12.03.2020 | Hintergrund

Nachhaltiger Tourismus – ökologisch, sozial und Chance für die Wirtschaft vor Ort

Fahrrad mit Reisegepäck
Grundschule, Sekundarstufe

Entspannen und vom Alltag abschalten – das wünschen sich die meisten Deutschen in den Ferien. Für viele gehören Urlaub und Naturerlebnis zusammen. Doch gleichzeitig belastet der Tourismus in vielen Urlaubsregionen die Umwelt. Wie lassen sich die Bedürfnisse von Urlaubern und Einheimischen sowie Umwelt- und Naturschutz vereinbaren?

Schon zu Beginn des Jahres freuen sich die meisten Deutschen auf ihre Urlaubsreisen, das zeigen Umfragen. Sie bevorzugen vor allem sonnige Ziele im Ausland, zum Beispiel am Mittelmeer.

Bei vielen Reisenden ist auch Nachhaltigkeit ein Thema. Bei Befragungen sagt die Mehrheit , dass ihr Urlaub sozial verträglich, ressourcenschonend und umweltfreundlich sein soll. Aber nur sehr wenige Menschen buchen entsprechende Angebote. Auch die CO2-Emissionen, die während der Reise entstehen, kompensieren nur die wenigsten. (Um die Emissionen bei An- und Abreise geht es im Thema der Woche Klimafreundlich reisen. Im vorliegenden Text liegt der Schwerpunkt auf dem Verhalten vor Ort.)

Dabei ist in einigen beliebten Urlaubsregionen offensichtlich, dass der Tourismus vor Ort Schäden anrichten kann. Zum Beispiel in manchen wasserarmen Regionen Spaniens. Dort verschärft der hohe Wasserverbrauch von Hotelgästen und für die touristischen Anlagen wie Wellnessbereiche, Swimmingpools und Gartenanlagen den Wassermangel.

An manchen Orten führt Tourismus auch zu sozialen Spannungen, zum Beispiel in Barcelona und auf Mallorca. Dort tragen die vielen Gäste dazu bei, dass Wohnungen knapp und teurer werden. Auch in den Küstenregionen und auf den Inseln von Nord- und Ostsee tritt dieses Problem auf. Und speziell auf Mallorca gibt es Proteste gegen den sogenannten Sauftourismus.

Manche dieser Regionen bemühen sich bereits darum, derartige Spannungen zu verringern. Sie begrenzen beispielsweise die Bettenkapazitäten von Hotels oder die Zahl von Mietwagen, erlassen Regeln für das Verhalten oder erheben "Übernachtungssteuern" und weitere Gebühren. Die Einnahmen aus solchen Steuern und Gebühren werden an manchen Orten genutzt, um das touristische Angebot umzubauen und die Ressourceneffizienz in der Tourismusbranche zu verbessern. 

Wie der Tourismus ganze Regionen prägt

Tourismus ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Die Deutschen haben allein im Jahr 2019 rund 71 Millionen Urlaubsreisen unternommen. Hinzu kamen 88 Millionen Kurzreisen von zwei bis vier Tagen Länge.

Fast drei Viertel aller Reisen führten ins Ausland, vor allem in Sonnenziele. Die häufigsten Ziele für Auslandsreisen sind Spanien mit einem Anteil von 12,7 Prozent aller Reisen, Italien (8,7 Prozent) und die Türkei (6,3 Prozent). Gleichzeitig ist das beliebteste Reiseziel der Deutschen nach wie vor Deutschland. Die begehrtesten Ziele im Inland sind Mecklenburg-Vorpommern, Bayern, Schleswig-Holstein und Niedersachsen.

Tourismus ist in vielen Regionen prägend, in einigen ist er der wichtigste Wirtschaftsfaktor. An manchen Orten ist dies unübersehbar. Viele bekannte Beispiele finden sich am Mittelmeer – wie die spanische Stadt Benidorm, deren Strand von Hoteltürmen gesäumt ist.

