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06.10.2016 | Hintergrund

Urbanisierung und nachhaltige Entwicklung

Mächtige Skyline hinter einem Grünstreifen.
Sekundarstufe, Grundschule

Weltweit leben immer mehr Menschen in Städten. Urbanisierung stellt Städteplaner weltweit vor gigantische Herausforderungen. In manchen Städten führt ungeplantes Wachstum zu Umweltverschmutzungen und zu einer rasanten Ausbreitung in der Fläche. Welche Ursachen hat das weltweite Städtewachstum, welche Unterschiede gibt es und wie kann Urbanisierung nachhaltig gestaltet werden?

Weltweit leben immer mehr Menschen in Städten. Das Verhältnis von Stadt- zu Landbevölkerung kehrt sich innerhalb eines Jahrhunderts um. Während im Jahr 1950 noch 30 Prozent der Weltbevölkerung in Städten lebten, werden es im Jahr 2050 voraussichtlich 66 Prozent sein.  Das Wachstum wird vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern stattfinden, dennoch wird es weltweit enorme Auswirkungen haben, auch auf die westlichen Gesellschaften. Darauf weist unter anderem der WBGU hin, der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen. Der Beirat hat 2016 ein Gutachten zur Urbanisierung veröffentlicht.  

Das heute gängige Muster der Urbanisierung ist nicht nachhaltig. Es bringt unter anderem Konsum- und Produktionsmuster mit sich, welche die natürlichen Ressourcen gefährden.  Zum Beispiel sind Städte bereits heute für 70 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich.  Gleichzeitig hat die Urbanisierung positive Aspekte. "Unser Kampf um eine weltweite nachhaltige Entwicklung wird in den Städten gewonnen oder verloren", so der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki-moon. 

Welche Entwicklung die Städte nehmen, hängt davon ab, wie ihr Wachstum geplant und gesteuert wird, heißt es im World Cities Report der Vereinten Nationen von 2016. Bei der UN-Konferenz Habitat III im Oktober 2016 haben die Mitgliedsstaaten die sogenannte "New Urban Agenda" verabschiedet. Dieses Dokument definiert einen Rahmen und formuliert Ziele für eine nachhaltige Entwicklung der Städte.

Urbanisierung weltweit: Begriffe, Trends, zentrale Fakten

Als Urbanisierung wird zum einen das Maß der "Verstädterung" bezeichnet, das heißt, der Anteil der Bevölkerung, der in städtischen Räumen lebt. Zum anderen bezeichnet Urbanisierung die Zunahme der Stadtbevölkerung. Ursachen sind Wanderungsbewegungen aus ländlichen in städtische Räume oder das Bevölkerungswachstum innerhalb der Städte. 

Erstmals im Jahr 2007 überstieg die Zahl der weltweit in Städten lebenden Menschen die der Landbevölkerung. Zuvor war die Landbevölkerung stets in der Mehrheit. Vor allem ab dem Jahr 1950 gab es einen weltweiten Trend der Urbanisierung. Während 1950 noch 30 Prozent der Menschen in Städten wohnten, waren es im Jahr 2014 bereits 54 Prozent. Im Jahr 2050 werden voraussichtlich zwei Drittel der Menschen – 66 Prozent – in Städten leben. Damit kehrt sich das Mehrheitsverhältnis von Stadt- und Landbevölkerung innerhalb von 100 Jahren um. 

Auch in absoluten Zahlen ist die Stadtbevölkerung rasant gewachsen. Im Jahr 1950 betrug sie 746 Millionen, 2014 bereits 3,9 Milliarden Menschen. Voraussichtlich wird sie bis zum Jahr 2050 um weitere 2,5 Milliarden Menschen wachsen. 

