15.05.2024 | Hintergrund

Warum sind Bienen und andere Bestäuber wichtig – und warum sind viele Arten bedroht?

Sekundarstufe, Grundschule

Die Bestände von Wildbienen und anderen Insekten in Deutschland gehen zurück. Wieso ist das ein Problem, und was steckt hinter dem Rückgang? Welche Arten sind betroffen, was sind die Gründe dafür, und wie können wir Wildbienen und andere Bestäuber besser schützen?

Es gibt immer weniger wildlebende Insekten in Deutschland. Das zeigen wissenschaftliche Studien und die Roten Listen des Bundesamts für Naturschutz. Sowohl die Vielfalt der Arten als auch die Insekten-Biomasse hat über die letzten Jahrzehnte stark abgenommen. 42 Prozent der in den Roten Listen erfassten Insektenarten gelten als bestandsgefährdet, selten oder bereits ausgestorben. Bei einigen Arten ist die Anzahl der Tiere in den letzten Jahrzehnten um über 80 Prozent gesunken.

Von diesem Rückgang betroffen sind auch die Wildbienen. Es gibt rund 600 Wildbienenarten in Deutschland. Mehr als die Hälfte davon ist bedroht. Manche leben in einem Volk wie Honigbienen, zum Beispiel die Hummeln, andere einzeln als "Solitärbienen". Im Sommer kann man sehen, wie manche Wildbienen Löcher im Boden, in Blumenkästen oder Mauern anlegen. In diese Nester legen sie ihre Brut hinein. Andere nutzen gern Schneckenhäuser oder altes Holz. Viele Arten sind Spezialistinnen, manche davon sind abhängig von einer einzelnen, oft selten gewordenen, Futterpflanze.

Exkurs: Der Begriff "Bienensterben"

In der Öffentlichkeit ist häufig vom "Bienensterben" die Rede. Der Kinofilm "More than honey" hat diesen Begriff 2012 bekannt gemacht. Im Film geht es jedoch nicht um den Rückgang wildlebender Insekten. In der Dokumentation ist der Einsatz von Honigbienen in der Landwirtschaft zu sehen. Honigbienen sind von Menschen gehaltene Nutztiere, keine wilden Insekten. Sie leiden zwar unter Krankheiten und Chemikalien, sind aber nicht – wie oft angenommen – in ihrem Bestand bedroht. Im Gegenteil: Seit einigen Jahren wächst weltweit die Zahl der Bienen. Auch in Deutschland gibt es immer mehr Imker und Bienenvölker.

Warum ist der Rückgang von Wildbienen und anderen Bestäubern ein Problem?

Damit die vielen verschiedenen Pflanzenarten bestäubt werden können, ist eine große Vielfalt von Insekten nötig. Die Beziehungen zwischen Pflanzen und Insekten sind gut geeignet, um die Bedeutung von Biodiversität zu veranschaulichen. Wildbienen und Schwebfliegen sind die wichtigsten Bestäuberinsekten. Aber auch Käfer, Schmetterlinge und andere Insekten besuchen Blüten und tragen dabei Pollen weiter. Manche Bestäuber sind sehr spezialisiert. Sie sorgen dafür, dass ganz bestimmte Pflanzen bestäubt werden können.

Die Bestäubung durch Insekten ist auch für Nutzpflanzen und somit für die Versorgung mit Nahrungsmitteln entscheidend. Geht die Anzahl der Bestäuber zurück, birgt das nicht nur ökologische, sondern auch große wirtschaftliche Risiken.

Neue Schätzungen beziffern den volkswirtschaftlichen Nutzen der Bestäubungsarbeit von Tieren allein in Deutschland mit durchschnittlich 3,8 Mrd. Euro pro Jahr. Weltweit sind es 1 Billion US-Dollar.

Bienen sind besonders wichtige Bestäuber für Pflanzen. Wildbienen sind oftmals sogar effektiver als Honigbienen . Um Nektar und Pollen zu sammeln, besuchen sie jede einzelne Blüte. Dabei tragen sie die Pollen von einer Blüte zu anderen und bestäuben diese dabei. Die Pflanzen können dann Früchte und Samen bilden – einige davon ernten und essen wir.

