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30.01.2020 | Hintergrund

Bioökonomie – Wirtschaften mit biobasierten Rohstoffen

Grundschule, Sekundarstufe

Biodiesel aus Heu, Plastik fressende Maden, Burger aus Insekten, Geschirr aus Bambus statt aus Plastik: Immer wieder gibt es Meldungen über Ideen, wissenschaftliche Durchbrüche oder neue Produkte aus dem Bereich der Bioökonomie, die einen nachhaltigen Konsum versprechen. Gemeinsam ist diesen Entwicklungen, dass sie nachwachsende Ressourcen für die Wirtschaft nutzen – neben Pflanzen und Tieren auch Mikroorganismen – und dadurch geeignet sind, fossile Ressourcen zu ersetzen. Dieses Konzept wird unter dem Begriff Bioökonomie zusammengefasst. Die Bioökonomie umfasst neben der Produktion von Biomasse in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Meer auch die Biotechnologie, die Weiterverarbeitung der Biomasse zu Produkten, ihren Vertrieb, den Konsum und die Abfallverwertung.

Mit diesen Entwicklungen werden häufig große Vorteile verbunden. Viele versprechen Fortschritte auf dem Weg hin zu einer nachhaltigen Entwicklung und zu mehr Klimaschutz. Allerdings ist das Konzept nicht unumstritten und kritische Stimmen zu den Aus- und Nebenwirkungen einer Bioökonomie mehren sich.

Schon jetzt werden die ökologischen Grenzen des Planeten durch Konsum sowie durch eine nicht nachhaltige Land- und Forstwirtschaft teilweise überschritten. Kritische Stimmen weisen darauf hin, dass die Bioökonomie zu einem steigenden Bedarf an Biomasse führt. Dies könne der Biodiversität noch weiter schaden und die Verteilungsungleichheit zwischen den Industrieländern und dem globalen Süden verstärken.

Darüber hinaus weist unter anderem der Naturschutzbund Deutschland (NABU) in einer Stellungnahme hin, dass technologische Innovationen allein nicht zu einer nachhaltigen Entwicklung führen werden. Es reiche nicht aus, fossile Rohstoffe durch biologische zu ersetzen.

Wegen des großen Potenzials biologischer Ressourcen für eine nachhaltige Entwicklung ist Bioökonomie das Thema des Wissenschaftsjahrs 2020, einer Initiative des Bundesforschungsministeriums (BMBF). Im Wissenschaftsjahr geht es unter anderem darum, welche Ziele Bioökonomie verfolgt und welche Rolle die Gesellschaft beim Wandel zu einer nachhaltigen, biobasierten Wirtschaftsform spielt.

Warum ist ein Wandel der Wirtschaft nötig?

Das Konzept einer nachhaltigen Bioökonomie ist mit der Einsicht verknüpft, dass die Menschheit die Ressourcen der Erde übernutzt – das bedeutet: in einem Maße, das auf die Dauer schädlich ist. Und unsere bisherige Wirtschaftsweise ist auf endliche Ressourcen angewiesen.

Erkenntnisse des Weltklimarates und des Weltbiodiversitätsrates von 2019 machen deutlich, dass die Fortsetzung, Ausweitung und Beschleunigung der derzeitigen Produktion und Verwertung von Rohstoffen vor dem Hintergrund der wachsenden Weltbevölkerung zu weiteren Umweltschäden, zu Biodiversitätsverlusten und zur Erhöhung der Treibhausgasemissionen führen werden.

Dazu gehört zum Beispiel, dass fossile Rohstoffe wie Kohle und Erdöl heute noch eine zentrale Rolle für unsere Energieversorgung spielen. Auch viele Alltagsprodukte basieren auf Erdöl, insbesondere Kunststoffe.

Die Nutzung von fossilen Rohstoffen wie Kohle, Erdöl und Erdgas bringt jedoch große Belastungen für Umwelt und Klima mit sich. Die größte damit verbundene Herausforderung ist, dass bei der Verbrennung von fossilen Rohstoffen Treibhausgase freigesetzt werden – die Hauptursache für den Klimawandel.

