Buy now, pay later – Kleinkredite als Verschuldungsrisiko für Jugendliche
Neue Bezahlformen - neue Risiken
Wie groß ist das Problem der Verschuldung unter Jugendlichen?
In der Trendstudie Jugend in Deutschland 2022/2023 gaben 20 Prozent aller Jugendlichen an, Schulden zu haben. Anders als ältere Menschen haben junge Menschen vor allem Schulden bei Telekommunikations- und Online-Handelsunternehmen.
Überwiegend handelt es sich dabei um geringe Summen. 2021 betrugen die Schulden bei Online- und Versandhändler*innen im Durchschnitt 587 Euro, sie machten insgesamt zwei Prozent der gesamten durchschnittlichen Schulden in Deutschland aus.
Das bedeutet allerdings nicht, dass diese Schulden deshalb harmlos sind. Gerade weil junge Menschen oft wenig Geld zur Verfügung haben, kann sie das Abbezahlen geringer Schulden finanziell überfordern. Das Geld, das in das Abbezahlen der Kredite und in die Zinsen fließt, fehlt dann an anderer Stelle, etwa für notwendige Ausgaben wie Miete, Strom und Lebensmittel oder um am sozialen Leben teilnehmen zu können, für Sport, Ausflüge, Kino oder Theater.
Reichen die monatlichen Einnahmen nicht mehr aus, um die laufenden Kosten, Rechnungen und Raten für Kredite zu bezahlen, wird es kritisch. Werden Rechnungen oder Kreditraten nicht pünktlich bezahlt, kann dies zu teuren Mahnkosten oder Inkasso-Gebühren führen.
Langfristig droht die Sperrung von Konten und, weil Unternehmen und Banken Informationen über Zahlungsausfälle weitergeben, ein schlechtes Rating bei Agenturen wie der Schufa, die solche Daten sammeln. Dies kann dazu führen, dass es viel schwieriger wird, in Zukunft einen Kredit aufzunehmen oder eine Wohnung zu mieten, da dafür häufig die Informationen solcher Agenturen vorgelegt werden müssen. Aber Schulden belasten nicht nur das Konto, sondern auch die Gesundheit. Eine schlechte finanzielle Situation und ständige Sorgen, ob laufende Kosten und Rechnungen bezahlt werden können, sind auch psychisch sehr belastend.
Welche neuen Bezahlformen gibt es?
Die Möglichkeit, Waren im Internet (oder aus Versandkatalogen) zu kaufen und erst später zu bezahlen, gibt es schon lange: den klassischen Rechnungskauf. In diesem Fall versendet der Händler die Ware und der Kunde oder die Kund*in erhält eine Rechnung, die er/sie bis zu einem bestimmten Zeitpunkt bezahlen muss – meist sind das 14 Tage. In Deutschland haben Verbraucher*innen das Recht, Waren, die sie online oder per Versand kaufen, innerhalb von 14 Tagen zurückzusenden.
Solch ein Rechnungskauf bietet daher für den oder die Käufer*in wenig Risiken: Falls die Ware bis zur Fälligkeit der Rechnung nicht bezahlt werden kann, kann sie immer noch zurückgeschickt werden und es entstehen keine Kosten. Das Risiko des Rechnungskaufs liegt vor allem bei den Händler*innen. Falls der oder die Käufer*in nicht bezahlt, müssen sie sich selbst darum kümmern, wie sie an ihr Geld kommen. Deshalb bieten viele Händler*innen keinen oder nur in Ausnahmefällen einen Kauf auf Rechnung an.
Dafür haben sich über die vergangenen Jahre viele neue Finanzierungsangebote für Einkäufe im Internet entwickelt. Sie sollen Händler*innen und Verbraucher*innen Sicherheit bieten. Aber sie sollen auch den Absatz stärken, also potenzielle Kund*innen dazu anregen, leichter und mehr Waren zu kaufen – selbst dann, wenn sie gerade eigentlich kein Geld dafür haben.
Diese Finanzierungsmodelle werden in den meisten Fällen nicht, wie im Fall des klassischen Rechnungskaufs, von den Händler*innen selbst angeboten, sondern von spezialisierten Finanzunternehmen wie Paypal oder Klarna. Diese wickeln für die Verkäufer*innen die Bezahlung ab.
Für Verbraucher*innen scheint das zunächst viele Vorteile zu haben. So gibt es oft die Möglichkeit, die Ware direkt zu kaufen, aber erst 30 Tage oder noch später zu bezahlen („Buy now, pay later“), oder direkt einen kleinen Kredit abzuschließen und die Ware in Raten über die nächsten Monate abzubezahlen.
Diese Angebote klingen für die Kund*innen oft verlockend: Da lässt sich die neue Hose oder das neue Kleid kaufen, das gerade im Sale ist, selbst wenn gerade zu wenig auf dem Konto ist. Und das, so werben die Anbieter, ohne zusätzliche Kosten: „Keine Extrakosten“, versprechen sie, oder „0 % Zinsen“.
