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10.03.2017 | Hintergrund

Zugvögel: Lebensräume, Routen und Artenschutz

eine Küstenseeschwalbe in der Luft
Grundschule, Sekundarstufe

Der Vogelzug ist ein vertrautes Bild im Jahresverlauf: Alljährlich im Herbst und Frühjahr sammeln sich Millionen von Vögeln und ziehen in ihre neuen Quartiere. Doch teilweise verändert sich ihr Zugverhalten, und immer mehr Zugvogelarten sind gefährdet. Nicht nur natürliche Gefahren entlang der Flugroute setzen den Beständen zu. Auch menschliche Einflüsse bedrohen viele Arten.

Die Vogelwanderung ist ein faszinierendes natürliches Phänomen. Allein durch Deutschland ziehen jedes Jahr schätzungsweise 500 Millionen Zugvögel. Weltweit sind 50 Milliarden Vögel auf Wanderung. Manche Arten überqueren ganze Kontinente und fliegen viele tausend Kilometer weit. 

Viele der in Deutschland brütenden Vogelarten sind gefährdet – und die Zugvogelarten sind besonders betroffen. Bei einem Drittel aller heimischen Arten gehen die Bestände seit Ende der 1990er-Jahre zurück. Der Anteil der Zugvögel unter den seltener werdenden Arten ist besonders groß, so der Dachverband Deutscher Avifaunisten, das Bundesamt für Naturschutz und die Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten in der gemeinsamen Veröffentlichung "Vögel in Deutschland" (2014).

Die heimischen Vogelarten werden laut dieser Veröffentlichung vor allem durch die intensive Landnutzung insbesondere in Agrarlandschaften beeinträchtigt. Hinzu kommen weitere Gefahren durch menschliche Aktivitäten. Sie reichen von Störungen durch Wassersportler über Offshore-Windkraftanlagen bis hin zum Klimawandel. 

Warum ziehen Vögel?

Vögel ziehen, um für ihre Nahrung zu sorgen. Denn die wird im Winter in Mitteleuropa knapp. Hier finden sich in der kalten Jahreszeit zum Beispiel kaum noch Insekten oder Würmer, von denen sich viele Vogelarten ernähren. 

Typische Vertreter heimischer Zugvögel sind unter anderem Weißstorch und Schwarzstorch, Kranich, Kuckuck, Mauersegler, Rauchschwalbe, Singdrossel, Nachtigall oder Hausrotschwanz. Sie verbringen den Winter in wärmeren Gegenden Südeuropas oder in Afrika. Im Frühjahr kehren sie zurück, um zu brüten. 

Es gibt aber auch Vögel, die im Winter nicht fortziehen. Sie werden als Standvögel bezeichnet. Zu ihnen gehören vor allem Vogelarten, die ihren Speiseplan im Winter auf Samen, Nüsse und Körner umstellen können. Zu den Standvögeln zählen Haussperlinge, Spechte oder auch die Haubenmeise. Ebenso der Mäusebussard, der auch im Winter Mäuse findet. 

Außerdem gibt es sogenannte "Strichvögel" und Teilzieher. "Strichvögel" sind Enten, Meisen und Finken. Diese "streichen" vor der extremen Kälte her, das heißt sie führen erst dann Wanderungen durch, wenn eine besonders schlechte Wetterlage dies erfordert und kehren bei Wetterbesserung auch rascher zurück als "echte" Zugvögel. Zu den Teilziehern zählen zum Beispiel Amseln, Rotkehlchen oder Goldammern. Bei diesen Arten sind einzelne Tiere oder Populationen Strichvögel, andere dagegen sind Standvögel – und dieser Teil des Bestands bleibt auch im Winter in Deutschland. 

Welche Vögel im Winter in Deutschland zu beobachten sind, kann sich daher von Jahr zu Jahr unterscheiden. So kommen zum Beispiel aus dem Norden oder Osten auch Vögel nach Deutschland, die hier überwintern.

Zugverhalten ist genetisch gesteuert

Durch ihre Reise haben Zugvogelarten den Vorteil, dass sie sich das knappere Nahrungsangebot im Winter nicht mit anderen teilen müssen. In ihren Winterquartieren herrschen bessere Bedingungen: Das Klima ist milder und es gibt mehr Nahrung. Wenn sie im Frühjahr nach Norden zurückkehren, finden sie wieder gute Bedingungen, um zu brüten und den Nachwuchs aufzuziehen. 

