Natürlicher Klima- und Naturschutz: Die Flussaue
Auen sind Lebensraum und Klimaschützer
Vollgelaufene Keller, weggeschwemmte Straßen und zerstörte Häuser – so sieht es häufig aus, wenn Flüsse und Bäche über die Ufer treten. Durch den Klimawandel werden Starkregenereignisse häufiger, und damit steigt das Risiko für Überschwemmungen. Für die Infrastruktur können sie zerstörerisch sein.
Dagegen gibt es Ökosysteme, die Hochwasser regelrecht zum Überleben brauchen: Die Auen. Das sind die Gebiete, die an Flüsse und Bäche angrenzen und die regelmäßig überschwemmt werden, wenn viel Wasser durch das Gewässer fließt. Die Pflanzen- und Tierarten in den Auen haben Lebensgemeinschaften gebildet, die an diese Dynamik – mal nasser, mal trockener – angepasst sind.
Auen können viel Wasser aufnehmen und dessen Abfluss verlangsamen. Darum sind diese Gebiete auch für uns Menschen sehr wichtig, denn auf diese Weise schützen sie vor Hochwasser.
Darüber hinaus sind Auen ein unersetzlicher Lebensraum für die besondere Gemeinschaft von Pflanzen- und Tierarten, die dort lebt. Dabei sind sie gleichzeitig wichtige Klimaschützer, weil die Biomasse und die Böden dieses Ökosystems Kohlenstoff speichern.
Diese Funktion können aber nur ökologisch weitgehend intakte Auen richtig erfüllen. Also Auen, die mit dem Fluss verbunden und nicht bebaut sind oder anderweitig genutzt werden. Doch heute gibt es in Deutschland nicht mehr viele natürliche oder naturnahe Auen.
Weil Auen so wichtig sind, will die Bundesregierung sie besser schützen, etwa mit dem Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz. Das Ziel lautet, diese wertvollen Ökosysteme zu stärken, bewahren und wiederherzustellen.
Menschliche Nutzung bedroht die Ökosysteme
Ursprünglich gab es entlang der deutschen Flüsse und Bäche überall Auengebiete. Davon ist heute nur noch etwa ein Drittel erhalten. Das liegt daran, dass Deiche gebaut und Flüsse und ihre Ufer im dicht besiedelten Deutschland für andere Zwecke genutzt und teilweise stark umgestaltet worden sind. Viele der Auenlandschaften von früher sind heute befestigte Uferwege, Siedlungen, Agrarlandschaften oder Flächen für den Verkehr.
Es gibt nicht nur viel weniger Auengebiete als früher, auch die biologische Vielfalt ist gesunken. Von den übrig gebliebenen Überschwemmungsflächen – sogenannten „rezenten Auen“ – sind nur noch neun Prozent ökologisch intakt. Viele der Arten von Tieren und Pflanzen, die in oder an den Auen leben, sind heute stark gefährdet. An begradigten und befestigten Flüssen finden sie kaum mehr einen Lebensraum. Damit ist die Biodiversität in einem der artenreichsten Lebensräume Mitteleuropas bedroht.
Naturnahe Auen können Kohlendioxid, also das klimaschädliche Treibhausgas CO2, aus der Atmosphäre aufnehmen und als Kohlenstoff einspeichern. Damit tragen sie zum Klimaschutz bei. Wenn die Ökosysteme der Auen aber nicht intakt sind, können sie weniger Kohlenstoff speichern oder gar CO2abgeben. Außerdem können sie Starkregen und Hochwasser nicht mehr so gut abpuffern. Hinzu kommt der hohe biologische Wert, den die Lebensgemeinschaften der Auen an und für sich haben.
Es ist deswegen essenziell wichtig, die Auen zu schützen und zu renaturieren. In deutschen Auen leben zum Beispiel Biber und Fischotter, Frösche und Molche, viele Vogelarten wie seltene Enten, Eisvögel, Uferschwalben, Teichrohrsänger oder Weißstörche, Krebse, Weichtiere und Würmer sowie Libellen und viele andere Insekten, darüber hinaus eine Vielzahl höherer Pflanzen, Farne und Moose. Auch Zugvögel nutzen Feuchtgebiete, um Station zu machen. Viele der Arten, die im Ökosystem Aue leben, sind schon auf den Roten Listen bedrohter Arten und gelten als gefährdet.
Bedeutung: Kleine Erfolge gegen starke Verluste
Der Auenzustandsbericht 2021 gibt einen Überblick über die Ausdehnung und den Zustand der Flussauen in Deutschland und den Verlust von Überschwemmungsflächen. Der Bericht betrachtet dabei Gebiete mit einer Gesamtfläche von 16.185 Quadratkilometern. Das sind 4,5 Prozent der Fläche Deutschlands.