Insbesondere Massentourismus kann vor Ort schwerwiegende Folgen haben. Dies wird unter anderem in vielen Küstengebieten weltweit deutlich. Sie gehören zu den beliebtesten Urlaubszielen. Gleichzeitig finden sich hier wertvolle und oft auch empfindliche Ökosysteme wie Korallenriffe, Dünen, Feuchtgebiete oder Mangroven.

Tourismus ist hier "Fluch und Segen zugleich", so die Umweltschutzorganisation WWF.

Einerseits bringt der Tourismus Arbeitsplätze und Wohlstand. Andererseits gefährden die touristische Infrastruktur, manche Freizeitaktivitäten sowie die Übernutzung von Ressourcen die Ökosysteme vor Ort – und somit auch die Lebensgrundlage der Einheimischen.

Ein Beispiel in den Küstenregionen ist der starke Rückgang mariner Arten, der sich auch auf den Fischfang auswirkt.

Der Aufenthalt der Gäste vor Ort beansprucht verschiedene Ressourcen. Für den Bau von Unterkünften, Straßen, Häfen und anderen Anlagen werden Land und Baumaterial benötigt. Hinzu kommt der Verbrauch von Wasser, Elektrizität, Lebensmitteln oder Reinigungsmitteln. Überdies verursacht Massentourismus hohe Treibhausgasemissionen sowie große Mengen an Müll und Abwasser.

Höherer Komfort für die Gäste bedeutet in der Regel auch höheren Aufwand: zum Beispiel mehr Schwimmbäder oder Golfplätze.[10] Fast die Hälfte der Gäste wohnen am Urlaubsort im Hotel oder Gasthof, weitere 24 Prozent in einer Ferienwohnung oder in einem Ferienhaus. Nur 6 Prozent machen Camping.

Proteste gegen "Overtourism"

An manchen Orten belastet der Tourismus auch die Einheimischen – trotz der Bedeutung als Wirtschaftsfaktor. In den vergangenen Jahren ist unter anderem der Bedarf an Unterkünften zu einem umstrittenen Thema geworden. In bestimmten Regionen und Städten wird kritisiert, dass die Vermietung von privaten Unterkünften über Internetportale wie Airbnb dazu führt, dass Wohnraum für die Einheimischen knapper und teurer wird. Auch größere Städte in Deutschland, zum Beispiel Berlin, Hamburg und München, gehen gegen die Zweckentfremdungen von Wohnungen als dauerhafte, kommerziell genutzte Gästeunterkunft vor.

Ein weltweit bekanntes Beispiel für die Überlastung eines Urlaubsziels durch Tourismus – gelegentlich als "Overtourism" bezeichnet – ist Venedig. Die riesigen Besuchermengen im Zentrum sind kaum noch zu bewältigen. Dort leben kaum noch Einheimische, und es wird kritisiert, dass Venedig zu einem Museum werde.

In Venedig und anderen Küstenstädten sind Kreuzfahrtschiffe ein Teil des Problems. Durch die Schiffe besuchen teilweise mehrere Tausend Gäste gleichzeitig die beliebten Sehenswürdigkeiten. Sie kommen hinzu zu den schon vor Ort weilenden Gästen. Das verstärkt die Belastungen der Bausubstanz und Infrastruktur, doch die Wirtschaft vor Ort profitiert nur wenig von ihnen. Denn ihr Geld geben die Reisenden überwiegend an Bord aus. Zudem verursachen die Schiffe erhebliche Luftverschmutzungen und Lärmemissionen.

An vielen Orten verursachen Touristinnen und Touristen direkte Schäden an der Natur. Zum Beispiel beim Tauchen an Korallenriffen in Thailand und Ägypten. Die sensiblen Ökosysteme werden durch Berühren oder gar das Abbrechen von einzelnen Korallen geschädigt.