Der Zug bringt jedoch auch natürliche Risiken mit sich. Das gilt vor allem für Langstreckenzieher. Ein großer Teil der Weißstörche überquert zum Beispiel Mittelmeer und Sahara. Diese Anstrengung, schlechtes Wetter und natürliche Erschwernisse wie Hochgebirgsquerungen führen dazu, dass ein beträchtlicher Teil der Tiere die Wanderung nicht überlebt.

Das Zugverhalten ist angeboren und durch eine Vielzahl von Genen gesteuert, es zählt zu den sogenannten polygen gesteuerten Merkmalen. Die Tiere besitzen eine Art innere biologische Langzeituhr. Sie sorgt unter anderem dafür, dass die Vögel vor der Wanderung ihre Nahrung umstellen. Manche Vogelarten verdoppeln vor dem Zug ihr Körpergewicht, um den Flug bewältigen zu können. 

Das genetische "Programm" der Tiere sorgt zum Beispiel dafür, dass Langstreckenzieher bereits im Sommer ihre Brutgebiete verlassen, selbst wenn noch ausreichend Nahrung vorhanden ist. Umgekehrt brechen sie in ihren Winterquartieren trotz guter Umweltbedingungen wieder so rechtzeitig auf, dass sie in ihre Brutgebiete alljährlich zum nahezu gleichen Termin zurückkehren. 

Typische Beobachtungen und Zugwege

Zugvögel starten allein, in Gruppen und Scharen oder auch in V-Formationen. Der Formationsflug spart Kraft, da die Vögel dem Windschatten des vorausfliegenden Tieres nutzen können. An der Spitze lösen sich die Tiere ab, meist die starken und erfahrenen Vögel. 

In V-Formation ziehen die Kraniche, die sich sowohl im Herbst als auch im Frühjahr gut beobachten lassen. Kraniche sammeln sich jedes Jahr im Oktober und November, bevor sie gemeinsam aufbrechen. Die größten Sammelplätze liegen in Brandenburg und in Mecklenburg-Vorpommern. Bei Groß Mohrdorf nahe Stralsund kommen bis zu 70.000 Kraniche zusammen. 

Kraniche aus Mitteleuropa, Skandinavien sowie zunehmend auch aus den baltischen Staaten, aus Finnland und Weißrussland ziehen über Westeuropa nach Süden. Sie überwintern in Frankreich, Spanien und teils auch in Nordafrika. Zudem bleiben in hinreichend milden Wintern mehrere Tausend Kraniche in Deutschland. 

Weißstörche starten bereits im August Richtung Winterquartier. Sie legen dabei teilweise Strecken von mehr als 10.000 Kilometern zurück. Ihre Zielgebiete liegen unter anderem in Tansania oder sogar in Südafrika. Fast drei Viertel der deutschen Weißstörche fliegen dabei eine östliche Route, die sie über den Bosporus in der Türkei, über den Nahen Osten und Sudan führt. Die Vögel sind zwei bis vier Monate unterwegs und legen im Durchschnitt 150 bis 300 Kilometer am Tag zurück. 

Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) untersucht seit 2009 den Zug der Störche mithilfe von Sendern. Dafür wurden Störche mit Sendegeräten versehen, die ihre Standortkoordinaten übertragen. 

Zugvögel sind gefährdet

Ein Viertel der Zugvogelarten steht auf der "Roten Liste der wandernden Vogelarten" und ist damit als gefährdet eingestuft. Bedroht sind vor allem Arten, die weit ziehen und teilweise bis südlich der Sahara fliegen. Das ergab eine entsprechende Bewertung in Deutschland, die 2014 vom Bundesamt für Naturschutz und dem Deutschen Rat für Vogelschutz veröffentlicht wurde. 

