Veröffentlicht auf Umwelt im Unterricht: Materialien und Service für Lehrkräfte – BMUV-Bildungsservice (http://www.umwelt-im-unterricht.de)

24.02.2022 | Hintergrund

Berufe in der nachhaltigen Wirtschaft: "Grüne" Kompetenzen

Grundschule, Sekundarstufe

Die Wirtschaft wandelt sich und wird "grüner". Das betrifft nicht nur Branchen wie erneuerbare Energien oder Elektromobilität. In nahezu allen Branchen gibt es Potenziale, nachhaltig im Berufsalltag zu handeln. Fachleute sprechen auch vom "Greening". Wie sehen diese Veränderungen aus? Und wie verändern sich damit Ausbildung und Studium?

"Grünes" Handeln: Nicht nur privat, sondern auch professionell

Der Schutz des Klimas, der Ressourcen und der Natur rücken mehr und mehr ins Bewusstsein der Gesellschaft. Im Zuge der Fridays-for-Future-Proteste engagieren sich viele junge Menschen verstärkt für Klimaschutz und gegen das Artensterben. Aber wie können sie nicht nur privat, sondern auch professionell als Berufsanfänger*innen ihre Anliegen voranbringen? 

Für die Studie "The Greening of Jobs" aus dem Jahr 2019 haben Wissenschaftler*innen der Universität Bamberg über 4.000 Berufsbeschreibungen unter die Lupe genommen. Dabei ergab ihr Vergleich für die Jahre 2012 und 2016, dass die Anzahl der Berufe, in denen zumindest teilweise "grüne" Kompetenzen gefordert sind, über die Jahre stärker stieg als die Berufe, in denen keine entsprechenden Fähigkeiten erforderlich sind. Besonders gefragt waren Nachhaltigkeitskompetenzen im Mobilitätsbereich und im Tourismus. Den stärksten Zuwachs gab es im Bereich der Gebäudetechnik und Altbausanierung. 

Klima- und Umweltschutz-Aspekte sind mittlerweile Teil oder Ziel nahezu aller modernen Berufe: Zum einen gibt es mehr Berufe in "grünen" Branchen wie den erneuerbaren Energien oder der ökologischen Land- und Forstwirtschaft, zum anderen werden diese Aspekte auch in anderen Branchen stärker integriert. 

In der Informations- und Kommunikationsindustrie beispielsweise können Rechenprozesse und Datenübermittlungen zeit- und energiesparender gestaltet werden. In der Bau- und Immobilienbranche spielen die Verwendung nachhaltiger Baustoffe wie auch eine energieeffiziente und klimaneutrale Gebäudetechnik eine große Rolle. Für Banken und Versicherungen wird die Beurteilung entscheidender, welche Investments ökologisch nachhaltig sind. In der Fertigungsindustrie werden Aspekte der Kreislaufwirtschaft wie Ressourcen- und Energieeffizienz zunehmend wichtig. 

Viele Unternehmen aus verschiedenen Arbeitsbereichen haben ökologische Arbeitsstandards definiert und kümmern sich um betrieblichen Umweltschutz. Wenn ein Unternehmen Fragen der ökologischen Nachhaltigkeit in seinen Geschäftsprozessen berücksichtigt, ist dies beispielsweise daran zu erkennen, dass es eine Stelle für Klimaschutzmanagement einrichtet, Mitarbeitende entsprechend fortbildet oder Umweltberatung für Kundinnen und Kunden anbietet. 

Auch in der Ausbildung vieler Berufsgruppen werden Klima- und Umweltschutz-Aspekte immer wichtiger. Grundsätzlich können alle im Berufsalltag etwas dazu beitragen, Umwelt und Klima zu schützen, beispielsweise in den Bereichen Energieeffizienz, Abfallvermeidung oder Verwertung beziehungsweise werterhaltende Wiederaufarbeitung von bereits gebrauchten Produkten. Entsprechend kann an jedem Arbeitsplatz nachhaltig gehandelt werden. Um erkennen zu können, wie und wo Veränderungen am besten wirken, sind sogenannte "grüne Kompetenzen" notwendig.

