Wie verändert die Digitalisierung den Ressourcenbedarf der Industrie?
Die Industrie steht vor einem Umbruch, ausgelöst durch neue Technologien – so die Erwartung vieler Fachleute. Kern der Entwicklung ist, dass sich Industrieproduktion und digitale Informations- und Kommunikationstechnik zunehmend verzahnen. Die Folgen werden oft überschwänglich beschrieben: als "digitale Revolution" oder "neue industrielle Revolution". Häufig ist von der "Industrie 4.0" die Rede.
Das Schlagwort Industrie 4.0 steht für eine umfassende Vorstellung einer zukünftigen Industrieproduktion, die häufig als "intelligent" und stark "vernetzt" beschrieben wird. Dabei werden verschiedene Technologien und Anwendungsbereiche zusammengefasst. Ziel ist zum Beispiel eine "intelligente" Fabrik, in der Maschinen selbstständig Fertigungsprozesse koordinieren, Service-Roboter mit Menschen zusammenarbeiten und fahrerlose Fahrzeuge Transportaufträge übernehmen.
Fachleute erwarten, dass die Industrie auf diese Weise insgesamt effizienter arbeiten kann als heute. Die Produktion wird flexibler und kann so schneller an die Nachfrage und die Kundenwünsche angepasst werden. Zudem schont eine „intelligente“ Produktion Ressourcen und kann somit dazu beitragen, den Bedarf an Rohstoffen und Energie zu senken.
Industrieland Deutschland
Deutschland ist ein Industrieland. Diese Bezeichnung steht für Staaten, in denen Industrieproduktion die größte Bedeutung für die Wirtschaft hat.
Mit Industrie wird derjenige Teil der Wirtschaft bezeichnet, der mit der Herstellung von Gütern befasst ist. In Wirtschaftsstatistiken finden sich auch die Bezeichnungen verarbeitendes Gewerbe beziehungsweise produzierendes Gewerbe.
Im Gegensatz zum Beispiel zur handwerklichen Produktion ist die Industrie gekennzeichnet durch den Einsatz von Maschinen, Anlagen und Fabriken, durch Spezialisierung und Arbeitsteilung sowie durch die größeren Mengen der produzierten Güter.
In Deutschland waren im Jahr 2014 rund 5,3 Millionen Menschen in Industriebetrieben beschäftigt – das ist knapp ein Viertel aller Erwerbstätigen. Zu den größten deutschen Industriebranchen zählen unter anderem die Autoindustrie, der Maschinenbau, die Metallindustrie, die chemische und pharmazeutische Industrie, die Lebensmittelindustrie und die Elektroindustrie.
Umweltfolgen der Industrieproduktion
Die Industrie in Deutschland prägt nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die Art und Weise, in der die Umwelt beansprucht wird. Wenn materielle Güter hergestellt werden, wirkt sich dies notwendigerweise auf die Umwelt aus. Denn für die Produktion werden Rohstoffe und Energie benötigt.
Herausforderungen für den Umweltschutz sind vor allem der hohe Energiebedarf vieler Unternehmen und der damit verbundene Ausstoß von Treibhausgasen sowie der Bedarf an Rohstoffen. Die Förderung und Aufbereitung von Rohstoffen sind mit weitreichenden Folgen für die Umwelt verbunden.
Zudem können in manchen Bereichen der Industrieproduktion Schadstoffe freigesetzt werden, die Luft, Gewässer und Boden belasten. Die Geschichte vieler traditioneller Industrieregionen ist mit enormen Umweltbelastungen verbunden. Ein Beispiel ist das Ruhrgebiet, das unter anderem für die starke Luftverschmutzung bekannt war. Ein Wahlversprechen des SPD-Politikers Willy Brandt im Jahr 1961 lautete: „Der Himmel über dem Ruhrgebiet muss wieder blau werden.“ Zu dieser Zeit war das Ausmaß der Umweltverschmutzung dort offensichtlich. Vor allem die Anlagen der Kohle- und Stahlindustrie stießen Millionen Tonnen Staub, Asche und Ruß aus. Die Folge war, dass im Ruhrgebiet Atemwegserkrankungen weit häufiger auftraten als im Durchschnitt in Deutschland. Auch Bäume waren sichtbar geschädigt.
Der Schadstoffausstoß ist in Deutschland jedoch in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zurückgegangen.
Was bedeutet "Industrie 4.0"?
Die Industrie 4.0 ist dadurch gekennzeichnet, dass sich die Produktion mit Informations- und Kommunikationstechnik verzahnt. Technische Grundlage sind digital vernetzte Systeme. "Menschen, Maschinen, Anlagen, Logistik und Produkte kommunizieren und kooperieren", heißt es auf der Informationsplattform Industrie 4.0, die von mehreren Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften sowie den Bundesministerien für Wirtschaft und Forschung betrieben wird.
Die derart vernetzten Systeme werden auch als "cyber-physische Systeme" bezeichnet. Denn dabei werden Computer auch in physische Objekte integriert, in Materialien, Maschinen und Produkte. Zudem werden sie zu digitalen Netzwerken verknüpft, zu einem "Cyberspace". Auch "Dinge" können also Daten und Informationen untereinander austauschen. Oft wird dies auch als "Internet der Dinge" bezeichnet.
Die konkreten Erscheinungsformen und Anwendungsmöglichkeiten sind äußerst vielfältig. Im Idealfall umfasst die "intelligente" Produktion alle Bereiche der Wertschöpfungskette beziehungsweise alle Lebensphasen eines Produktes. Diese reichen von der Konzeption über die Entwicklung, Fertigung, Nutzung und Wartung bis hin zum Recycling.