Es gibt deutliche regionale Unterschiede beim Wachstum der Städte. Die wohlhabenden Länder weisen seit Jahrzehnten einen hohen Grad der Urbanisierung auf. Doch seit den 1950er-Jahren vollzieht sich die Urbanisierung in Schwellenländern besonders schnell. Im Jahr 1950 lag der Anteil der Stadtbevölkerung in wohlhabenden Ländern bei 57 Prozent, in Schwellenländern lediglich bei 20 Prozent. Im Jahr 2014 waren es 80 Prozent in wohlhabenden Ländern, in Entwicklungs- und Schwellenländern bereits 63 Prozent. Voraussichtlich wird der Anteil dort bis 2050 auf 79 Prozent steigen. 

Die Mehrheit der Stadtbewohnerinnen und -bewohner (53 Prozent) lebt bereits heute in Asien. Der Zuwachs bis 2050 wird zu fast 90 Prozent in Asien und Afrika stattfinden. 

Was ist eine Stadt?

Bei den Berechnungen zum Anteil der Stadt- und Landbevölkerung gehen die Vereinten Nationen von den Definitionen und Zahlenangaben der jeweiligen Länder aus. Es existiert keine weltweit einheitliche Definition für die Begriffe Stadt und ländlicher Raum. Es gibt auch keine einheitlichen Größenklassen beziehungsweise keine einheitliche Einteilung in Klein-, Mittel- oder Großstädte. Der WBGU weist darauf hin, dass dadurch unter anderem die Berechnungen der Vereinten Nationen erhebliche Unschärfen enthalten. 

In Deutschland unterscheidet das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) Landgemeinden, Kleinstädte (5.000 bis 20.000 Einwohner), Mittelstädte (20.000 bis unter 100.000 Einwohner) sowie Großstädte (mindestens 100.000 Einwohner). Um städtische und ländliche Räume zu unterscheiden, werden die Bevölkerungsdichte und der Anteil von Siedlungsflächen verglichen.  Neben Kennzahlen ist auch die Bedeutung wichtig: Städte sind Zentren, die besondere Funktionen an einem Ort versammeln. Sie haben besondere politische, kulturelle und wirtschaftliche Bedeutung. Sie dienen zum Beispiel als Produktionsstätten oder Handelsknotenpunkte. 

Die Vereinten Nationen unterscheiden in ihren Veröffentlichungen über die weltweite Urbanisierung kleinere Städte (bis zu 500.000 Einwohner),  Städte (500.000 bis 1 Million Einwohner/-innen), mittelgroße Städte (1 bis 5 Millionen), große Städte (5 bis zehn Millionen) und Megacities beziehungsweise Megastädte (mehr als zehn Millionen)

Megastädte sind demnach aufgrund ihrer Größe und Konzentration von Wirtschaftskraft bedeutsam, beherbergen jedoch nur rund ein Achtel der Weltbevölkerung. Jedoch spiegelt die Entwicklung der Megastädte die Trends der Urbanisierung wider. Im Jahr 1990 gab es weltweit nur 10 Städte mit mehr als 10 Millionen Einwohnern, im Jahr 2014 waren es bereits 28.  Die meisten Megastädte und großen Städte finden sich im globalen Süden. Allein in China befinden sich sechs Megastädte. In Asien und Afrika wird die Zahl der Megastädte, der großen Städte sowie der Anteil der dort lebenden Menschen stark anwachsen. 

Was sind die Gründe für die Urbanisierung? 

Die Gründe für das Wachstum der Städte sind entweder natürlicher Zuwachs oder Zuwanderung aus ländlichen Gebieten. Als natürlicher Zuwachs wird das Wachstum bezeichnet, das aus dem Geburtenüberschuss der Stadtbevölkerung resultiert. Zudem können sich Stadtgebiete auf zuvor ländliche Räume ausdehnen, oder ländliche Räume verdichten sich und werden als urbane Räume neu klassifiziert. 

Je nach Stadt, Region und Zeitraum können unterschiedliche Gründe für das Wachstum verantwortlich sein. In Entwicklungsländern hat das natürliche Wachstum den größten Anteil am Zuwachs der Städte (60 Prozent). 