Was die Kund*innen oft nicht wissen: Anders als beim klassischen Rechnungskauf gehen sie in diesen Fällen einen Vertrag mit dem Zahlungsdienstleister ein, mit dem die Händler*innen zusammenarbeiten, im Fall von Krediten manchmal auch mit einer Bank.
Wenn die Summe bis zum Ablauf der Frist bezahlt wird, entstehen dabei keine Probleme und auch keine zusätzlichen Kosten. Anders sieht es aus, wenn nach Ablauf der Frist nicht bezahlt werden kann. Zwar bieten Zahlungsdienstleister wie Paypal oder Klarna oft die Möglichkeit, die Zahlung noch weiter nach hinten zu verschieben oder zu pausieren. Oft entstehen dafür aber zusätzliche Kosten.
Vor allem aber birgt das Angebot, auch bei nicht ausreichenden finanziellen Mitteln einzukaufen und Zahlungen weit in die Zukunft zu schieben, die Gefahr, die Übersicht über die eigenen Finanzen zu verlieren – um irgendwann zu merken, dass die Rechnungen und Kredite, die sich angehäuft haben, mit den laufenden Einnahmen gar nicht mehr bezahlt werden können.
Während Kredite oder Schulden an sich nicht problematisch sind, solange sie pünktlich bezahlt werden können, ist Überschuldung – im Unterschied zur Verschuldung – ein großes Problem. Denn können die Rechnungen nicht mehr beglichen werden, führt das zu Mahn- und Inkassoverfahren, Kontosperrungen und negativen Einträgen bei Dienstleistern wie der Schufa (Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung). Diese können gerade jungen Menschen große Probleme verursachen, denn mit einem negativen Schufa-Eintrag ist es schwerer, eine Wohnung zu mieten, einen Handyvertrag abzuschließen oder später noch einmal einen Kredit zu bekommen.
Vor allem für Menschen mit einem geringen Einkommen ist das Risiko hoch, in die Überschuldung zu rutschen. Das betrifft auch viele junge Menschen. Gleichzeitig sind insbesondere junge Menschen Zielgruppe von personalisierten und teils intensiven Marketing- und Werbemaßnahmen der Konsumgüterindustrie. Sie steigern das Bedürfnis, bestimmte Waren zu kaufen, wie Kleidung oder elektronische Geräte. Daher richten sich viele der Angebote für „Buy now, pay later“ oder ähnliche Finanzierungsmodelle gezielt an junge Menschen. Für viele junge Menschen stellt es jedoch eine Herausforderung dar, mit diesen Angeboten bewusst umzugehen und nicht mehr zu kaufen, als sie sich leisten können.
Auch wenn junge Menschen weniger Erfahrung im Umgang mit den eigenen Finanzen haben, zeigen Umfragen, dass ihnen die meisten der Risiken von Verschuldung bewusst sind: In einer Umfrage der Schufa gaben 88 Prozent an, dass sie bei „Buy now, pay later“-Angeboten ein hohes Risiko sehen, den Überblick über die eigenen Finanzen zu verlieren, und 82 Prozent fürchteten, dass solche Angebote dazu verleiten können, vorschnell Dinge zu kaufen, die gar nicht gebraucht würden.
Während eine große Mehrheit angibt, vorsichtig im Umgang mit diesen Angeboten zu sein und darauf zu achten, die finanziellen Möglichkeiten und fällige Zahlungen im Blick zu behalten, gibt es aber auch junge Menschen, die angesichts der neuen Möglichkeiten überfordert sind. Fast die Hälfte der jungen Menschen gab in der Studie an, die Zahlungsfrist bei „Buy now, pay later“-Angeboten schon einmal vergessen zu haben, und 19 Prozent fehlte in einem solchen Fall das Geld, um zu bezahlen.
Welche Lösungsmöglichkeiten gibt es?
In Deutschland gibt es bereits viele Regeln, die Verbraucher*innen schützen. Dazu gehört zum Beispiel das Recht, den Kaufvertrag über Waren, die online oder über einen Katalog gekauft wurden, innerhalb von 14 Tagen zu widerrufen, die Waren also zurückzugeben und sein Geld erstattet zu bekommen. Auch müssen die Händler*innen den Käufer*innen alle relevanten Informationen zur Ware und zum Vertrag zur Verfügung stellen.
Allerdings ändern sich die Angebote im Online-Handel sehr schnell, und es kommen immer wieder neue Möglichkeiten des Kaufes und der Finanzierung hinzu, die von den bisherigen Regeln nicht abgedeckt sind. Oft handelt es sich um legale „Tricks“, die die Käufer*innen zu mehr Käufen anregen sollen. Dazu gehören etwa „Dark Patterns“, Designs oder Prozesse in Apps oder auf Webseiten, die Besucher*innen durch das Ausnutzen psychologischer Mechanismen dazu bringen sollen, mehr Käufe zu tätigen oder Daten preiszugeben.
Regeln im Verbraucherschutz müssen daher immer wieder neu angepasst werden. Dies gilt auch für die neuen Finanzierungsmechanismen wie „Buy now, pay later“-Angebote oder Minikredite für Konsumgüter. Diese sind bisher nicht unter die Richtlinien gefallen, die sonst für Kredite gelten, und konnten daher ohne weitere Prüfung angeboten oder abgeschlossen werden.