Demnach hat Deutschland eine wichtige Funktion als "Drehscheibe" des Vogelzugs. Auf ihrem Weg zwischen Sibirien und Westafrika gilt das Wattenmeer als wichtigstes Rastgebiet für Watvögel zu denen zum Beispiel Kiebitze und Austernfischer, Regenpfeifer und Schnepfen zählen. Außerdem dienen manche Regionen als Winterquartier für Zugvögel aus kälteren Regionen. So überwintern zum Beispiel Meeresenten und Seetaucher auf der deutschen Nord- und Ostsee. Zu den Gefahren dort zählen Fischnetze und Windenergieanlagen. 

Der Bestand von Vogelpopulationen wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Sie können sich im Brutgebiet auswirken, entlang des Zugweges oder im Überwinterungsgebiet. Zu den wichtigsten Faktoren zählt das Nahrungsangebot. So gibt es Hinweise, dass der Rückgang insektenfressender Vogelarten mit drastischen Verlusten des Bestands oder präziser "der Biomasse" verfügbarer Insekten zusammenhängt. Im oben genannten Statusbericht "Vögel in Deutschland" (2014) wird bereits darauf hingewiesen. Der Deutsche Bundestag hat im Januar 2016 ein öffentliches Experten-Hearing veranstaltet, das die mithilfe eines langjährigen Monitorings durch Entomologen aufgezeigten Biomasseverluste bei Insekten bestätigt hat. Hierzu wurde im Mai 2016 ein vom Bundesamt für Naturschutz gefördertes Forschungsprojekt begonnen.

Die insgesamt wichtigsten Beeinträchtigungen für die in Deutschland brütenden Vögel hängen mit der intensiven Landnutzung zusammen. Durch menschliche Aktivitäten verändern sich Gebiete, die den Vögeln als Rückzugsgebiete dienen – für die Brut, die Nahrungssuche oder als Rastraum. So werden für die landwirtschaftliche Nutzung einerseits Feuchtgebiete trockengelegt; andererseits werden Trockenzonen bewässert. Siedlungsgebiete dehnen sich weiter aus. Die Veränderungen sind vor allem für diejenigen Arten eine Herausforderung, die besonders spezialisiert und auf ganz bestimmte Umweltbedingungen und Ökosysteme angewiesen sind.

Über die Hälfte der Fläche Deutschlands wird landwirtschaftlich genutzt, vor allem als Acker- und Grünland. Bei den in der Agrarlandschaft brütenden Arten gab es in den vergangenen Jahren die größten Bestandseinbußen. Auch im Siedlungsraum – zum Beispiel in Städten – gab es Bestandsverluste. Ein Grund ist auch die zunehmende Versiegelung von Flächen. 

Bei Langstreckenziehern gibt es weitere Risiken auf dem Zugweg. So werden viele Vögel insbesondere im Mittelmeerraum immer noch Opfer von illegalem Massenfang. Denn manche Vogelarten gelten als Delikatesse. Millionen von Zugvögeln enden jeden Herbst in den Fangnetzen ägyptischer Vogeljäger oder auf Leimruten in Südfrankreich oder Zypern. In Malta oder in Balkanstaatenwerden Zugvögel einfach aus blindem "Spaß" abgeschossen, und in Italien gibt es zahlreiche Fanganlagen, durch die die dort lebend gefangenen Zugvögel letztlich in engen Käfigen enden und verenden. 

Zudem sind Langstreckenzieher gefährdet durch die zunehmende Versteppung weiter Landstriche Afrikas, die Ausbreitung der Wüsten und sich häufende Dürreperioden. 

Der Klimawandel verändert das Zugverhalten

Auch die globale Erwärmung hat Auswirkungen auf die Zugvögel. Denn der Klimawandel verändert die Abläufe und Zusammenhänge in Ökosystemen. 

So kehren zum Beispiel Mehlschwalben durchschnittlich zehn Tage früher aus Nordafrika nach Deutschland zurück als noch vor 30 Jahren. Auch der Zug nach Süden setzt teils später ein. Manche Vogelarten verkürzen ihre Zugstrecke, andere stellen teilweise die Wanderung ein. Kiebitz, Singdrossel, Star und Hausrotschwanz galten noch bis vor wenigen Jahrzehnten als klassische Zugvögel. Inzwischen verbringen sie stetig länger werdende Teile des Winters in Mitteleuropa. 