Die deutsche Bundesregierung hat sich für ihre Klimapolitik zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 die Emissionen von Treibhausgasen um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu senken. Bis zum Jahr 2050 wird eine weitestgehend treibhausgas-neutrale Gesellschaft und Wirtschaftsweise angestrebt. Bis dahin müssen demnach fossile Rohstoffe durch andere Ressourcen ersetzt werden.

Auch das Wachsen der Weltbevölkerung stellt eine Herausforderung dar. Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass die Zahl der Menschen auf der Erde innerhalb der kommenden 30 Jahre um zwei Milliarden steigen wird. Heute leben rund 7,7 Milliarden Menschen auf der Erde. Das führt zu einem steigenden Bedarf an Lebensmitteln, Energie und Infrastruktur sowie einer wachsenden Nachfrage nach Konsumgütern. Wie dies befriedigt werden kann, ohne einen Raubbau an der Natur zu betreiben, ist eine schwierige Frage.

Um die Lebensgrundlagen auf der Erde zu erhalten und zu schützen, haben sich die Vereinten Nationen auf eine Agenda für nachhaltige Entwicklung geeinigt. Ziel ist eine weltweite Transformation – ein umfassender Wandel – hin zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise.

Eine nachhaltige Bioökonomie könnte einen Beitrag dazu leisten.

Was versteht man unter Bioökonomie?

Mit dem Begriff Bioökonomie wird die Nutzung von biologischen Ressourcen wie Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen für wirtschaftliche Zwecke bezeichnet. Zur Bioökonomie zählen alle Bereiche von Industrie und Wirtschaft, in denen erneuerbare biologische Ressourcen genutzt werden, um Produkte herzustellen oder Dienstleistungen bereitzustellen.

Dabei werden wissenschaftliche Erkenntnisse über die Lebewesen und biologischen Prozesse auf der Erde mit Technologie verknüpft. Auf diese Weise können neue Produkte entstehen, die auf Biologie basieren.

Das heißt zum einen, dass Bioökonomie ein spezieller Wirtschaftszweig ist, welcher auf nachwachsenden Rohstoffen beruht. Er wird ausdrücklich abgegrenzt vom Wirtschaften mit fossilen Ressourcen.

Zum anderen ist eine nachhaltige Bioökonomie ein normatives Konzept: Ziel ist eine nachhaltige Wirtschaftsweise, bei der Rohstoffe in geschlossenen Stoffkreisläufen genutzt werden. So verwendet auch die Bundesregierung den Begriff in der Nationalen Bioökonomiestrategie, die im Januar 2020 vorgestellt wurde.

Es gibt schon heute viele alltagsnahe Produkte, die der Bioökonomie zugerechnet werden können. Bereits Jahrtausende nutzen die Menschen Holz als Baumaterial. Modernere Beispiele sind Autoreifen oder Radiergummis aus Kautschuk.

Ein weiteres Beispiel ist Waschmittel. Waschen war früher mit viel Kraft- und Zeitaufwand verbunden. Heute enthalten die meisten Waschmittel Enzyme. Sie bewirken, dass organische Verschmutzungen abgebaut werden. Sie wirken bereits bei niedrigen Wassertemperaturen, dies spart zusätzlich Energie.

Warum ist eine nachhaltige Bioökonomie wichtig?

Die Bioökonomie gilt vor allem deshalb als wichtig, weil sie endliche fossile Ressourcen durch nachwachsende Rohstoffe ersetzt. Zudem wird erwartet, dass sich aus der Erforschung und Nutzung biologischer Prozesse zahlreiche Innovationen ergeben, die wirtschaftlich nutzbar sind. Sie könnten wirtschaftliches Wachstum ermöglichen, während gleichzeitig Umwelt und Klima geschont werden. In diesem Zusammenhang wird oft auch von der Entkoppelung der wirtschaftlichen Entwicklung vom Verbrauch endlicher Ressourcen wie Kohle und Öl gesprochen.

Viele Entwicklungen zielen darauf, erdöl-basierte Kunststoffe zu ersetzen. So wird in der Autoindustrie an Karosserieteilen geforscht, die mit Naturfasern verstärkt sind. Weitere Ideen sind Innenverkleidungen aus Biokunststoff oder Autoreifen, die auf Löwenzahn basieren.