Warum ist nachhaltiges Handeln in allen Lebensbereichen notwendig? 

Die derzeitige Wirtschaftsweise beeinträchtigt unseren Wohlstand. Die ökologischen Grenzen für die Tragfähigkeit des Planeten sind in einigen Bereichen bereits überschritten. Dabei gefährdet jede Überschreitung die Lebensgrundlagen der Menschheit.

Ressourcen, die für die Produktion von Gütern nötig sind, werden knapp. Beispielsweise schreitet die Entwaldung für die Produktion von Holz voran, die Meere werden überfischt und wichtige naturnahe Flächen für die landwirtschaftliche Produktion umgewandelt oder für Siedlungsgebiete zerstört. Das zerstört nicht nur wichtige CO2-Senken und treibt die globale Erwärmung weiter voran, sondern beeinträchtigt die gesamte Biosphäre.

Die ökologischen Grenzen müssen eingehalten werden, damit alle Menschen einschließlich der nachfolgenden Generationen die Chance haben, ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Daher ist eine grundlegend nachhaltige Wirtschaftsweise notwendig. Als nachhaltig gilt eine Entwicklung, die dauerhaft ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig ist. 

Nachhaltiges Handeln betrifft nicht nur die Wirtschaft, sondern alle Bereiche des Lebens, weshalb eine gesamtgesellschaftliche Transformation notwendig ist. Damit dieser große Wandel gelingt, müssen alle in ihren Lebens- und Arbeitsbereichen entsprechend entscheiden und handeln können. Es genügt nicht, nur in den als "grün" geltenden Branchen aktiv zu werden. 

Mehr Informationen zu den Formen der planetaren Belastung und der Bedeutung der Transformation im Thema der Woche: Der große Wandel: Wie kriegen wir die Kurve? 

Gefährdete Lebensgrundlagen

Es gibt verschiedene Wechselwirkungen zwischen Arbeitswelt sowie Umwelt und Klima. Die Art des Wirtschaftens wirkt sich auf vielfältige Weise auf die Umwelt aus. Je nach Region und Branche macht sich außerdem der Klimawandel unterschiedlich bemerkbar. Laut dem Weltklimarat sind Energie- und Wasserversorgung, Lebensmittel- und Landwirtschaft sowie Tourismus und Verkehr vom Klimawandel am stärksten betroffen.

Einige Wirtschaftssektoren tragen mit ihrem Energie- und Ressourcenverbrauch erheblich zum Klimawandel und zur Umweltverschmutzung bei. Zu den besonders energieintensiven Industrien zählt der Chemiesektor, der mit 28,7 Prozent als größter Energieverbraucher in Deutschland an Platz eins steht, gefolgt von der Metallproduktion auf Platz zwei. In den letzten Jahren ist jedoch der Energieverbrauch in der Industrie insgesamt gesunken. 

Umweltbelastungen aus Industrie- und Gewerbeanlagen entstehen überwiegend durch die Freisetzung schädlicher Substanzen sowie durch Lärm und Erschütterungen. Schadstoffemissionen in die Luft stammen beispielsweise aus industriellen Anlagen, dem Verbrennen von Holz sowie aus Autoabgasen. 

Auch das Abfallaufkommen wirkt sich auf die Umwelt aus. Insgesamt entstand im Jahr 2019 in Deutschland ein Brutto-Abfallaufkommen von 417 Millionen Tonnen. Die Abfälle entstehen etwa bei Herstellungsprozessen und aus Produkten nach ihrem Gebrauch oder Verbrauch, im Bergbau bei der Rohstoffgewinnung, bei Bau- und Abbrucharbeiten und in Siedlungen.

Der Ausbau der Kreislaufwirtschaft sowie die zunehmende Entkopplung des Abfallaufkommens von der Wirtschaftsleistung ist für den Umweltschutz entscheidend. 

Die Arbeitswelt muss sich an neue Rahmenbedingungen wie extreme Wettersituationen und Naturkatastrophen, aber auch wachsende Ressourcenknappheit anpassen. Im Bereich von Klimaschutz und Umweltschutz entstehen zahlreiche neue Arbeitsplätze, wie auch im Rahmen eines nachhaltigeren Wirtschaftens im Sinne der Kreislaufwirtschaft.