Die "intelligenten" Systeme sollen es zum einen ermöglichen, flexibler zu produzieren und den Kunden individuelle Lösungen anzubieten. Zum anderen kann die Produktion in allen Schritten optimiert werden. Das heißt unter anderem, dass Rohstoffe, Materialien und Energie gezielter und effizienter eingesetzt werden können.
Einige Beispiele:
- "Intelligente" Produkte mit "digitalem Gedächtnis": Produkte "wissen" selbst, aus welchen Materialien und Bauteilen sie bestehen und für welche Art der Nutzung sie gedacht sind. So können zum Beispiel Maschinen und Geräte daran erinnern, wenn sie gewartet werden müssen. Oder sie passen sich an die Art der Nutzung an. So könnten Waschmaschinen oder Kühlschränke selbstständig den Energiebedarf optimieren. Darüber hinaus könnten Produkte zum Beispiel "wissen", wohin sie geliefert werden sollen und so den Aufwand für Transport und Lagerung senken. Bei Entsorgung und Recycling können digital gespeicherte Informationen über die enthaltenen Bauteile und Materialien helfen, eine optimale Verwertung sicherzustellen.
- In "intelligenten Fabriken" optimieren die Fertigungssysteme automatisch die Produktion. Sie bestellen selbstständig nur so viele Materialien und Rohstoffe, wie tatsächlich gebraucht werden. Auch der Energiebedarf kann stets auf das Nötigste reduziert werden. Sensoren und intelligente Maschinen liefern zudem ständig Informationen über die Produktion und bieten die Möglichkeit, sie in Echtzeit zu steuern.
"Industrie 4.0" in der Diskussion
Viele Fachleute erwarten, dass Digitalisierung und Vernetzung eine neue Epoche in der Industriegeschichte herbeiführen, vergleichbar nur mit drei großen Umbrüchen der Vergangenheit. Daher stammt auch der Begriff "Industrie 4.0", er steht für den vierten großen Umbruch. Die ersten drei sind demnach:
- die Einführung der Dampfmaschine Ende des 18. Jahrhunderts
- die Erfindung des Fließbands Ende des 19. Jahrhunderts
- die Automatisierung durch elektronische Steuerung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts
Allerdings wird in der Diskussion über die Entwicklung teilweise auch darauf hingewiesen, dass "Industrie 4.0" ein Sammelbegriff beziehungsweise ein Schlagwort für eine wirtschaftspolitische Zielsetzung ist. Der Begriff wurde gezielt entwickelt, um diese Zielsetzung zu kommunizieren. Er wurde im Jahr 2011 anlässlich der Hannover Messe der Öffentlichkeit vorgestellt.
Es gibt keine trennscharfe Definition dafür, was als "Industrie 4.0" gilt und was nicht. Die technischen Lösungen und Anwendungsbeispiele, die unter dem Begriff zusammengefasst werden, sind zu vielfältig. Betrachtet man konkrete Beispiele, handelt es sich in der Regel um Weiterentwicklungen bestehender Technologien. Kritiker des Begriffs stellen in Frage, ob die Entwicklung der Produktion hin zur "Industrie 4.0" tatsächlich so dynamisch und "disruptiv" verlaufen wird wie häufig unterstellt. Als "disruptiv" werden Technologien bezeichnet, die bestehende Technologien oder deren Anwendungen vollständig verdrängen.
Zudem wird diskutiert, ob die Entwicklung zu einem weiteren Verlust von Arbeitsplätzen in der Industrie führen wird. Oft wird die Befürchtung geäußert, dass in einer "intelligenten" Industrie weniger Arbeitskräfte gebraucht werden. Wie sich die Zahl der Arbeitsplätze entwickeln wird, lässt sich kaum vorhersagen. Fachleute gehen jedoch davon aus, dass sich die Art der Arbeit weiter verändern wird. Für viele Tätigkeiten werden demnach neue und anspruchsvolle Qualifikationen nötig sein.
Die Rolle der Konsumentinnen und Konsumenten
Ob und wie sich Veränderungen in der Industrieproduktion auf die Umwelt auswirken, hängt in großem Maße von den Abnehmern der Produkte ab.
Effizienzsteigerungen senken oft die Kosten für Produkte. Dies kann zum sogenannten Rebound-Effekt führen: Wenn Produkte günstiger erhältlich sind, wird mehr konsumiert – die erzielten Einsparungen werden wieder aufgehoben. Zum Beispiel verbrauchen Haushaltsgeräte heute weniger Strom als früher. Doch gleichzeitig besitzen wir mehr Geräte.
Auf die Auswirkungen des privaten Konsums können Verbraucherinnen und Verbraucher auf vielfältige Weise selbst Einfluss nehmen. So helfen zum Beispiel Produktlabels wie der Blaue Engel dabei, umweltschonende Produkte zu erkennen.
"Smarte" Produkte können auch zu einer umweltschonenderen Nutzung beitragen. Insbesondere können sie es erleichtern, Dinge zu "teilen" und effizienter zu nutzen, zum Beispiel Autos. Deren Produktion beansprucht besonders viele Ressourcen. Eine Möglichkeit zur Verringerung des Ressourcenbedarfs sind Carsharing-Modelle. Diese werden bereits heute durch IT-Anwendungen erleichtert: Wer ein Auto braucht, kann in vielen deutschen Städten mit dem Smartphone ermitteln, wo der nächste Wagen steht. Im Auto selbst können Sensoren und Datenübertragungstechnik der Anbieterfirma beim Flottenmanagement und bei der Wartung helfen.
Weiterführende Links
Bundesforschungsministerium: Industrie 4.0 https://www.bmbf.de/bmbf/de/forschung/digitale-wirtschaft-und-gesellschaft/industrie-4-0/industrie-4-0.html
Umweltbundesamt: Industrie
https://www.umweltbundesamt.de/tags/industrie
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