08.04.2021 | Hintergrund

Insekten und ihre Rolle im Ökosystem

Grundschule, Sekundarstufe

Die "Krefelder Studie" sorgte für viel Aufmerksamkeit: Sie machte einen dramatischen Rückgang der Fluginsekten in den vergangenen knapp 30 Jahren deutlich. Insekten sind jedoch von enormer Bedeutung für die Ökosysteme und letztlich auch für die Ernährung der Menschen. Die Gründe für den Rückgang der Insekten sind vielfältig.

Nachrichten über Insekten erreichen selten ein großes Publikum. Doch 2017 ging die "Krefelder Studie" um die Welt: Ein Forscherteam hatte herausgefunden, dass mehr als 75 Prozent der Gesamtmasse an Fluginsekten aus Teilen von Deutschland verschwunden sind. Dafür nutzten sie Daten des Entomologenvereins Krefeld. Der Verein für Insektenkunde, dem einzelne Forscher aus dem Team angehören, hatte zwischen 1989 und 2016 an über 60 Standorten in Deutschland durch Standard-Flugfallen die Bestände ausgewertet. Die Forscher stellten fest, dass nicht nur die Anzahl der Insekten dramatisch abnimmt, sondern auch die Artenvielfalt massiv gefährdet ist. Seitdem ist das Thema in aller Munde, immer mehr Studien werden bekannt.

Auch wenn manche Sechsbeiner nerven, wenn sie beim Frühstück auf dem Marmeladenbrot herumtänzeln oder ihr Summen uns den Schlaf raubt: Bienen, Schmetterlinge, Käfer und Co sind für die Ökosysteme unentbehrlich. Fachleute warnen, dass der Insektenschwund ganze Nahrungsketten in Gefahr bringt. Denn Insekten dienen vielen Arten wie Vögeln, Fröschen oder Fledermäusen als Nahrung. Zudem ist ein großer Teil der Nutzpflanzen von bestäubenden Insekten abhängig. Ohne sie würde es große Ernteausfälle geben, vor allem bei Obst und Gemüse.

Die Ursachen für den Insektenschwund sind vielfältig und noch nicht vollständig geklärt. Experten/Expertinnen gehen davon aus, dass die Intensivierung der Landwirtschaft eine Hauptrolle spielt. Die schwindende Vielfalt auf den Feldern und der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der industriellen Landwirtschaft gefährden die Insekten. Außerdem verkleinern Industrie- und Wohnsiedlungen ihre Lebensräume. Mit der zunehmenden Besiedelung hängt auch die Lichtverschmutzung zusammen. Viele Insekten sind nachtaktiv, durch die Beleuchtung in den Städten wird ihr Tag-Nacht-Rhythmus sowie ihr Jagd- und Fortpflanzungsverhalten gestört.

Das "Insektensterben" sowie der Schutz der Tiere werden in der breiten Öffentlichkeit aufmerksam verfolgt und diskutiert. Und es gibt bürgerschaftliches Engagement: Schulen stellen Insektennisthilfen auf und viele Pflanzenbegeisterte beginnen naturnah zu gärtnern. Auch die Politik ist aktiv: 2019 hat die Bundesregierung das "Aktionsprogramm Insektenschutz" verabschiedet. Anfang 2021 bringt sie ein Insektenschutzgesetz auf den Weg. Gemeinsam mit den Ländern hat sie ein systematisches und bundesweites Insektenmonitoring entwickelt. Und sie hat im März 2021 ein nationales Zentrum zum Biodiversitätsmonitoring in Leipzig eingerichtet, um das Monitoring von Arten und Lebensräumen auch über die Insekten hinaus zu verbessern. Denn es geht nicht allein um kleine Tiere, sondern um das große Ganze.

Kleine Tiere – große Wirkung

Insekten sind die artenreichste Gruppe aller Lebewesen und stellen gut 70 Prozent der Tierarten weltweit. Dieses Verhältnis gilt auch für Deutschland: Hier sind etwa 48.000 Tierarten nachgewiesen, davon über 33.000 Insektenarten. Sie sind ein wesentlicher Bestandteil der biologischen Vielfalt und man findet sie in fast jedem Lebensraum.

Insekten erfüllen wichtige ökologische Funktionen. Zum einen sind sie Nahrungsgrundlage für viele Tiere wie zum Beispiel Vögel, Mäuse, Frösche oder Eidechsen. Deren Leben ist in Gefahr, wenn sie nicht mehr genug zu fressen finden. Zum anderen spielen Insekten eine wichtige Rolle dabei, dass die Böden fruchtbar bleiben und das Wasser sauber bleibt. Ohne sie würden die Stoffkreisläufe in der Natur zusammenbrechen. Ein Beispiel dafür sind im Boden lebende Insekten: Diese tragen dazu bei, dass Blätter und Holz kompostiert werden und der Dung anderer Tiere zersetzt wird.