2023 haben die Länder der EU eine neue EU-Rahmenrichtlinie für Verbraucherkredite beschlossen, die Verbraucher*innen im Internet besser schützen soll. So sollen in den meisten Fällen künftig auch für kleine Kredite unter 200 Euro strengere Regeln gelten.
Die Richtlinie ist im November 2023 in Kraft getreten, die EU-Mitgliedsstaaten haben nun zwei Jahre Zeit, um sie in nationales Recht zu übersetzen. Neben strengeren Regeln sieht die Richtlinie auch vor, dass die EU-Länder ihren Bürger*innen kostenlose Beratungsangebote zur Verfügung stellen.
Mehr Bildung zu Finanz- und Wirtschaftsthemen fordern Verbraucherschutzorganisationen seit Langem. Eine Umfrage der Verbraucherzentralen zeigt, dass das auch die Bürger*innen so sehen: Eine große Mehrheit von 85 Prozent ist der Meinung, dass der Umgang mit Geld und Versicherungen in der Schulbildung bisher nicht ausreichend berücksichtigt werde und eine größere Rolle spielen solle.
Die Notwendigkeit, insbesondere jungen Menschen mehr Wissen und Orientierung angesichts der unübersichtlichen Möglichkeiten der neuen Online-Shopping-Welt zu geben, sehen auch die Bildungsminister*innen der Länder: Auf der Kultusministerkonferenz 2013 haben sie beschlossen, Verbraucherbildung in die Lehr– und Bildungspläne aufzunehmen. Jugendliche sollen also schon in der Schule lernen, das eigene Kauf- und Finanzverhalten kritisch zu überdenken und beim Einkaufen bewusste Entscheidungen zu treffen.
Was kann ich selbst tun?
Angesichts der zahlreichen Möglichkeiten, online einzukaufen und der neuen Finanzierungsangebote, die dieses Angebot begleiten, ist es nicht einfach, den Überblick über die eigenen finanziellen Möglichkeiten zu behalten.
Gerade für junge Menschen, die oft einen geringen finanziellen Spielraum haben, ist es daher wichtig, den Umgang mit den eigenen Finanzen und eine nachhaltige Form des Konsums zu lernen. Dazu gehört im ersten Schritt, die eigenen Konsumwünsche zu überdenken und mit Werbung und Angeboten kritisch umzugehen. Das bedeutet unter anderem, sich zu fragen: Was brauche ich wirklich? Was ist mir das Wichtigste, wenn ich mir nicht alle Wünsche erfüllen kann? Wie können Bedürfnisse auch ohne zusätzlichen Konsum gedeckt werden? Können Dinge auch geliehen, getauscht oder kostenlos genutzt werden? Dies hilft nicht nur gegen Verschuldung, sondern auch gegen unnötigen Konsum, der die natürlichen Ressourcen stark belastet.
Insbesondere beim Online-Kauf gilt es, bedacht zu handeln und Spontankäufe, die oft durch Werbung oder kurzfristige „Angebote“ ausgelöst werden, zu vermeiden. Eine Nacht darüber zu schlafen und verschiedene Angebote zu prüfen, bevor man sich für den Kauf entscheidet, hilft gegen übereilte Käufe. Die Verbraucherzentralen geben Tipps, wie Einkäufe im Internet sicher ablaufen und wie Risiken auch im Fall von „Buy now, pay later“ verringert werden können.
Für junge Menschen ist es wichtig, zu lernen, gut mit den eigenen Finanzen umzugehen. Dafür gibt es online zahlreiche Angebote, etwa den Finanzführerschein der Schuldnerberatung Essen, die Wirtschaftswerkstatt der Schufa oder das Bildungsmaterial der Stiftung Warentest.
Budget-Apps auf dem Handy oder Computer können helfen, Einnahmen und Ausgaben zu erfassen und den Überblick zu behalten, wie viel Geld pro Monat ausgegeben werden kann, ohne sich zu verschulden.
Wer dabei feststellt, dass er zu viel ausgegeben hat oder gar überschuldet ist und Rechnungen nicht mehr bezahlen kann, sollte sich baldmöglichst Hilfe suchen. Sozialberatungsstellen, insbesondere Schuldenberatungsstellen helfen kostenlos, bei finanziellen Schwierigkeiten eine Lösung zu finden und solche Fallen in Zukunft zu vermeiden.
Weiterführende Informationen
Material herunterladen
- Kein Stress bei Online-Käufen! (Variante für Fortgeschrittene) - GS (PDF - 116 KB)
- Kein Stress bei Online-Käufen! (Basisvariante) - GS (PDF - 114 KB)
- Wie fair sind Online-Shops zu ihren Kund*innen? (Variante für Fortgeschrittene) - SK (PDF - 88 KB)
- Wie fair sind Online-Shops zu ihren Kund*innen? (Basisvariante) - SK (PDF - 146 KB)