Doch es ist weit mehr möglich, als fossile Rohstoffe zu ersetzen. Es entstehen auch neuartige Produkte wie neue Verbundwerkstoffe oder Nutzpflanzen, die gleichzeitig widerstandsfähig sind und einen hohen Ertrag bringen.

Welche Rolle spielt Wissenschaft in der Bioökonomie?

Im Mittelpunkt der Bioökonomie steht, dass Biomasse als nachwachsender Rohstoff genutzt wird. Das können Pflanzen, Mikroorganismen, Algen, Pilze oder biologische Rest- und Abfallstoffe sein.

Es geht aber auch um sogenannte biobasierte Produktionssysteme. Zum Beispiel können Mikroorganismen wie Bakterien Inhaltstoffe für die Industrie liefern. Auch Bestandteile von Organismen wie Enzyme können neue Rohstoffe oder Produkte liefern.

Die Wissenschaft spielt bei der Bioökonomie eine zentrale Rolle. Sie führt Erkenntnisse aus der Erforschung von Lebewesen und natürlichen Prozessen sowie neueste Technologien zusammen.

Die Bioökonomie berührt zahlreiche Wirtschafts- und Gesellschaftsbereiche, sowohl Forschungs-, Industrie- und Energiepolitik als auch Agrar-, Forst- und Fischereipolitik, Klima- und Umweltpolitik sowie Entwicklungspolitik.

Welche Risiken müssen beachtet werden?

Die Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen, dass eine Übernutzung der biogenen Ressourcen zu irreparablen Schäden führen kann. Beispiele sind die intensive Landwirtschaft, die zu einer hohen Nitratbelastung des Grundwassers in Deutschland geführt hat. Zudem ist der Rückgang der Artenvielfalt unter anderem auf die intensive Land- und Forstwirtschaft zurückzuführen.

Zu ökologischen Problemen hat auch die Erzeugung von Kraftstoffen oder Energie aus nachwachsenden Rohstoffen wie Palmöl, Soja oder Mais geführt. Dazu gehört, dass enorme Flächen für den Anbau von Mais genutzt und Regenwälder gerodet werden.

Weil biogene Ressourcen Anbauflächen benötigen, ist zu erwarten, dass die Nutzung von Biomasse für unseren Konsum zu einem noch größeren Flächenbedarf führen wird. Flächen stehen jedoch nur begrenzt zur Verfügung. Wenn zum Beispiel Flächen für biogene Rohstoffe für die Industrie in Anspruch genommen werden, steht dies in Konkurrenz zur Ernährungssicherung und zum Schutz von Natur und der Artenvielfalt. Und wenn Wälder gerodet werden, um die Flächen landwirtschaftlich zu nutzen, geht dies auch zu Lasten des Klimaschutzes.

Die Bioökonomie könnte durch einen hohen Flächenbedarf zu einer Verschärfung bestehender Probleme führen oder neuartige Probleme verursachen.

Wie kann eine nachhaltige Bioökonomie gelingen?

Fossile Rohstoffe durch biobasierte Rohstoffe zu ersetzen, kann nur ein Schritt in Richtung Nachhaltigkeit sein.

Die Entwicklung der Bioökonomie kann dann nachhaltig sein und einen Mehrwert bieten, wenn die begrenzte Verfügbarkeit von Biomasse berücksichtigt wird. Sie muss unter Berücksichtigung ökologischer und ethischer Kriterien produziert und effizient eingesetzt werden.

Die Fruchtbarkeit der Böden und die Artenvielfalt müssen erhalten werden, und die Umwelt einschließlich der Gewässer darf nicht belastet werden. Wenn Konkurrenzen um die Nutzung von Flächen entstehen, hat der Anbau von Lebensmitteln zur Sicherung der Ernährung allein aus ethischen Gründen Vorrang.