Es gibt auch Pflanzen, die keine Bestäuber brauchen – etwa Getreide wie Weizen oder Roggen, Reis, Mais, Erbsen und die Haselnuss. Bei diesen Pflanzen wird der Pollen vom Wind von einer Blüte zu anderen getragen.

Viele andere Pflanzen brauchen die Bestäuber aber. Mehr als drei Viertel der wichtigsten Lebensmittelpflanzen weltweit sind für die Fortpflanzung zumindest teilweise auf Tiere angewiesen.

Eine Besonderheit: Früchte von Pflanzen, die durch wilde Bestäuber befruchtet werden, sind meist erheblich größer und länger haltbar als durch Honigbienen, Wind und Wasser bestäubte Früchte. Beispiele dafür sind Erdbeeren und Himbeeren. Der Grund ist, dass die wilden Bestäuber jede einzelne Blüte absuchen, während Honigbienen oftmals eher oberflächlich Nektar ernten und sehr kleine Blüten ignorieren. Für die genannten Früchte, die als Sammelfrüchte bezeichnet werden, ist jedoch die Vielzahl kleiner Blüten die Grundlage für Fülle und Qualität.

Hummeln haben zudem die Fähigkeit, früher und länger im Jahr Blüten zu bestäuben, weil sie kühlere Temperaturen besser verkraften. Daher können sie Blüten auch dann bestäuben, wenn andere Wildbienenarten wegen niedriger Temperaturen längst aufgegeben haben.

Dass die Vielfalt der Bestäuber relevant ist für die Effizienz der Bestäubung, veranschaulicht auch das folgende Beispiel: Häufig werden seit einigen Jahren Erdhummeln für die Bestäubung von Tomaten in Gewächshäusern verwendet. Ihr Summen setzt die Pollenkörner frei, wenn deren Behälter durch das Vibrieren der Hummel mit einer Frequenz von 400 bis 500 Hertz geschüttelt werden.

Was ist über das Ausmaß des Rückgangs bekannt?

Die Bestäuber sind nur die Spitze des Eisbergs, wenn es um den Rückgang von Insektenarten geht. Vor einigen Jahren zeigte eine wissenschaftliche Studie , dass die Gesamtbiomasse der Fluginsekten in vielen Naturschutzgebieten Deutschlands in den letzten Jahrzehnten stark abgenommen hatte: Um 76 Prozent, im Hochsommer sogar bis zu 82 Prozent. Die Daten dazu hatten ehrenamtliche Insektenkundlern eines Vereins in Krefeld zwischen 1989 und 2016 gesammelt, indem sie Flugfallen aufgestellt hatten.

Diese Studie wurde als "Krefelder Studie" bekannt. Auch andere wissenschaftliche Untersuchungen belegen den Rückgang der Insektenvielfalt. Dokumentiert ist er in den Roten Listen der gefährdeten Tier-, Pflanzen- und Pilzarten Deutschlands. Auch anderswo sinkt die Vielfalt der Insektenarten und Bestäuber. Das zeigen Studien und Berichte aus anderen Teilen Europas und der Welt.

Der massive Rückgang der Anzahl und Vielfalt von Insekten hat weitreichende Konsequenzen für die Umwelt und uns Menschen. Insekten spielen in Ökosystemen eine wichtige Rolle. Von den knapp 50.000 Tierarten in Deutschland sind über 33.000 Arten – das heißt fast 70 Prozent – Insekten. Sie erbringen sehr wichtige Ökosystemleistungen. Ihr Rückgang hat daher auch auf uns Menschen große Auswirkungen.

Insekten sind die Nahrungsgrundlage für viele anderen Tiere wie Vögel, Säugetiere, Reptilien, Amphibien und Fische. Die Bestände der Vogelarten, die sich während der Brutzeit überwiegend von Kleininsekten und Spinnen ernähren, gehen besonders zurück.

Was sind die Ursachen für das Insektensterben?

Die Hauptursache für Rückgang der Insekten ist der Verlust an Lebensräumen und Nahrung, vor allem bedingt durch intensive Landwirtschaft und Flächenversiegelung. Zudem werden immer noch große Mengen an Pestiziden eingesetzt, also Chemikalien zur Schädlingsbekämpfung. Insektizide sollen Insekten bekämpfen, die den Kulturpflanzen Schaden zufügen können, haben aber oft Nebenwirkungen. Oftmals wirken sie nicht genau gegen die aus Sicht der Menschen problematischen Arten, sondern gegen alle.