Urbanisierung als Herausforderung für die nachhaltige Entwicklung

Wo Menschen leben, hat einen entscheidenden Einfluss auf ihren Lebensstil – unter anderem auf die Beschäftigung, Konsummuster, Bildung, ihre Versorgung mit Wohnraum, Wasser, sanitären Einrichtungen sowie auf die Gesundheitsversorgung. Auch ihr ökologischer Fußabdruck hängt damit zusammen sowie das Risiko, Naturkatastrophen ausgesetzt zu sein. 

Noch vor einigen Jahrzehnten waren die größten städtischen Siedlungen in den Industrieländern zu finden. Heute befinden sie sich überwiegend in Entwicklungs- und Schwellenländern. Die am schnellsten wachsenden Städte weltweit liegen in Asien und Afrika und haben typischerweise 500.000 bis fünf Millionen Einwohnerinnen und Einwohner. 

Schnelles und ungesteuertes Wachstum ist in der Regel nicht mit dem Ziel der nachhaltigen Entwicklung vereinbar, vor allem wenn die nötige Infrastruktur fehlt oder es keine Vorkehrungen gibt, dass die Vorteile der städtischen Entwicklung allen zur Verfügung stehen. So lebte im Jahr 2012 rund ein Drittel der Stadtbevölkerung in Entwicklungsländern (etwa 860 Millionen Menschen) in Slums oder informellen Siedlungen. Dort fehlen angemessene Wohnungen oder es herrscht Überbevölkerung. Zudem mangelt es an sanitären Einrichtungen und einer sicheren Wasserversorgung. Vielerorts muss die Slumbevölkerung mit Vertreibungen rechnen. 

In manchen Städten führt das ungeplante oder ungenügend gesteuerte Wachstum zu einer rasanten Ausbreitung in der Fläche und sowie Umweltverschmutzungen. 

Der Flächenverbrauch der Städte wächst heute doppelt so schnell wie ihre Bevölkerung.  Das ist zum Beispiel dort problematisch, wo die Bebauung in Konkurrenz zur Landwirtschaft steht. So wachsen im Raum Kairo in Ägypten informelle Siedlungen auf Flächen, die auch landwirtschaftlich genutzt werden könnten. Doch solche Flächen sind rar, denn die Stadt ist umgeben von Wüstengebieten.  

Umweltprobleme entstehen sowohl in der Stadt selbst als auch in der Region. Zudem gibt es teilweise globale Wechselwirkungen, zum Beispiel tragen die Treibhausgasemissionen zum Klimawandel bei. 

Zu typischen lokalen und regionalen Umweltauswirkungen zählen die Luftverschmutzung, die Übernutzung der Wasservorräte und Wasserverschmutzung, Lärm und Belastungen durch Abfälle. 

Ein extremes Beispiel für eine problematische Wasserversorgung ist die peruanische Hauptstadt Lima. Die Region ist durch ein trockenes Klima geprägt, sodass die Stadt fast vollständig vom Gletscherwasser aus den Anden abhängig ist. 

In vielen Großstädten in Schwellen- und Entwicklungsländern gibt es Mängel bei der Abfall- und Abwasserentsorgung. So sind in der indischen Megastadt Mumbai nur 42 Prozent der Bevölkerung an das Abwassersystem angeschlossen. In den Slums sind es nur 2 Prozent. Daher sind die Gewässer in der Region stark belastet. 

Für extreme Luftverschmutzung ist die chinesische Hauptstadt Peking bekannt. Die dort gemessenen Werte übersteigen die Grenzwertempfehlungen der Weltgesundheitsorganisation häufig um ein Vielfaches. Ursachen sind der Verkehr und Emissionen der Industrie. 

Gleichzeitig eröffnen Städte die Chance, der Bevölkerung einen besseren Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen und eine bessere Versorgung zu bieten. Die Gesundheitsversorgung oder der Zugang zu Bildung für eine große Zahl von Menschen sind in der Stadt effizienter zu erreichen. Öffentlicher Nahverkehr, Wohnraum, Energie- und Wasserversorgung können in dicht besiedelten Gebieten kostengünstiger und umweltverträglicher organisiert werden. Die Stadtbevölkerung hat meist Zugang zu einem größeren und vielfältigeren Arbeitsmarkt. Insgesamt kann sie ein gesünderes Leben führen, so die Vereinten Nationen.  

