04.05.2017 | Hintergrund

Was Stadtgrün für Mensch und Umwelt leistet

Tiergarten in Berlin
Grundschule, Sekundarstufe

Parks und Stadtwälder sind nicht nur schön anzusehen. Sie übernehmen auch wichtige Funktionen: Sie verbessern das Stadtklima, wirken dem Klimawandel entgegen, bieten Pflanzen und Tieren Lebensräume und erfüllen als öffentliche Räume auch soziale Funktionen. Doch in Städten sind viele Flächen versiegelt, und es gibt eine große Nutzungskonkurrenz. Warum ist Stadtgrün wichtig, und wie können zusätzliche grüne Flächen geschaffen werden? 

Straßenbäume, Stadtparks, Gärten, Brachflächen, begrünte Dächer – die vielfältige Natur in der Stadt spielt für das Wohlbefinden der Bewohnerinnen und Bewohner eine wichtige Rolle. Sie werden quer durch alle Gesellschaftsgruppen geschätzt. Gleichzeitig erbringt das Stadtgrün viele "unsichtbare" Leistungen, zum Beispiel verbessert es die Luftqualität. Doch in der Stadt sind Flächen knapp, daher sind Nutzungskonflikte vorprogrammiert.

Wegen seiner vielfältigen Funktionen spielt das Stadtgrün eine wichtige Rolle für eine nachhaltige Stadtentwicklungspolitik. Verschiedene Akteure der Stadtentwicklung in Deutschland engagieren sich dafür, dass Stadtgrün und Freiflächen ein angemessener Stellenwert eingeräumt wird. Ziel ist, Lebensqualität und Zukunftsfähigkeit in den Städten sicherzustellen. Deshalb wurde in einem Dialogprozess auf Initiative des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit unter Einbeziehung von Politik, Wissenschaft, Verbänden, Vereinen, Stiftungen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft das sogenannte "Weißbuch Stadtgrün" entwickelt. Das Weißbuch enthält konkrete Maßnahmen und Handlungsempfehlungen des Bundes für grüne Städte, gegliedert in zehn Handlungsfelder. 

Was kennzeichnet städtische Gebiete?

Fast 60 Prozent der Menschen in Deutschland leben in Städten mit mehr als 20.000 Einwohnerinnen und Einwohnern, den sogenannten Mittelstädten und Großstädten. Rund 77 Prozent leben in dicht und mittelstark besiedelten Gebieten. Als Städte gelten geschlossene Siedlungen mit mindestens 5.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Während viele kleine und mittelgroße Städte in Deutschland schrumpfen, zieht es immer mehr Menschen in die Großstädte. Ihre Bevölkerung ist zwischen 2008 und 2013 um 2,8 Prozent gewachsen. 

Der Trend zur Verstädterung ist auch global erkennbar: Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt bereits in Städten. Im Jahr 2050 werden es vermutlich mehr als zwei Drittel sein. (Mehr Informationen zum Thema Verstädterung finden sich im Wochenthema "Urbanisierung: Wie die Städte wachsen".)

Flächennutzung und Formen des Stadtgrüns

Laut Umweltbundesamt wurden in Deutschland 2015 jeden Tag etwa 61 Hektar Flächen verbraucht und in Siedlungs- und Verkehrsfläche umgewandelt – meist zulasten von Landwirtschaft und fruchtbaren Böden. Der durchschnittliche Flächenverbrauch pro Tag lag von 2012 bis 2015 bei 66 Hektar, das entspricht rund 92 Fußballfeldern. Etwa die Hälfte dieser neuen Siedlungs- und Verkehrsflächen wurde versiegelt. Das bedeutet, dass Gebäude oder auch Asphaltbeläge die natürliche Oberfläche fast vollständig abschließen. (Mehr zum Thema Flächenverbrauch im Thema der Woche "Boden ist wertvoll".) 

