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20.05.2016 | Hintergrund

Wirtschaftliche Entwicklung und Treibhausgasemissionen

Windenergieanlage und Solaranlage
Grundschule, Sekundarstufe

Bisher war wachsender gesellschaftlicher Wohlstand mit einem Anstieg des Energiebedarfs und der CO2-Emissionen verbunden. Doch bei den weltweiten Treibhausgasemissionen sind tiefe Einschnitte notwendig, um die Erderwärmung zu begrenzen. Wie lassen sich eine positive wirtschaftliche Entwicklung und Klimaschutz vereinbaren?

(Dieser Text stammt aus dem Jahr 2016. Die darin enthaltenen Zahlen wurden 2022 aktualisiert.) 

Bei den weltweiten Treibhausgasemissionen sind tiefe Einschnitte notwendig, um die Erderwärmung zu begrenzen. In der Weltwirtschaft sei daher eine "Dekarbonisierung" im Laufe dieses Jahrhunderts nötig – das erklären die Staats- und Regierungschefs der sogenannten G7-Gruppe. Der Begriff geht auf das Wort Karbon beziehungsweise Carbon zurück; es bedeutet Kohlenstoff und ist vor allem im Englischen gebräuchlich. Eine Dekarbonisierung bedeutet unter anderem den Verzicht auf kohlenstoffhaltige Energieträger wie Kohle und Öl. 

Die G7 verstehen sich als führende Industrienationen, und bisher sind fossile Energieträger die Grundlage für das Funktionieren der Wirtschaft in den Industrieländern. Vor allem der Rohstoff Erdöl hat den Wirtschafts- und Lebensstil in den Industrieländern geprägt. Insbesondere der Verkehr ist zu mehr als 90 Prozent von Treibstoffen abhängig, die aus Erdöl hergestellt werden. 

Die internationale Klimapolitik gibt den Rahmen vor

Neben dem Begriff Dekarbonisierung werden häufig andere Begriffe benutzt, um eine ähnliche Zielvorstellung zu beschreiben. So spricht die EU-Kommission von einer "CO2-armen" Wirtschaft, das Umweltbundesamt verwendet den Begriff "treibhausgasneutral". 

Hintergrund für das Ziel einer treibhausgasneutralen Wirtschaft ist der Klimaschutz. Die globale Durchschnittstemperatur in Bodennähe steigt aufgrund der zunehmenden Konzentration von Kohlendioxid (CO2) und anderen Treibhausgasen in der Atmosphäre langfristig kontinuierlich an. Ein ungebremster Ausstoß der Treibhausgase könnte das Klimasystem gefährlich verändern. Hauptursache für diese Veränderungen ist der Mensch, denn zum Anstieg der Treibhausgaskonzentration hat vor allem die Industrialisierung der vergangenen 150 Jahre geführt. 

Die internationale Staatengemeinschaft hat sich daher zum Ziel gesetzt, die Treibhausgasemissionen zu begrenzen. Das Klimaschutzziel ist unter anderem im Pariser Abkommen festgelegt, das bei der Weltklimakonferenz 2015 ausgehandelt wurde. Um die Ziele zu erreichen, dürften in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts nicht mehr Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen, als ihr entzogen werden. Dieser Zustand wird als treibhausgasneutral bezeichnet. 

Noch steigen jedoch die weltweiten Treibhausgasemissionen. Je später sich dieser Trend umkehrt, desto stärker müssen die Emissionen dann begrenzt werden. 

Wachsender Wohlstand – bei geringeren Emissionen?

Dass die weltweiten Emissionen insgesamt steigen, liegt vor allem am steigenden Energiebedarf der großen Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien. Betrachtet man jedoch die Gesamtmenge der Emissionen seit Beginn der Industrialisierung, liegt der Anteil der Schwellenländer immer noch weit hinter dem Anteil der Industrieländer. 