Zudem sind Insekten für die Ernährung des Menschen von unschätzbarem Wert. Ihre Bestäubungsleistung ist insbesondere wichtig für den Obst- und Gemüseanbau, aber auch für großflächig angebaute Ackerkulturpflanzen wie Raps, Sonnenblumen oder Ackerbohnen. Drei Viertel der weltweit wichtigsten Nutzpflanzen sind – wenn auch unterschiedlich stark – von Bestäubung abhängig, so der Weltbiodiversitätsrat. Forscher der Universität Hohenheim haben 2020 den volkswirtschaftlichen Nutzen der Bestäuber ausgerechnet: Deutschland würde bei einem Wegfall aller bestäubenden Insekten im Durchschnitt rund 3,8 Milliarden Euro verlieren. Pro Jahr.

Zu den Bestäubern gehören Wild- und Honigbienen. Außer ihnen bestäuben ebenso viele Schmetterlinge, Fliegen, Käfer oder Wespen Pflanzen. Neben diesen Insekten zählen auch einige Vögel zu den Bestäubern, aber Insekten spielen die entscheidende Rolle. Im Ökosystem Wald werden rund 80 Prozent aller Bäume und Sträucher von Insekten bestäubt. Dazu gehören Ahorn, Weißdorn, Rosskastanie, Weide, Vogelbeere und Linde. Auch Ameisen tragen zur Verbreitung der Pflanzen bei: Diese sammeln Samen und verteilen sie.

Die Vielen werden weniger

In Deutschland gibt es neben der "Krefelder Studie" auch spezielle Untersuchungen zu den Beständen von Tagfaltern, Wildbienen und Zikaden. Alle Erhebungen belegen, dass die Anzahl der Arten, aber auch die Größe der Populationen teilweise dramatisch zurückgehen. Der "European Grassland Butterfly Indicator" – eine Art Schmetterlingsindikator der EU – berichtet über die Entwicklung von zehn spezialisierten und sieben häufigen Schmetterlingsarten. Laut Indikator hat ihre Zahl zwischen 1990 und 2015 um ein Drittel abgenommen – und dies nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Ländern.

Mehr als die Hälfte der 561 Wildbienenarten in Deutschland stehen bereits auf der Roten Liste und sind in ihrem Bestand bedroht. Über einen Zeitraum von 46 Jahren sank auf der Schwäbischen Alb die Zahl der Nester einer Schmalbienenart um 95 Prozent. In den Isarauen im bayerischen Dingolfing sind drei Viertel der Wildbienenarten im Verlauf nur eines Jahrzehnts verschwunden.

Neben Langzeit- und Einzelstudien geben insbesondere die so genannten Roten Listen Auskunft über die Gefährdung einzelner Arten. Diese umfangreiche Sammlung bringt das Bundesamt für Naturschutz seit über 40 Jahren heraus. Die Listen zeigen, dass bundesweit fast jede zweite erfasste Insektenart zurückgeht: 42 Prozent der erfassten Arten gelten als bestandsgefährdet, extrem selten oder bereits ausgestorben. Der rückläufige Bestandstrend lag bei Köcherfliegen sogar bei 96 Prozent, bei Ameisen bei 60 Prozent.

Warum sind Insekten bedroht?

Die Ursachen für das Insektensterben sind vielfältig. Fachleute machen mehrere Faktoren dafür verantwortlich: der Verlust von Lebensräumen durch Siedlungen und Verkehrsflächen, die Lichtverschmutzung in und um Siedlungen, aber vor allem die intensive Landwirtschaft. Ein internationales Forscherteam fand heraus, dass sich die Insektenbiomasse auf Grünlandflächen wie Äcker und Wiesen zwischen 2008 und 2017 um zwei Drittel verringert hat.

Auf immer größeren Feldern finden Insekten keine Nahrung mehr. Durch das Verschwinden von Hecken, Feldrainen und blütenreichen Böschungen gehen Lebensräume verloren. Monokulturen verringern das Nahrungsangebot; der Einsatz von Dünger erhöht den Nitratgehalt in Gewässern und Böden, was allen Insekten schadet, die an eine nährstoffarme Umgebung angepasst sind. Viele Pestizide dezimieren nicht nur Schädlinge, sondern auch viele andere Insekten und deren Lebensräume. Breitbandherbizide wie Glyphosat vernichten die so genannte Begleitflora wie Kornblume, Mohn und Kamille und damit die Lebensgrundlage für viele Insekten.

Viel diskutiert wurde und wird auch der Einsatz von Neonikotinoiden. Diese Wirkstoffe wurden in den 1990er-Jahren in der Landwirtschaft zugelassen, um Schädlinge zu bekämpfen. Doch sie haben auch einen Anteil am Insektensterben. 2018 verbot die Europäische Union den Einsatz der drei Insektizide Imidacloprid, Clothianidin und Thiamethoxam im Freiland. Sie gehören zur Wirkstoffgruppe der Neonikotinoide.