"Grüne" Arbeitsplätze für alle

Ein Umdenken ist notwendig, um die Umweltauswirkungen des jetzigen Wirtschaftens zu reduzieren. Dazu zählt auch das sogenannte "Greening" von Berufen. Bei vielen Berufen ist der Zusammenhang mit dem Umweltschutz bereits anhand der Berufsbezeichnung erkennbar. Hierzu zählen zum Beispiel der Energieberater/die Energieberaterin, der Umweltgutachter/die Umweltgutachterin oder auch der Techniker/die Technikerin für Umweltschutztechnik. Diese Berufe werden auch als "grüne Berufe" bezeichnet. Mehr Informationen im Thema der Woche Schulen checken "grüne"Jobs.

In einer weiten Definition werden "grüne" Berufe als solche Berufe verstanden, in denen die dort Tätigen einen erheblichen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten. Es gibt jedoch keine einheitliche Definition, was einen "grünen Arbeitsplatz" ausmacht und wie er sich von einem herkömmlichen Arbeitsplatz unterscheidet. 

Wenn der Nachhaltigkeitseffekt eines einzelnen Jobs als Maßstab angelegt wird, finden sich in der Praxis viele weitere "grüne" Berufe. Unter Umständen werden dann auch Berufe "grün", die auf den ersten Blick keinen Bezug zu Umweltthemen haben. Das ist offensichtlich dann der Fall, wenn sich Mechatroniker*innen mit alternativen Antrieben von Fahrzeugen beschäftigen, wenn sich Maler*innen um die richtige Wärmedämmung kümmern oder Energie- und Gebäudetechniker*innen Klima- oder Photovoltaikanlagen installieren.

Vor diesem Hintergrund gewinnt die Notwendigkeit eines "Greenings" an Bedeutung. Darunter wird die ökologisch ausgerichtete Umgestaltung von Arbeitsplätzen allgemein verstanden, unabhängig davon, ob sie einer traditionellen Umweltbranche zuzurechnen sind.

Die Transformation hin zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise bezieht alle Arbeitsplätze mit ein. Sie führt dazu, dass neue Arbeitsplätze entstehen, andere wegfallen oder umgestaltet werden. Ebenso verändern sich Arbeitsinhalte sowie die Qualität der Arbeit und damit verbunden die entsprechenden Qualifikationsprofile. Eine "grüne" Wirtschaft erfordert demnach "green skills", also "grüne Kompetenzen". 

Voraussetzung für das "Greening" von Jobs ist demnach, dass die entsprechenden "grünen Kompetenzen" umfassend in Qualifizierung und Weiterbildung berücksichtig werden. Hierzu zählen unter anderem: 

  • Umweltbewusstsein: Dazu gehören unter anderem das Bewusstsein sowie die Bereitschaft, sich mit nachhaltiger Entwicklung auseinanderzusetzen. Dabei geht es beispielsweise darum, technische und wirtschaftliche Möglichkeiten von Ressourcen- und Energieeffizienz mit Blick auf die technisch-organisatorische Umsetzung sicher bewerten zu können.
  • Innovationskompetenz: Dazu gehört nicht nur ein Verständnis und eine angemessene Reaktion auf technische Entwicklungen und Marktgegebenheiten, sondern auch ein Blick dafür, welche Prozess- und Produktverbesserungen mit Blick auf eine hohe Marktakzeptanz nötig sind.
  • Unternehmerische Kompetenzen: Dazu gehört die Fähigkeit, die Möglichkeiten und Vorteile kohlenstoffarmer Technologien erkennen, nutzen und in einem gegebenen regulatorischen Rahmen erfolgreich auf den Markt bringen zu können.

