebensdauer eines Hauses und halten die Betriebskosten niedrig.

Zahlreiche Problemlösungen sind definiert

Die Internationale Betonbranche (Global Cement and Concrete Association) hat auf die Herausforderung reagiert und verkündet, bis 2030 die CO2-Emissionen gegenüber 2020 um 25 Prozent reduzieren zu wollen, und visiert für 2050 die Treibhausgasneutralität an. Zugleich wächst der Holzbau: War 2016 im Bundesdurchschnitt Holz bei 16,2 Prozent aller Neubauten das wesentliche Baumaterial, lag sein Anteil laut Statistischem Bundesamt 2020 bereits bei 20,4 Prozent. Im Hinblick auf Mehrfamilienhäuser ist der Anteil des Baumaterials Holz noch sehr gering, sodass hier noch deutliche Steigerungen möglich sind.

Seitens der Politik gibt es zudem mehrere Lenkungsmaßnahmen. So zielt auf europäischer Ebene die Bauproduktenverordnung seit 2011 auf eine nachhaltige Nutzung von Ressourcen ab. Dazu benennt die Verordnung drei kreislaufwirtschaftliche Ziele: Recyclingfähigkeit, Dauerhaftigkeit sowie Einsatz von umweltverträglichen Rohstoffen und Sekundärbaustoffen, die allerdings bisher nicht in die Praxis umgesetzt wurden.

Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie unterstützt die UN-Nachhaltigkeitsziele und damit das nachhaltige Bauen. Das bedeutet demnach "Energieeffizienz, Erhalt der Biodiversität, Ressourcenschonung und Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen, Reduzierung des Flächenverbrauchs, nachhaltige Beschaffung von Produkten und Dienstleistungen einschließlich der Einhaltung von Menschenrechten in der Lieferkette sowie Sicherung von Gesundheit und Komfort von Nutzer*innen".

Zusätzliche Lenkungswirkung entfalten die Förder- und Darlehensprogramme der Bundesförderung für effiziente Gebäude (vormals Förderprogramme der Kreditanstalt für Wiederaufbau [KfW] sowie des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle [BAFA]). Förderfähigkeit und -höhe sind dabei an Kriterien der Energieeffizienz und der Nutzung erneuerbarer Energien gekoppelt.

Damit die Nachhaltigkeit im Bausektor mess- und vergleichbar wird, gibt es das "Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen". Darin hat das Bundesbauministerium sechs Kriteriengruppen aufgestellt, in denen je nach Erfüllungsgrad und Gewichtung insgesamt 100 Punkte erzielt werden können. Als Referenz gilt ein Wert von 50, für eine Zertifizierung muss mindestens ein Wert von 10 erreicht werden. Eine dieser Kriteriengruppen ist die ökologische Qualität, eine weitere bilden die Standortmerkmale.

Das können Einzelpersonen tun

Der einfachste Weg, nachhaltig mit Baustoffen umzugehen, ist die Flächeneffizienz. Hierbei toppen die Sanierung und die Modernisierung den Neubau, das Mehrfamilienhaus das Einfamilienhaus und die Baulücke die "grüne Wiese". Wer energieeffizient baut, muss zwar oft mehr investieren, erhält dafür aber höhere staatliche Förderungen und spart bei den laufenden Kosten. 

Um die Qualität von nachhaltigem Bauen bewertbar zu machen, hat die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) im Jahr 2009 ein ganzheitliches Zertifizierungssystem entwickelt. Es bezieht die Umwelt, den Menschen und die Wirtschaftlichkeit gleichermaßen ein. Das DGNB-System bewertet dabei keine einzelnen Maßnahmen, sondern die Gesamtperformance eines Gebäudes anhand verschiedener Kriterien. Werden diese Kriterien in herausragender Weise erfüllt, erhält das Gebäude ein Zertifikat.

Zudem informiert auch im Bausektor wie bei vielen anderen Produkten das Umweltzeichen, der "Blaue Engel", darüber, wenn ein Produkt umweltfreundlich ist. Im Gegensatz zum DGNB System bewertet der Blaue Engel jedoch einzelne Bauprodukte, nicht das ganze Gebäude. 

Weitere wichtige Siegel sind für Holz das FSC-Label sowie das PEFC-Label. Beide stehen für eine nachhaltige Holzwirtschaft. Das "Holz von Hier"-Umweltzeichen geht noch einen Schritt weiter: Es ist ein Herkunftsnachweis und setzt auf regionale Vermarktung. Nicht zuletzt bescheinigt das "natureplus"-Logo speziell für Produkte im Bausektor deren Nachhaltigkeit. Mehr Informationen über Produktsiegel gibt es im Thema der Woche Siegel und Produktinfos – Wie kaufe ich nachhaltig ein?

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