Grün- und Erholungsflächen nehmen im deutschlandweiten Durchschnitt knapp neun Prozent der Siedlungs- und Verkehrsflächen ein. Das sind insgesamt deutschlandweit rund 4.200 Quadratkilometer. Von Stadt zu Stadt kann sich der Anteil der Grünflächen stark unterscheiden. Meist gilt: Je kleiner eine Kommune, umso mehr Grünflächen sind vorhanden. Doch auch innerhalb einzelner Städte gibt es Unterschiede. Vor allem in Innenstadtbereichen und Quartieren mit Block- und Blockrandbebauung mangelt es an Grünflächen. Besonders oft fehlt Grün in sozial benachteiligten Quartieren. 

Stadtgrün umfasst eine große Vielfalt von Formen. Dazu gehören sowohl Grünflächen als auch begrünte Gebäude. Zu den Grünflächen zählen Parkanlagen, Friedhöfe, Kleingärten, Brachflächen, Spielbereiche und Spielplätze, Sportflächen, Straßengrün und Straßenbäume, Grünflächen an öffentlichen Gebäuden, Naturschutzflächen oder Wald. Auch private Gärten und landwirtschaftlich genutzte Flächen gehören dazu. 

Zudem gehören begrünte Gebäude dazu ("Bauwerksgrün"). Beispiele sind begrünte Fassaden und Dächer sowie Pflanzen an und auf Infrastruktureinrichtungen. Zusammengefasst wird das städtische Grün auch als "grüne Infrastruktur" bezeichnet, da es zahlreiche wirtschaftliche, soziale und ökologische Leistungen erbringt – vergleichbar mit der "grauen Infrastruktur", zu der wie Straßen und Gebäude zählen. 

Stadtnatur entwickelt sich auf unterschiedliche Weise. Zu ihr gehören gärtnerisch gestaltete Flächen, ebenso wie Reste ursprünglicher Naturlandschaften, wie zum Beispiel Waldgebiete oder Reste ländlicher Kulturlandschaften. Auch neuartige wilde Naturelemente entstehen in Städten, zum Beispiel auf brachliegenden Industrieflächen. 

Bodenversiegelung und ökologische Auswirkungen

Die Versiegelung der Böden ist problematisch, weil hier der natürliche Wasserkreislauf gestört wird: Regenwasser kann weniger gut versickern und die Grundwasservorräte auffüllen. Bei starkem Regen kann die Kanalisation die oberflächlich abfließenden Wassermassen teils nicht fassen – das Risiko für Überschwemmungen steigt. Außerdem verdunsten versiegelte Flächen weniger Wasser. Damit können diese im Sommer weniger dazu beitragen, die Luft abzukühlen.

Die Versiegelung ist ein Grund dafür, dass es in Städten wärmer ist – dort entstehen "Wärmeinseln". Dann kann es im Sommer in Innenstädten bis über zehn Grad Celsius wärmer sein als im Umland. Es wird im Zusammenhang mit dem Klimawandel erwartet, dass Hitzetage und heiße Nächte, in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad Celsius fällt, in Zukunft zunehmen. Dies stellt eine große Herausforderung dar.

Städtisches Grün für besseres Stadtklima

Grünflächen und Begrünungsmaßnahmen können für ein besseres Stadtklima sorgen – unter anderem, weil hier der Boden nicht versiegelt ist. Auch trägt das Blattgrün der Pflanzen zum Temperaturausgleich bei. Städtisches Grün verbessert zudem die Luftqualität, indem es Luftschadstoffe und Staub, einschließlich Feinstaub, absorbiert und filtert. Zudem binden die Pflanzen CO2 und speichern ihn in Form von Kohlenstoff. Grünflächen tragen so zum Klimaschutz bei. 

Darüber hinaus sind Stadtwälder und Parkanlagen, aber auch Brach- und Wildnisflächen wichtige Lebensräume für Tiere und Pflanzen. Diese Räume sind eine Voraussetzung für den Erhalt der Artenvielfalt. 

Stadtgrün fördert die Lebensqualität

Neben ökologischen übernimmt Stadtgrün soziale und gesundheitliche Funktionen. Ein besseres Stadtklima stärkt die Gesundheit der Bewohnerinnen und Bewohner. So fördern die nächtliche Abkühlung und der Frischluftaustausch die Gesundheit der Einwohnerinnen und Einwohner – entscheidend auch im Hinblick auf eine wachsende und zugleich alternde Stadtbevölkerung. Ebenso wirkt sich Stadtgrün positiv auf das psychosoziale Wohlbefinden und die psychosoziale Entwicklung aus: Kinder brauchen Räume, um sich zu bewegen – Erwachsene auch. So lässt sich Stress abbauen, wenn man sich in der urbanen Natur aufhält oder bewegt. 