In der intensiven Landwirtschaft geht auch durch zu häufiges Mähen die Vielfalt an Blütenpflanzen verloren. Die Naturschutzorganisation NABU weist darauf hin, dass die Landschaft in Deutschland ab Juni "blütenarm" sei, wenn Wiesen und Weiden gemäht sind.
Auch der Verlust von Streuobstwiesen, die von vielen Insekten als Lebensraum genutzt werden, ist problematisch.

Was tun zum Schutz?

Es gibt bereits viele Ansätze zum Schutz der Insekten. Von den Kommunen und Bürgern/Bürgerinnen werden Blühwiesen angelegt, blütenreiche Trachtbäume gepflanzt oder Nisthilfen für Wildbienen und Co im Stadtgebiet installiert.

Auch die Politik reagiert entschlossen. Zu den zentralen Maßnahmen des Aktionsprogramms Insektenschutz gehören:

  • Gesetzlicher Schutz von Insektenlebensräumen (zum Beispiel durch Streuobstwiesen und artenreiches Grünland).
  • Der Einsatz glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel soll ab 2020 deutlich eingeschränkt werden. Ende 2023 soll die Anwendung von Glyphosat ganz enden.
  • Pro Jahr gibt es 100 Millionen Euro zusätzlich für die Förderung des Insektenschutzes, vor allem in der Agrarlandschaft, und für den Ausbau der Insektenforschung.
  • Insektenlebensräume wie Randstreifen von Wegen oder Hecken am Wegesrand sollen geschützt und wiederhergestellt werden.
  • Es sollen deutlich weniger Pestizide und andere Schadstoffe in Insektenlebensräume eingebracht werden.
  • Insektenschädliche Beleuchtung soll eingeschränkt werden.

Wichtige im Aktionsprogramm vorgesehene Rechtsänderungen sollen in einem Insektenschutzgesetz zusammengefasst werden. Dafür hat das Bundeskabinett im Februar 2021 mit dem Gesetzentwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes wesentliche Inhalte des Aktionsprogramms auf den Weg gebracht.

Was kann ich gegen das Insektensterben tun?

Auch jeder Einzelne kann einen Beitrag leisten, um mehr Lebensräume und ein besseres Nahrungsangebot für Insekten zu schaffen. Beim Einkauf und beim Gärtnern im Garten oder auf dem Balkon gibt es zahlreiche Möglichkeiten Insekten zu schützen:

  1. Bio-Lebensmittel kaufen: Diese werden auf dem Acker nicht mit synthetisch hergestellten Pflanzenschutzmitteln und Mineraldünger behandelt.
  2. Naturnah gärtnern: Im eigenen Garten oder auf dem Balkon sollte man auf künstliche Pflanzenschutzmittel und Dünger verzichten. Es gibt natürliche Alternativen wie Schachtelhalmsud oder Brennnesseljauche.
  3. Insektenhotels aufstellen: Weil es für Insekten zunehmend schwieriger wird, natürliche Unterschlupf- und Nistmöglichkeiten zu finden, sind „Insektenhotels“ im Garten und auf dem Balkon eine gute Idee.
  4. Lehmsandflächen anlegen: Viele Wildbienen, wie die Mauerbiene oder die Hummel, nisten in der Erde. Sie graben ihre Gänge gerne in regengeschützten Flächen aus einem Sand-Lehm-Gemisch.
  5. Bunte Mischung: Insekten brauchen eine Vielfalt an Pollen und Nektar. Deshalb sollten Wildblumenwiesen gesät werden. Auch heimische Stauden, Sträucher, Hecken und Obstbäume bieten viel Nahrung.
  6. Totholz im Garten stehen oder liegen lassen: Verrottendes Holz ist der ideale Lebensraum für Insekten. Dort finden dann auch Vögel genug Nahrung für ihren Nachwuchs.
  7. Insektenverträgliche Beleuchtung: UV-, blaues und weißes LED-Licht lockt die meisten Insekten an. Je mehr Rotanteile im Licht enthalten sind, desto weniger Insekten werden angezogen. Beim Kauf von Lampen für den Außenbereich sollte deshalb darauf geachtet werden, dass möglichst wenig Blauanteile im Licht enthalten sind.

Weiterführende Links

Der Insektenatlas 2020
https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/naturschutz/insektenatlas_2020.pdf

Aktionsprogramm Insektenschutz
https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Pools/Broschueren/aktionsprogramm_insektenschutz_kabinettversion_bf.pdf

Weniger Bienen, Fliegen, Schmetterlinge
https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/insekten-und-spinnen/insektensterben/index.html

Insektenrückgang: Daten, Fakten und Handlungsbedarf
https://www.bfn.de/themen/insektenrueckgang-daten-fakten-und-handlungsbedarf.html

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