Berufliche Kompetenzen für nachhaltiges Handeln stärken

Die "Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung" (BBNE), die sich auf das etablierte Konzept der "Bildung für nachhaltige Entwicklung" (BNE) stützt, will die Entwicklung "grüner Kompetenzen" in allen Jobs in allen Branchen fördern. Die praktische Umsetzung von Umweltschutz, Ressourcen- und Energieeffizienz geht alle an, auch wenn Spezialisierungen in bestimmten Fachgebieten möglich sind. 

Jeder Ausbildungs- und Studienberuf weist direkte oder indirekte Bezüge zum Thema Energie- und Ressourceneffizienz auf. Designer*innen beispielsweise können bereits in der Konzeptionsphase eines Produkts auf Aspekte der Materialbeschaffung, der Reparierfähigkeit und Wiederaufarbeitung achten. Industrie- und Bürokaufleute können bei der Beschaffung von Material und bei der Auslieferung von Produkten Entscheidungen mit Blick auf Kosten- und Klimaeffizienz fällen. Elektroniker*innen können im industriellen und handwerklichen Bereich bei der Auswahl, Installierung und/oder Wartung von Anlagen den Energieverbrauch und die Treibhausgasemissionen im Blick behalten.

Kompetenzen der Energie- und Ressourceneffizienz gehören zu den Säulen der Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung (BBNE). Da nachhaltiges Handeln für jeden Beruf und für jede Branche von Bedeutung ist, ist die Kompetenz zum nachhaltigen beruflichen Handeln somit integraler Bestandteil beruflicher Handlungskompetenz. 

Die rund 400.000 Ausbildungsbetriebe in Deutschland spielen eine wichtige Rolle sowohl bei der Qualifizierung und Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen als auch hinsichtlich der ökologischen Nachhaltigkeit. Sie haben ein enormes Potenzial zur Förderung nachhaltiger Entwicklung und zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele.

Im Frühjahr 2020 wurden die Standardberufsbildpositionen als Mindeststandards für sämtliche Ausbildungsberufe aktualisiert. Demnach werden in allen beruflichen Ausbildungen Kompetenzen aus den Bereichen Digitalisierung und Nachhaltigkeit systematisch vermittelt, da sie im betrieblichen Alltag und im Erwerbsleben eine immer größere Rolle spielen. Sie werden auch in die Ausbildung von Lehrer*innen und Ausbilder*innen integriert.

Wichtig ist, dass Jugendliche sich unabhängig von Stereotypen und Klischees für Berufe entscheiden können, die zu ihren Talenten und Fähigkeiten am besten passen. In verschiedenen Programmen können sie die "grüne Berufswelt" entdecken. In Projekten des ESF-Programms des Bundesumweltministeriums können sie beispielsweise in sogenannten Workcamps verschiedene Berufe noch bis Ende 2022 kennenlernen. 

Was kann ich selbst tun? 

Jede*r kann selbst bei der Auswahl der Ausbildung und des Arbeitsplatzes darauf achten, in welchem Maße er oder sie an der nachhaltigen Gestaltung der Gesellschaft mitwirken kann. So etwa mit der Wahl eines Berufs in einer "grünen" Branche wie den erneuerbaren Energien. 

Dabei ist es von Vorteil, wenn der Ausbildungs- und Arbeitsplatz in einem Unternehmen ist, das bereits über ein "grünes" Bewusstsein verfügt und auf energie- und ressourcensparende sowie abfallvermeidende Produktionsstandards achtet. In einem Unternehmen, in dem das noch nicht der Fall ist, besteht die Möglichkeit, mit einer Vielzahl kleiner Veränderungen zu einem nachhaltigeren Wirtschaften beizutragen. 

Letztlich geht es darum, dass jede und jeder selbst aktiv wird, um im privaten wie beruflichen Umfeld Umwelt und Klima zu schützen. Mit "grünem Bewusstsein" lassen sich im Betrieb Anregungen einbringen. Das ist nicht schwer, wenn ressourcen- und energiesparende Veränderungen mit Kosteneinsparungen verbunden sind – angefangen beim Recyclingpapier über eine emissionsfreie Mobilität auf dem täglichen Arbeitsweg oder auf Dienstreisen bis hin zu schrittweisen Änderungen in den unternehmerischen Wertschöpfungsprozessen.

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