Die Wirkung der Pestizide auf Bienen wird vor der Zulassung getestet, damit die Bienen verschont bleiben. Allerdings bezieht sich dies nur auf Honigbienen, nicht aber auf die vielen verschiedenen Wildbienenarten. So besteht die Möglichkeit, dass einige Arten die Insektizide nicht vertragen.

Zudem werden viele Nutzpflanzen auf großen Feldern in Monokulturen angebaut. In diesen Agrarlandschaften fehlt es vielen Insekten an Nahrung und Nistmöglichkeiten. Natürliche Landschaftselemente wie Hecken oder Blühstreifen, Weiher und Ackerrandstreifen wurden vielfach entfernt, dabei sind sie außerordentlich wichtig für wildlebende Arten. Auf den Äckern dominieren wenige Kulturarten, Ackerwildkräuter sind kaum noch vorhanden.

Auch die Versiegelung von Böden durch den Bau von Wohn- und Gewerbegebieten, den Straßenbau und eine einseitige Gestaltung von Gärten nehmen den Insekten ihre Lebensräume und ihr Nahrungsangebot.

Gibt es für spezialisierte Wildbienen zum Beispiel nicht mehr die passenden Pflanzen, können sie sich nicht mehr ernähren. Wenn kein passender Ort zum Nisten oder kein Nistmaterial vorhanden ist, können sich die Bienen nicht vermehren. Für das Wachsen der Larven und die Verpuppung der Tiere brauchen die Wildbienen zudem Ruhe und einen ungestörten Lebensraum.

Die Bestände der Honigbienen sind nicht so gefährdet, wie die Bestände der Wildbienen. Im letzten Jahrzehnt ist die Zahl der Imker und Bienenvölker in Deutschland und weltweit gestiegen. Die Honigbienen leiden zwar auch unter Nahrungsmangel und Parasiten. Es ist aber nicht zu befürchten, dass die Honigbienen dadurch aussterben.

Wie reagiert die die Umweltpolitik?

Insekten sind von unschätzbarem Wert, sowohl für die Umwelt als auch für uns Menschen. Um den Insektenschwund aufzuhalten, wurden in den letzten Jahren verschiedene politische Initiativen auf den Weg gebracht.

In Deutschland hat die Bundesregierung 2019 das Aktionsprogramm Insektenschutz aufgesetzt. Das Aktionsprogramm legt Handlungsbereiche und Maßnahmen fest, um den Rückgang der Insekten und ihrer Artenvielfalt aufzuhalten. Dazu gehören eine bessere rechtliche Regelung des Insektenschutzes, weniger Pestizide und Schadstoffe, die Eindämmung des "Staubsaugereffekts", den Licht auf Insekten ausübt, der Schutz und die Wiederherstellung von Lebensräumen und die entsprechende Finanzierung: Insektenschutz und -forschung sollen mindestens 100 Millionen Euro pro Jahr erhalten.

Seit März 2022 gilt das Gesetz zum Schutz der Insektenvielfalt. Damit setzt Deutschland einen Teil des Aktionsprogramms Insektenschutz von 2019 um. Das Insektenschutzgesetz regelt Vorgaben aus dem Bundesnaturschutzgesetz neu. Zum Beispiel soll es die Lichtverschmutzung mindern, indem es den Betrieb von Himmelsstrahlern und Lichtverschmutzung in Naturschutzgebieten begrenzt. Auch die Verwendung von Insektenfallen und Bioziden schränkt das Gesetz ein.

Um die Maßnahmen in die Tat umzusetzen, braucht es in Deutschland auch die Unterstützung der Länder und Kommunen sowie der Bürgerinnen und Bürger. Sie können zum Beispiel für eine vielfältigere Bepflanzung und Verzicht auf Spritzmittel in Städten und Gärten sorgen, so dass Insekten mehr Nahrung finden. Weil der Schwund von Insekten ein internationales Problem ist, braucht es für die Lösung auch entsprechende Regeln der Europäischen Union und internationale Vereinbarungen zum Schutz der Insekten.

Die Europäische Kommission hat 2018 die "EU Pollinators Initiative" gestartet, die den Schwund wilder Bestäuber aufhalten soll – ein Ziel, das auch in der Biodiversitätsstrategie der Europäischen Union bis 2030 festgelegt ist.