Um wirtschaftliche Entwicklung und Ressourcenverbrauch zu entkoppeln, müssen alle Ressourcen effizient und nachhaltig genutzt werden – auch biogene Ressourcen. Die Energie- und Stoffströme müssen im Sinne einer Kreislaufwirtschaft weitestgehend geschlossen werden. Eine nachhaltige Bioökonomie umfasst daher die sogenannte Kaskadennutzung von Ressourcen und die Schließung von ökologischen Kreisläufen. Das heißt, dass Produkte nach ihrer Nutzung wiederverwertet werden. Ein Gegenstand aus Biokunststoff zum Beispiel könnte zunächst recycelt werden, um erneut Kunststoffprodukte herzustellen. Wenn die Qualität des Rohstoffs nach mehrfachem Recycling abnimmt, könnten daraus andere Produkte entstehen wie Verpackungsmaterialien. Schließlich könnte das Material kompostiert werden. Auch das Verbrennen zur Energiegewinnung ist denkbar.

Außerdem gibt es eine weitere wichtige Bedingung für eine nachhaltige Bioökonomie. Der Ressourcenverbrauch in allen Bereichen der Wirtschaft muss deutlich verringert werden, damit der Bedarf an biologischen Rohstoffen nachhaltig gedeckt werden kann − ohne die Artenvielfalt zu verringern und das Weltklima weiter zu schädigen:

  • Ein entscheidender Ansatz zur Senkung des Ressourcenverbrauchs sind Änderungen des Konsumverhaltens. So würde zum Beispiel ein sinkender Fleischkonsum dazu führen, dass weniger Biomasse als Futter gebraucht wird.
  • Darüber hinaus können die Kaskadennutzung und die Kreislaufwirtschaft einen wichtigen Beitrag zur Senkung des Flächenbedarfs leisten.
  • Die Ressourceneffizienz muss sich bei der Herstellung der Produkte erhöhen.
  • Ein weiterer Lösungsansatz ist, auf bereits bestehenden Flächen den Ertrag möglichst zu steigern.

Wie die Politik die Bioökonomie fördert

Sowohl international als auch in Deutschland gibt es zahlreiche Initiativen zur Förderung der Bioökonomie. Eine Vielzahl von Staaten hat Bioökonomie-Strategien verabschiedet. (Eine interaktive Weltkarte bietet die Internetseite www.biooekonomie.de)

Die Europäische Union verfolgt eine Bioökonomiestrategie, und das Bundeskabinett hat im Januar 2020 die Nationale Bioökonomiestrategie für Deutschland verabschiedet. Ziel der nationalen Bioökonomiestrategie ist, im Rahmen der nachhaltigen Entwicklung bioökonomische Lösungen zu entwickeln und die Ressourcenbasis der Wirtschaft nachhaltig auszurichten. Dabei soll die Gesellschaft eingebunden werden.

Das Bundesumweltministerium führt 2020 einen Bürgerdialog zur Bioökonomie durch. Die Internetseite wird voraussichtlich im April freigeschaltet.

Welche Rolle spielt die Bioökonomie für Konsumentinnen und Konsumenten?

Indem die Bioökonomie biobasierte Alternativen zu Produkten auf Erdölbasis liefert, bietet sie grundsätzlich die Möglichkeit für nachhaltigeren Konsum. Verfügbar oder in der Entwicklung sind Produkte für alle Bereiche des Lebens, zum Beispiel:

  • Kleidung, Sportgeräte, Taschen, Schuhe oder Kinderspielzeug aus biobasierten Materialien wie Ananasleder oder Spinnenseide,
  • Nahrung wie Chips aus Insektenmehl, Wurst aus Algen,
  • Möbel aus Hanf.

Bisher werden nachhaltige bioökonomische Produkte jedoch nicht einheitlich zertifiziert und gekennzeichnet. Konsumentinnen und Konsumenten können sich jedoch bemühen, sich mit dem jeweiligen Produkt und dem eigenen Konsumverhalten auseinanderzusetzen, um den möglichen Beitrag für mehr Nachhaltigkeit einzuschätzen.

Weiterführende Links

Bioökonomie.de – Die Informationsplattform
https://biooekonomie.de  

Wissenschaftsjahr 2020: Bioökonomie
https://www.wissenschaftsjahr.de/2020/  

Aktionsforum Bioökonomie – deutschen Umwelt- und Entwicklungsorganisationen für eine ökologische und sozial gerechte Bioökonomie
https://denkhausbremen.de/themen/biooekonomie/  

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