Die unterschiedliche Entwicklung von Industrie- und Schwellenländern ist ein zentraler Grund dafür, warum sich die Staatengemeinschaft lange Zeit nicht auf Klimaschutzmaßnahmen einigen konnte, die für alle Länder gleichermaßen gelten. Die Schwellenländer sind durch einen langen wirtschaftlichen Aufschwung geprägt, der auch als aufholende wirtschaftliche Entwicklung oder nachholende Industrialisierung bezeichnet wird. Die Schwellenländer wollen ihren weiteren wirtschaftlichen Aufschwung nicht durch Verpflichtungen zur Begrenzung der Emissionen gefährden. Sie verwiesen auf den insgesamt größeren Beitrag der Industrieländer zum Klimawandel. Das Klimaschutzabkommen von Paris sieht daher vor, dass die Umstände in den einzelnen Ländern berücksichtigt werden. Entwicklungsländer erhalten finanzielle und technologische Hilfe. 

Die nachholende Industrialisierung hat in den Schwellenländern zu einem größeren durchschnittlichen Wohlstand geführt. Das globale Durchschnittseinkommen ist von rund 5.000 US-Dollar im Jahr 1992 auf rund 11.000 US-Dollar im Jahr 2010 gewachsen (inflationsbereinigt). Damit verbunden sind jedoch unter anderem höhere CO2-Emissionen. Würden alle Länder die derzeitigen Konsum- und Produktionsmuster der Industrieländer wie Deutschland übernehmen, würde der weltweite Ressourcenbedarf um das 3- bis 5-Fache steigen. 

Eine zentrale Frage der zukünftigen weltweiten Entwicklung ist demnach, wie eine positive wirtschaftliche Entwicklung bei gleichzeitiger Verringerung der Treibhausgasemissionen möglich ist.

Auf dem Weg zur treibhausgasneutralen Wirtschaft: Begriffe und Größen

In Deutschland hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, die Emission von Treibhausgasen bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 zu verringern. Bis zum Jahr 2045 soll Deutschland Treibhausgasneutralität erreichen: Es muss dann also ein Gleichgewicht zwischen Treibhausgas-Emissionen und deren Abbau herrschen. Um das Ziel zu erreichen, werden vor allem zwei Ansätze verfolgt: Der Energiebedarf soll weitgehend aus erneuerbaren Energien gedeckt werden, und die Energie soll effizienter eingesetzt werden. 

Bisher war wirtschaftliche Entwicklung beziehungsweise wachsender gesellschaftlicher Wohlstand mit einem Anstieg des Energiebedarfs und der CO2-Emissionen verbunden. Weil die Trends miteinander zusammenhängen, wird oft auch davon gesprochen, dass eine Entkopplung nötig sei. 

Es wird zwischen einer relativen und einer absoluten Entkopplung unterschieden. Bei einer relativen Entkopplung steigen Energiebedarf beziehungsweise Emissionen nicht in gleichem Maße wie die Wirtschaftsleistung. Wenn die Wirtschaft wächst, kann das in diesem Fall jedoch bedeuten, dass Energiebedarf beziehungsweise Emissionen in absoluten Zahlen dennoch steigen. Wenn die Entwicklung in entgegengesetzter Richtung verläuft – zum Beispiel sinkende Emissionen bei wachsender Wirtschaft – wird von einer absoluten Entkopplung gesprochen. 

Um Wirtschaftsleistung und Energiebedarf zu bewerten, werden spezielle Größen verwendet. Die Leistung einer Volkswirtschaft wird in der Regel mithilfe des Bruttoinlandsproduktes angegeben, kurz BIP. Oft wird auch das Kürzel GDP verwendet, für den englischsprachigen Ausdruck Gross Domestic Product. Das BIP ist das Gesamteinkommen einer Volkswirtschaft und fasst den Marktwert aller Waren und Dienstleistungen innerhalb der Landesgrenzen zusammen. 

Das Verhältnis des Energiebedarfs zur Wirtschaftsleistung wird als Energieintensität bezeichnet. Der Kehrwert – das Verhältnis von Wirtschaftsleistung zu Energiebedarf – wird als Energieproduktivität bezeichnet.