Die Ergebnisse des Auenzustandsberichts zeigen, dass zwei Drittel der Altauen durch Deichbau nicht mehr in der Lage sind, Hochwasser zurückzuhalten. Der Auenzustandsbericht liefert auch Karten, die zeigen, dass vor allem im Westen, Osten und Süden Deutschlands Überschwemmungsflächen verloren gegangen sind.
Nur noch ein Drittel der Überschwemmungsflächen wird weiterhin überflutet. Das sind die sogenannten „rezenten Auen“. Doch der Auenzustandsbericht liefert auch eine Karte, die zeigt, wie sich der Zustand dieser rezenten Auen entlang der Flüsse verändert hat – besonders an der Weser im Norden Deutschlands, am Main in der Mitte und an der Donau im Süden. Insgesamt ist der Großteil der Flussauen deutlich, stark oder sehr stark verändert.
Der Grund für diese Veränderungen ist, dass wir Menschen diese Gebiete seit Jahrhunderten nutzbar gemacht haben, etwa als Grünland, Äcker, Siedlungen, für Verkehr, Gewerbe oder als forstwirtschaftlich genutzten Wald. An Flüssen liegen viele unserer Siedlungen und Ballungsräume, und auf den Flüssen transportieren wir viel Fracht. All das erzeugt eine ganze Anzahl von Stressfaktoren für die Ökosysteme, die sich gleichzeitig auf die Auen-Biodiversität auswirken – wie genau, erforscht die Wissenschaft noch.
Kleine Erfolge gibt es schon: Es gibt schon einige Hundert Projekte zu Deichrückbau und zu Renaturierung, um den Auen wieder mehr Raum zu geben. Trotzdem werden die Ziele der Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt deutlich verfehlt: Darin ist als Ziel festgelegt, die typische Vielfalt der Gewässer- und Auenlebensräume zu sichern und natürliche Überflutungsflächen an Flüssen um zehn Prozent zu vergrößern.
Konkret: Interessenskonflikte – Naturschutz versus Nutzung?
In den vergangenen Jahrhunderten haben wir Menschen die Auengebiete immer stärker verändert.
An Flüssen liegen auch viele große Städte und Ballungsräume, in denen Wohnraum gebraucht wird – der auch nah am Fluss sicher vor Überschwemmungen sein soll. Das sind nur einige der Gründe dafür, wieso Auen nach und nach abgedeicht, überbaut oder umgestaltet wurden.
Die menschliche Nutzung der Flüsse und Flussauen hat also gute Gründe, steht aber teilweise im Konflikt mit dem Natur- und Klimaschutz. Das führt wiederum zu Risiken für uns Menschen. Denn Flussauen leisten viel, und wenn wir sie nicht besser schützen, verlieren wir diese Vorteile.
Intakte Gewässer sowie ihre Auen sind Zentren biologischer Vielfalt. Sie sind Lebensraum und Rückzugsgebiete für eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt, Filter für das Oberflächenwasser, sie halten Wasser in der Landschaft, beugen Dürren vor, sind Rückhalteräume für vorbeugenden Hochwasserschutz und sie speichern CO2 (Auenwälder). Nur wenn die Ökosysteme intakt sind, können Auen diese Funktionen auch wirklich erfüllen.
Die Herausforderung für Politik und Gesellschaft liegt daher darin, die Interessenskonflikte zwischen Naturschutz und Nutzung zu moderieren und möglichst so zu lösen, dass die Flussauen wieder ihre Funktion für Klima-, Arten- und Hochwasserschutz stärker entfalten können.
Lösungen: Unsere Flussauen renaturieren
Die Lösung liegt darin, die Flussauen zu renaturieren. Das kann zum Beispiel erreicht werden, indem Deiche und andere Bauwerke am Ufer und Fluss zurückgebaut oder Altarme des Flusses wieder an den Hauptstrom angebunden werden. Deutschland hat mit solchen Maßnahmen 2009 begonnen. Durch Rückbau, Rückverlegung und Schlitzung von Deichen konnten bereits 1,5 Prozent der überflutbaren Auenflächen zurückgewonnen werden.
Um die Ökosysteme an die Überschwemmungsflächen zurückzubringen und den Auen ihr Klimaschutzpotenzial zurückzugeben, können Flusslandschaften renaturiert und wertvolle Auwälder aufgebaut werden, die Kohlenstoff speichern und damit dem Klimaschutz helfen. Statt intensiver Nutzung der Fläche kann man auf extensive Nutzungsformen umsteigen. Das heißt, die Flächen weniger intensiv zu nutzen und zum Beispiel Ackerland in Grünland umzuwandeln.