Nicht zu vernachlässigen sind auch die sozialen Aspekte. Grünflächen sind Orte der Begegnung und bieten Raum für gemeinsame Sport- und Freizeitaktivitäten: Vom Fußballspielen und Grillen bis hin zum Treffpunkt für Hundebesitzer. Grünanlagen gehören zu den wichtigsten öffentlichen Räumen in den Städten. 

Nutzungskonflikte und Kosten

Trotz der wichtigen Funktionen von urbanem Grün fehlen in Städten teilweise Grünflächen. Und vor allem in Regionen mit Bevölkerungswachstum gehen weitere freie Flächen verloren. 

Gerade in den boomenden Großstädten und Metropolregionen wie Berlin, Köln, München oder dem Rhein-Main-Gebiet werden Brachen und Grünflächen für zusätzliche Wohn- und Gewerbegebäude sowie Verkehrswege benötigt. Diese sogenannte Nachverdichtung betrifft insbesondere die beliebten Innenstädte. Daraus ergeben sich häufig Nutzungs- und Zielkonflikte für Städte und Gemeinden. 

Maßnahmen und Ideen für grünere Städte

Auch wenn Städte vor vielen Herausforderungen stehen, sind sie immer auch Orte der Innovation und des Wandels. Gerade hier finden sich kreative Lösungen – und Raum – für mehr Stadtgrün. National und international gibt es viele Ideen und Projekte, die mehr "Grün" in die Stadt bringen und Stadtentwicklung mit Naturschutz verbinden. 

Zu den möglichen Maßnahmen gehört die Umnutzung von ehemaligen Industrieflächen. Ein Beispiel ist der Emscher Landschaftspark im Ruhrgebiet, in dessen Zentrum die Zeche Zollverein liegt. Von 1989 bis 1990 wurden die Industrieflächen renaturiert, während die industriellen Strukturen teils erhalten blieben. Die Natur entfaltet sich frei auf den Industriebrachen und wird durch behutsame Pflege weiterentwickelt. So entsteht ein Miteinander von städtischer "Wildnis" und Stadtgrün mit besonderem Charme. 

Der Stadtwald in Lübeck gilt als herausragendes Beispiel dafür, wie naturnahe Räume in der Stadt gepflegt und weiterentwickelt werden können. Er wird seit 1994 nach dem Konzept der naturnahen Waldnutzung bewirtschaftet. Gewirtschaftet wird ausschließlich mit heimischen Baumarten durch "Naturverjüngung". Dabei werden neue Bäume nicht künstlich durch Saat oder Pflanzungen geschaffen, sondern aus den Samen der Altbäume entwickelt sich die nächste Baumgeneration. 

Neben großen Grünflächen ist auch mit weniger aufwendigen Mitteln und mit weniger Platz eine urbane Begrünung möglich – zum Beispiel durch Fassaden- und Dachbegrünung, oft auch als „grüne Architektur“ bezeichnet. So hat die Bonner Kunst- und Ausstellungshalle einen öffentlich zugänglichen begrünten Dachgarten mit wechselnden Ausstellungen – häufig zum Thema Natur und Kunst. Auch Fassaden können begrünt werden. Man spricht auch von "Living Walls" – von lebenden Fassaden. 

Die Begrünung privater Gebäude liegt in der Hand der Eigentümer. Maßnahmen zur Begrünung können aber finanziell, planungsrechtlich und beratend durch die Kommunen gefördert werden: Die Stadt Hamburg zum Beispiel fördert von 2015 bis 2019 gezielt die Begrünung von Flachdächern mit insgesamt drei Million Euro. Neben den kommunalen Förderprogrammen unterstützen die Europäische Union sowie Bund und Länder Maßnahmen für städtisches Grün.