Lücke zwischen Anspruch und tatsächlichem Verhalten

Mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland befürwortet umweltfreundlichere und sozial nachhaltigere Urlaubsreisen. Das belegen Umfragen. Doch verhalten sich bisher nur wenige im Urlaub tatsächlich besonders nachhaltig. So achten nur 6 Prozent auf eine Nachhaltigkeitskennzeichnung der Unterkunft oder des Reiseveranstalters.

Allerdings ist an bestimmten Zielen das Verhalten bereits deutlich nachhaltiger.Zum Beispiel wird bei Reisen nach Norwegen, Schweden und Finnland viel häufiger (19 Prozent) eine nachhaltige Unterkunft gewählt als bei anderen Zielen.

Vor Ort werden vor allem diejenigen nachhaltigen Verhaltensweisen umgesetzt, die leichter fallen, die gut zum Urlaub passen oder die auch zuhause selbstverständlich sind. In der Reiseanalyse-Studie der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen gaben die Befragten an, dass sie im eigenen Urlaub folgende Möglichkeiten umgesetzte haben:

Nachhaltiges Verhalten bei Urlaubsreisen 2019

Vor Ort vor allem zu Fuß gehen oder Fahrradfahren 

36%

Auf Müllvermeidung achten

25%

Regionale Produkte & Souvenirs kaufen

24%

Vor Ort Bus und Bahn nutzen

20%

Lokale Kultur und Traditionen kennenlernen

20%

Überfüllte Orte meiden

19%

Nahe gelegenes Reiseziel wählen

17%

Außerhalb der Hauptsaison reisen

16%

Unterkunft mit lokalem Betreiber

16%

Bio-Lebensmittel

11%

Auch in anderen Bereichen des Konsums stimmen die Ansprüche vieler Menschen nicht mit dem tatsächlichen Verhalten überein. Speziell bei Urlaubsreisen gibt es einige Ansätze, die diesen Widerspruch erklären können. So geht es im Urlaub in erster Linie um das Vergnügen bzw. die Menschen möchten den als reglementiert empfundenen Alltag hinter sich lassen. Dies kann auch dazu führen, dass sich die Reisenden eine "Ausnahmegenehmigung" vom nachhaltigen Alltagsverhalten erteilen.

Wie in anderen Bereichen des Konsums wirken auch bei Reisen Kosten-Nutzen-Erwägungen. Hier kann es passieren, dass nachhaltige Angebote teurer erscheinen oder aufwändiger zu finden und umzusetzen sind. In der Regel ist das nachhaltige Angebot jedoch qualitativ besser, was den Preis erklärt, was aber häufig nicht als Qualitätsmerkmal bei den Kost-Nutzen-Erwägungen Berücksichtigung findet. Zudem sind möglicherweise nicht alle Urlaubswünsche nachhaltig umsetzbar.

Welche Lösungsansätze gibt es?

Tourismus muss sich allerdings nicht zwangsläufig negativ auswirken. Im Gegenteil: Er kann auch positive Effekte haben, wenn es gelingt, ihn nachhaltig zu gestalten. Das heißt, dass er im Einklang mit Natur und Landschaft steht und auf nachhaltiges Wirtschaften ausgerichtet ist. Ein nachhaltiger Tourismus bietet damit auch die besten Voraussetzungen, um zur wirtschaftlichen Entwicklung von Urlaubsregionen beizutragen.

Konkret bedeutet das vor allem, dass Naturräume und Ressourcen trotz sportlicher oder touristischer Nutzung schonend behandelt werden.

Viele Urlaubsanbieter und Urlaubsregionen bemühen sich, den nachhaltigen Tourismus zu fördern. In einem bundesweiten Wettbewerb werden regelmäßig herausragende Beispiele ausgezeichnet. Zu den Preisträgern gehört zum Beispiel das Biosphärengebiet Schwäbische Alb. Diese Kulturlandschaft ist geprägt von Streuobstwiesen, Wacholderheiden und Buchenwäldern. Ein Schwerpunkt des Tourismus dort sind Angebote zum Wandern und Radfahren.