Der Auenzustandsbericht zeigt, dass sich die Investitionen zur Renaturierung der Flussauen in Deutschland lohnen und zur biologischen Vielfalt beitragen. An einigen Flüssen gibt es regional schon messbare Verbesserungen. Damit ist das Potenzial für den Auenschutz aber nur zu kleinem Teil ausgeschöpft. An zwei Dritteln der Flussufer in Deutschland ist das Potenzial, die Ufer naturnah zu gestalten, hoch oder sogar sehr hoch. Bundesweit ließen sich mehrere Zehntausend Hektar Auenflächen wieder an ihre Gewässer anbinden. Die größten Potenziale zur Auenentwicklung bestehen in gering besiedelten Gebieten, etwa an den Flüssen Elbe, Havel und Oder sowie den Zuflüssen zur Donau aus den Alpen.
Um zu entscheiden, wo das geschieht, heißt es, gut abwägen: Wo ist die Nutzung für die Menschen besonders wichtig, und wie genau kann sie dort aussehen? Wo hat der Naturschutz, wo hat der Hochwasserschutz Vorrang? Für nachhaltige Lösungen muss gut zwischen den verschiedenen Interessen wie Wirtschaft, Naturschutz und Freizeitnutzung abgewogen und vermittelt werden.
Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMVI) hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) für die ökologische Entwicklung der Bundeswasserstraßen und ihrer Auen das Bundesprogramm "Blaues Band Deutschland" initiiert, das 2017 von der Bundesregierung angenommen wurde. In den nächsten Jahrzehnten sollen verschiedene Projekte umgesetzt werden. Für Verbände, Vereine, Landkreise und Kommunen gibt es seit 2019 das Förderprogramm Auen des BMUV und Bundesamtes für Naturschutz (BfN) im Rahmen des Bundesprogramms, dass die Renaturierung der Auen voran bringen will.
Auen erkunden und schützen
Renaturierung ist eine aufwendige Sache, die nur große Institutionen und Organisationen leisten können und die viel Fachkenntnis und Zeit braucht. Trotzdem kann jede*r auch selbst etwas für die Auen tun. Ein erster Schritt kann sein, herauszufinden, wo es früher einmal Auen in der eigenen Umgebung gab und wie sie jetzt genutzt werden. Wofür wird diese Fläche eingesetzt, und gibt es schonendere Alternativen?
Um die Ökosysteme der Auen schätzen zu lernen, lohnt ein Besuch in einer noch erhaltenen naturnahen Aue. Welche Lebewesen leben dort, wie sind sie in Ökosystemen miteinander verbunden – und wieso ist das so wertvoll? Dadurch lässt sich noch anschaulicher verstehen, welche wichtige Rolle Auen spielen.
Wer schon informiert ist, kann das Wissen mit anderen teilen – denn über Auen wissen viele Menschen kaum Bescheid. Und wer noch einen Schritt weitergehen möchte, kann sich politisch für die Renaturierung und Erhaltung der Auen einsetzen, etwa in einer Naturschutzorganisation oder mit einem Brief an den oder die Abgeordnete*n des eigenen Wahlkreises, in dem man sich für die Einhaltung der Ziele zum Auenschutz starkmacht. Und auch ganz praktisch kann man vor Ort etwas tun und sich lokalen Naturschutzgruppen anschließen und bei Naturschutz- und Pflegeaktionen beteiligen.
Weiterführende Links
Bundesamt für Naturschutz: Gewässer und Auen
Bundesamt für Naturschutz: Auenzustand
Bundesamt für Naturschutz: Verlust von Überschwemmungsflächen (Karte)
Bundesamt für Naturschutz: Zustand der rezenten Flussauen (Karte)
Bundesumweltministerium: Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz
Kompetenzzentrum Natürlicher Klimaschutz: Naturnahe Flüsse, Seen und Auen
Material herunterladen
- Warum natürliche Flusslandschaften wichtig sind (Variante für Fortgeschrittene) - GS (PDF - 130 KB)
- Warum natürliche Flusslandschaften wichtig sind (Basisvariante) - GS (PDF - 130 KB)
- Mensch, Natur und Klimaschutz: Leben am Fluss (Variante für Fortgeschrittene) - SK (PDF - 111 KB)
- Mensch, Natur und Klimaschutz: Leben am Fluss (Basisvariante) - SK (PDF - 111 KB)