Energieintensität = Energiebedarf / Wirtschaftsleistung

Energieproduktivität = Wirtschaftsleistung / Energiebedarf

Mit beiden Größen lässt sich die Effizienz der Energienutzung bewerten. Die Energieeffizienz ist ein Maß dafür, mit welchem Energieaufwand eine bestimmte Wirkung erzielt werden kann.

Darüber hinaus wird die Größe Kohlenstoffintensität beziehungsweise CO2-Emissionsintensität verwendet. Sie beschreibt das Verhältnis der Emissionen zur Wirtschaftsleistung. 

Trendwende in Deutschland?

Betrachtet man die Entwicklung der Wirtschaftsleistung und die Entwicklung des Energiebedarfs in Deutschland, lässt sich grundsätzlich eine Entkopplung feststellen – denn die Entwicklungen sind gegenläufig. Langfristig ist die Wirtschaftsleistung gewachsen, und der Energiebedarf hat abgenommen.

Dies wird deutlich, wenn aus den jeweiligen Daten die Energieproduktivität errechnet wird. Sie von 1990 bis 2020 stark gestiegen – um 84 Prozent, so das Umweltbundesamt (siehe nachfolgende Grafik). Die Berechnungen beziehen sich auf das Verhältnis von BIP und Primärenergieverbrauch. Unter Primärenergie versteht man alle eingesetzten Energieträger einschließlich Kohle, Öl, Erdgas, Strom oder Fernwärme. 

Grafik: UBA

Zudem sind die Treibhausgasemissionen zurückgegangen. 

Quelle: UBA

Auch der Anteil fossiler Energieträger am Primärenergieverbrauch hat zwischen 1990 und 2020 abgenommen, während der Anteil der erneuerbaren Energien gestiegen ist.

Während die langfristigen Trends am Beispiel Deutschlands zeigen, dass sich steigende Wirtschaftsleistung und sinkende Emissionen vereinbaren lassen, machen die Daten auch deutlich, dass es noch Herausforderungen gibt.

So weist das Umweltbundesamt darauf hin, dass der Primärenergieverbrauch insgesamt seit 1990 nur wenig zurückgegangen ist. Gleichzeitig ist der Kraftstoffverbrauch im Verkehrssektor gestiegen, und private Haushalte brauchen mehr Energie. 

Zudem reichen diese Daten allein nicht aus, um die Entwicklung abschließend zu bewerten. Die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität" weist in ihrem Abschlussbericht von 2013 darauf hin, dass es in den vorangegangenen 20 Jahren auch Verschiebungen von Produktionsstandorten gegeben hat. Damit seien auch Emissionen aus Industrieländern in Entwicklungsländer verlagert worden. 

Lebensstile: Klimaschutz im Alltag

Zwischen der wirtschaftlichen Entwicklung und dem Verhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher gibt es vielfältige Wechselwirkungen. Daher spielt im Zusammenhang mit einer treibhausgasneutralen Gesellschaft auch das Verhalten jedes und jeder Einzelnen eine Rolle. In den Bereichen Bauen und Wohnen, Mobilität und Ernährung entstehen besonders viele Treibhausgase. Hier gibt es dementsprechende Möglichkeiten, im Alltag selbst Einfluss zu nehmen. Die wichtigsten Stellschrauben, die den persönlichen CO2-Ausstoß bestimmen, sind im Bereich Mobilität die Zahl der Fernreisen, die zurückgelegten Autokilometer und der Kraftstoffverbrauch des Autos. Im Bereich Wohnen kommt es vor allem auf die Größe der Wohnfläche und den Dämmstandard in Bezug auf den Heizenergieverbrauch an. 

Auch was wir essen, hat Einfluss auf den Ausstoß von Treibhausgasen. Tierische Produkte wie Fleisch, Käse oder Butter sind mit besonders hohen Emissionen verbunden. Die durchschnittliche Verzehrmenge an Butter verursacht zum Beispiel rund 160 Kilogramm CO2 pro Jahr, während der Wert bei Kartoffeln nur bei 13 Kilogramm CO2 pro Jahr liegt. Durch die Umstellung auf Bioprodukte lassen sich zudem knapp 20 Prozent der CO2-Emissionen einsparen.

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