Globaler Ethikkodex für Tourismus

Nicht nur auf nationaler, sondern auch auf internationaler Ebene hat sich die Politik dem Ziel des nachhaltigen Tourismus verschrieben. So gibt es die Europäische Charta für nachhaltigen Tourismus in Schutzgebieten. Außerdem haben die Mitgliedstaaten der Welttourismusorganisation der Vereinten Nationen (UNWTO) bereits im Jahr 1999 auf ihrer Generalversammlung einen Globalen Ethikkodex für Tourismus beschlossen.

Der Kodex richtet sich an alle am Tourismus beteiligten Akteure: an die Regierungen, die globale Tourismuswirtschaft und Gastländer sowie die Reisenden selbst.

Seine Schwerpunkte sind, einen Beitrag des Tourismus zum gegenseitigen Verständnis und Respekt zwischen Völkern und Gesellschaften zu fördern, den Tourismus als Faktor für eine nachhaltige Entwicklung zu nutzen sowie den Tourismus und das Kulturerbe der Menschheit und dessen Pflege zu verbinden.

Was kann ich selbst tun?

Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, bei eigenen Reisen auf Nachhaltigkeit zu achten. Dazu gehören die bewusste Wahl des Reiseziels und des Verkehrsmittels sowie das Verhalten vor Ort.  Eine Reihe von Informationsangeboten und spezialisierten Reiseanbietern helfen dabei.

Weil auch An- und Abreise einen erheblichen Teil der Umweltwirkungen ausmachen können, sollte bereits das Verkehrsmittel entsprechend gewählt werden. (Siehe Thema der Woche Klimafreundlich reisen) Sofern möglich, sollten Reisende auf Flüge verzichten. Auf kurzen und mittleren Strecken bietet sich stattdessen die Bahn an. Bei unvermeidbaren Flügen können die CO2-Emissionen kompensiert werden, zum Beispiel bei atmosfair. Das bedeutet: Die Reisenden bezahlen einen Beitrag an ein Klimaschutzprojekt, der ausreicht, um die beim Flug entstehenden Emissionen an anderer Stelle einzusparen.

Eine entscheidende Rolle kann die Wahl des Reiseziels spielen. Internetportale wie Katzensprung oder Naturtrip (für Berlin und Brandenburg) wollen es erleichtern, spannende Reiseziele innerhalb Deutschlands zu finden. Für Deutschland hat die Deutsche Zentrale für Tourismus einen anschaulichen Überblick zusammengestellt.

Und im Urlaub selbst gilt es, sich an grundlegende Verhaltensregeln zu halten. Dazu gehört unter anderem, sich über die Gegebenheiten vor Ort zu informieren und das Verhalten entsprechend anzupassen:

  • Den Lebensbereich von Tieren, Pflanzen und Menschen respektieren,
  • Wildtiere nicht stören, Pflanzen nicht beschädigen,
  • Rücksicht auf Anwohner nehmen,
  • Schutzgebiete, Zugangsregeln und Sperrzeiten beachten,
  • nur markierte Wege, Park- und Lagerplätze nutzen,
  • Müll vermeiden,
  • sparsam mit Energie und Wasser umgehen,
  • öffentliche Verkehrsmittel nutzen.

Weiterführende Links

Umweltbundesamt: Verbrauchertipps Urlaubsreisen
https://www.umweltbundesamt.de/umwelttipps-fuer-den-alltag/garten-freizeit/urlaubsreisen#unsere-tipps

Umweltbundesamt: Nachhaltiger Tourismus
https://www.umweltbundesamt.de/themen/wirtschaft-konsum/nachhaltiger-tourismus#bedeutung-des-tourismus

Bundesamt für Naturschutz: NaturSportInfo
https://natursportinfo.bfn.de/natursport.html

Bundesumweltministerium: Nachhaltiger Tourismus
https://www.bmu.de/themen/wirtschaft-produkte-ressourcen-tourismus/tourismus-sport/nachhaltiger-tourismus/

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