2023 wurde die Pollinators Initiative überarbeitet und zusammen mit dem "neuen Deal für Bestäuber" vorgestellt. Die Kommission möchte damit etwa Erhaltungspläne für bedrohte Bestäuberarten aufsetzen und ermitteln, welche Insekten die Mitgliedstaaten schützen sollten. Außerdem will sie ein Konzept für ein Netz von ökologischen Korridoren ausarbeiten, also zusammenhängenden Schutzgebieten.

In Agrarlandschaften will die Kommission Lebensräume wiederherstellen, die bestäuberfreundliche Landwirtschaft fördern und die Auswirkungen des Einsatzes von Pestiziden auf Bestäuber verringern. So sind Landwirte etwa verpflichtet, einen bestimmten Teil ihrer Fläche nicht zu bewirtschaften und darauf etwa Blühstreifen anzulegen, die Insekten Rückzugsorte und Nahrung bieten, wenn sie Fördergelder der EU erhalten. Auch in der Stadt sollen Bestäuber bessere Bedingungen vorfinden.

Um die Ziele umzusetzen, hat die EU zudem eine Biodiversitätsplattform und darin eine Arbeitsgruppe zu Bestäubern etabliert. Um die Bürger:innen für das Thema zu gewinnen, bietet die Kommission auch Bildungsmaterialien an, wie etwa das Virtual-Reality-Programm "Pollinator Park". Es zeigt in verschiedenen Sprachen und auf verschiedenen Geräten nutzbar, wie die Welt ohne Bestäuber aussehen würde.

Auf der internationalen Ebene wird der Schutz von Insekten auch im Rahmen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt der Vereinten Nationen vorangetrieben. Im Dezember 2022 wurde in Montréal, Kanada, auf der Weltnaturschutzkonferenz eine neue globale Vereinbarung für biologische Vielfalt verabschiedet, das "Global Biodiversity Framework". Das Abkommen sieht unter anderem vor, mindestens 30 Prozent der Erdoberfläche unter Schutz zu stellen, um die Biodiversität zu erhalten – davon würden auch Insekten profitieren.

Was kann ich selbst tun?

Wer einen eigenen Garten oder Balkon hat, kann Insekten ganz einfach unterstützen: Je mehr nektar- und pollentragende Pflanzen vorhanden sind, die ihnen Unterschlupf und Nahrung bieten, desto wohler fühlen sich die heimischen Insekten. Dazu kann man bestimmte Blumen säen und eine Bienenweide anlegen.

Wenn der Rasen gemäht werden muss, hilft es den wilden Bestäubern, wenn dies nur abschnittsweise getan wird. Dadurch sind immer genügend Blüten für die Bestäuber vorhanden. Sogar Fugen zwischen Pflastersteinen können manchen Wildbienenarten helfen, wenn sie offen bleiben und dort Pflanzen wachsen. Hier können sie sowohl Nistmöglichkeiten finden als auch zusätzlich Nahrung. Auch Dächer können begrünt werden.

Stapel aus altem Holz, das Stehenlassen von Sonnenblumen, Brombeeren und Holunder helfen Wildbienen, Platz für ihre Nester zu finden. Oftmals sind die verwilderten Teile des Gartens die artenreichsten. Zudem kann auf Spritzmittel vollständig verzichtet und so Mensch und Tier geschont werden.

An manchen Orten gibt es Vereine und Verbände, die sich um den Erhalt von Biotopen kümmern, etwa um artenreiche Streuobst- und Wildblumenwiesen. Jede*r kann zudem auch seine Kommune ansprechen: Ungemähte Straßenränder, öffentliche Parks mit wilden Ecken und begrünte Dächer helfen Bestäubern und erhalten wertvolle Lebensräume. Da die industrielle Landwirtschaft Insekten besonders schadet, ist es gut, Lebensmittel zu kaufen, die umweltschonender hergestellt werden – zum Beispiel auf dem Biomarkt.

Weiterführende Links

BMUV: Insekten schützen, Vielfalt bewahren

BMUV: Maßnahmen für mehr Insektenschutz

Bundesamt für Naturschutz: Fakten zum Insektenrückgang

Weltbiodiversitätsrat (IPBES): Summary for policymakers of the thematic assessment on pollinators, pollination and food production

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