Ansätze für eine nachhaltige Urbanisierung

Städte sind so komplex und unterschiedlich, dass es keine übertragbaren Rezepte für die Planung und das Management von Städten gibt, so der WBGU. Die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten müssen berücksichtigt werden, um individuelle Lösungen für eine nachhaltige Entwicklung zu finden. Dazu gehören die jeweiligen Entscheidungsträger sowie die Bevölkerung. Zudem müsse die Handlungskompetenz der Städte gefördert werden, so der WBGU. 

Der Beirat fasst auch die Anforderungen an eine nachhaltige Urbanisierung zusammen. Dazu gehören unter anderem:

  • Die Infrastrukturen für Energie, Wasser, Abfall, Mobilität sowie die Gebäude müssen umgebaut werden. Der Umbau muss klimaverträglich stattfinden, und das Ziel muss die Vermeidung zukünftiger Treibhausgasemissionen sein. Dies wird häufig auch als „Dekarbonisierung“ bezeichnet. Das bedeutet zum Beispiel, dass die Energieversorgung auf erneuerbare Energien umgestellt wird. Im Mobilitätssektor ist eine Abkehr von der Ausrichtung auf den motorisierten Individualverkehr nötig. 
  • Städte sollen umweltfreundlich sein und einen gesunden Lebensraum bieten. Zum Beispiel müssen die Probleme der Luft- und Wasserverschmutzung in Städten gelöst werden. Zudem muss der umweltverträgliche Umgang mit Abfällen sichergestellt werden.
  • Die Lebensqualität der Menschen muss sichergestellt werden. Dieser Bereich geht über Städtegestaltung und Infrastrukturentwicklung hinaus. Der WGBU weist darauf hin, dass Lebensqualität nicht nur vom Einkommen abhängt. Das subjektive Wohlbefinden müsse stärker beachtet werden. Eine wichtige Rolle spielt die räumliche Gestaltung, die sich am „menschlichen Maß“ orientiert. Die Stadt muss unter anderem Erholungsräume bieten und soziale Interaktion ermöglichen.  Dabei stellt sich auch die Frage, wie Menschen an der Gestaltung der Urbanisierungsprozesse mitwirken können.

Als Beispiel für eine am Menschen orientierte, nachhaltige Stadtplanung werden oft die Bemühungen in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen genannt. Kopenhagen hat sich unter anderem zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2025 klimaneutral zu werden. Die Energieversorgung wird mittels erneuerbarer Energien sichergestellt, und verbleibende Treibhausgasemissionen sollen kompensiert werden.

Kopenhagen hat sich von der autozentrierten Verkehrsplanung abgewendet. Die Stadt ist besonders bekannt für Innovationen und Experimente zur Förderung des Radverkehrs. Es gibt ein sehr gut ausgebautes Netz von Radwegen. Oft genießt der Radverkehr Vorrang vor anderen Verkehrsmitteln, zum Beispiel mit einer „grünen Welle“ für Fahrräder. Die Stadt hat ein integriertes Mobilitätssystem entwickelt, das den Wechsel zwischen verschiedenen öffentlichen Verkehrsmitteln erleichtern soll.

Zudem existieren verschiedene Ansätze der politischen Teilhabe. Sie reichen von gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligungsmöglichkeiten an der Stadtentwicklung bis hin zu informellen, kreativen Prozessen. Zum Beispiel werden Haushalte zu Themen der Stadtentwicklung befragt. 

Weiterführende Links

Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung – Globale Umweltveränderungen (WBGU): Der Umzug der Menschheit: Die transformative Kraft der Städte
http://www.wbgu.de/hauptgutachten/hg-2016-urbanisierung/  

Auswärtiges Amt: Nachhaltige Urbanisierung 
'https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/themen/urbanisierung 

Nationale Stadtentwicklungspolitik: Deutscher Beitrag zur "New Urban Agenda" der Vereinten Nationen
http://www.nationale-stadtentwicklungspolitik.de/NSP/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/2015/KM_NewUrbanAgenda.html

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