Gärtnern in der Stadt

Auch private Haushalte können sich einbringen, indem sie eigene Grundstücke entsiegeln und begrünen, wie zum Beispiel Innenhofflächen oder befestigte Wege. Im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg erhalten Eigentümerinnen und Eigentümer, aber auch Mieterinnen und Mieter, seit 1999 Finanzierungshilfen für die Begrünung ihrer Innenhöfe. 

Auch die zahlreichen Kleingartenanlagen in deutschen Städten verbessern das Stadtklima. Außerdem sind sie wichtig für das soziale Miteinander und fördern die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger – und zwar aller Altersgruppen. 

Andere Ansätze für das eigene Gartenglück bietet das "Urban Gardening". Dabei nutzen Privatpersonen, Initiativen oder Gruppen ungenutzte Flächen für die Gartenarbeit. Meist wird dabei auf den ökologischen und nachhaltigen Anbau von Obst, Gemüse oder Kräutern gesetzt. Beim Urban Gardening geht es auch um die Gemeinschaft. Viele Projekte sind frei zugänglich. Mehr Informationen zum Thema Urban Gardening liefert der Hintergrundtext "Die Stadt als Beet"

Ein weiterer Ansatz ist die "Essbare Stadt". Zum Beispiel werden in Andernach in Rheinland-Pfalz seit 2010 Mangold, Grünkohl und andere Obst- und Gemüsesorten gezielt auf öffentlichen Grünflächen angebaut, unter anderem in der Altstadt. Alle Bürgerinnen und Bürger sind eingeladen, beim Anbau zu helfen, auch Schulen und Kindergärten. Auch ernten dürfen alle.

Akteure vernetzen für eine nachhaltige Stadtentwicklung

Viele Städte leisten ihren Beitrag für eine nachhaltige Stadtentwicklung, die ein Gleichgewicht schafft zwischen wirtschaftlichen, ökologischen, sozialen und kulturellen Aspekten. (Umwelt im Unterricht bietet weiterführende Informationen zum Thema nachhaltige Stadtentwicklung.)

Vor dem Hintergrund der Zielkonflikte und der Nutzungskonkurrenz in der Stadt sind die Funktionen der Stadtnatur besonders bedeutsam. Mit dem Stadtgrün wachsen das Wohlbefinden der Bevölkerung sowie die Attraktivität der Städte. "Grüne Städte" haben im nationalen Wettbewerb um Bürgerinnen und Bürger und als Standort für Unternehmen Vorteile.

Zudem kann es sinnvoll sein, die Leistungen der Stadtnatur aus ökonomischer Sicht zu bewerten. So wurde im Rahmen des Forschungsvorhabens "Naturkapital Deutschland – TEEB DE" die Stadtnatur aus ökonomischer Perspektive betrachtet. Ein solches Vorgehen bietet die Möglichkeit, die Leistungen des urbanen Grüns konkreter zu erfassen und sichtbar zu machen. Die Bewertung des Naturkapitals kann in Entscheidungen über die Flächennutzung einfließen und zum Beispiel den Erhalt von Freiflächen rechtfertigen, wenn eine Bebauung aus wirtschaftlichen Gründen erwogen wird. 

Angesichts der vielfältigen Interessen ist es eine wichtige Voraussetzung für die Bewahrung und Schaffung von Stadtgrün, übergreifende Konzepte und Strategien zu entwickeln und dabei alle relevanten Akteure und Entscheidungsträger einzubinden. Dazu gehören zum Beispiel die Bereiche Stadtplanung, Raum- und Regionalplanung sowie Bau- und Verkehrswesen. Insbesondere Bürgerinnen und Bürger, die Grünflächen nutzen und/oder sich engagieren wollen, sollen mit einbezogen werden. Der Politik kommt dabei die Aufgabe zu, integrierte Strategien zu entwickeln.

Weiterführende Links

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU): Weißbuch "Grün in der Stadt"
http://www.gruen-in-der-stadt.de/

Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung: Grün in der Stadt
http://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Veroeffentlichungen/IzR/2016/6/izr6-2016.html 

Bundesamt für Naturschutz: Naturschutz im Siedlungsbereich
https://www.bfn.de/0321_siedlung.html

Naturkapital Deutschland – TEEB DE: Ökosystemleistungen in der Stadt
http://www.naturkapital-teeb.de/

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