Andere Arten entwickeln neue Zugrouten. Zum Beispiel steuern viele Mönchsgrasmücken nicht mehr Südfrankreich, Spanien oder Nordafrika an, sondern überwintern in Südengland. 

Auf die Klimaveränderungen können sich manche Arten gut einstellen, insbesondere Kurz- und Mittelstreckenzieher wie die Mönchsgrasmücke. Ihr ist es innerhalb weniger Generationen gelungen, neue Flugrouten und Winterquartiere im Erbgut zu speichern. 

Für Langstreckenzieher stellen die Klimaveränderungen in den Brutgebieten jedoch eine größere Herausforderung dar. Denn der Anstieg der Durchschnittstemperaturen führt unter anderem dazu, dass sich Insekten früher entwickeln. "Spätheimkehrer" finden dann nicht mehr genug Nahrung, die sie jedoch brauchen, um ihre Jungvögel großzuziehen. 

Schutz von Biotopen hilft den Zugvögeln

Die Bestände der Zugvögel sind von guten Bedingungen an Brut- und Rastplätzen entlang ihrer Zugroute abhängig. Um diese Vogelarten zu schützen, müssen vor allem ihre Lebensräume erhalten werden. 

Um Zugvögel wirkungsvoll zu schützen, muss international gehandelt werden. Denn die Tiere überqueren im Jahresverlauf in der Regel mehrere Staatsgrenzen. Bereits seit 1979 gibt es zum Beispiel die Europäische Vogelschutzrichtlinie. Mitgliedstaaten sind aufgefordert, die Lebensräume der Vogelarten sowohl innerhalb als auch außerhalb von Schutzgebieten zu pflegen und zu gestalten. 

Seit 1983 ist zudem das Bonner Übereinkommen zur Erhaltung der wandernden, wildlebenden Tierarten in Kraft. Deren Schutz über politische Grenzen hinweg wird durch dieses kurz "CMS" genannte Abkommen der Vereinten Nationen geregelt, wobei Zugvögel eine zentrale Rolle spielen. Für diese wurden auch spezifische Instrumente zu wandernden Vogelarten geschaffen: so das Abkommen zum Schutz Afrikanisch-Eurasischer Wasservögel (kurz: AEWA), eine Willenserklärung zum Schutz von Greifvögeln und Eulen (kurz: Raptors MoU) und der Aktionsplan für weitere terrestrische Vögel ("Land-Birds Action Plan"). 

In Deutschland betreffen viele mögliche Schutzmaßnahmen die Landwirtschaft. Dort könnten mehr Brachland, Feuchtgrünland, Hecken und kleine Gewässer erhalten werden. Mehr Ernterückstände auf den Feldern können eine wichtige Nahrungsressource sein. Landwirte könnten im Winter Stoppelfelder erhalten und auf einen schnellen Umbruch abgeernteter Felder verzichten. 

Auch Privatleute können zum Schutz der Zugvögel beitragen. Dazu gehört etwa, die Tiere an ihren Sammelplätzen und in den Brutgebieten nicht zu stören. Zudem können Gartenbesitzer/-innen ihre Gärten naturnäher und somit vogelfreundlich gestalten. In sehr kalten Wintern ist auch eine längere Fütterung der Vögel sinnvoll. 

Außerdem können sich Interessierte einbringen, indem sie beim Vogelmonitoring mitmachen. So ruft der NABU regelmäßig zu Vogelzählungen auf. Auch das Max-Planck-Institut lädt ein, Routen von Wildtieren auf der ganzen Welt zu beobachten. In der Smartphone-App "Animal Tracker" können Beobachtungen und Fotos direkt in die Forschungsdatenbank hochgeladen werden. 

Weiterführende Links

Bundesamt für Naturschutz (BfN): Informationen zur "Roten Liste wandernder Vogelarten"
http://www.bfn.de/0401_pm.html?tx_ttnews%5Btt_news%5D=4839

Dachverband Deutscher Avifaunisten, Bundesamt für Naturschutz und Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten: "Vögel in Deutschland", 2012 (das Thema Vogelzug ist der Schwerpunkt der Publikation)
https://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/themen/monitoring/ViD-2012.pdf

Naturschutzbund (NABU) e. V.: "Unsere Zugvögel"
https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/voegel/zugvogelschutz/

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