26.01.2017 | Hintergrund

Das Stromnetz und Stromleitungen – Umwelt und Gesundheit

Eine Stromtrasse durch einen Wald.
Grundschule, Sekundarstufe

Schon heute tragen erneuerbare Energiequellen zu rund 30 Prozent der insgesamt in Deutschland erzeugten Strommenge bei. Künftig soll Strom in Deutschland vollständig aus erneuerbaren Energien erzeugt werden. Für diese sogenannte Energiewende müssen auch die Stromnetze ausgebaut werden. Welche möglichen Auswirkungen hat der Netzausbau auf Umwelt und Gesundheit? Welche Schutzmaßnahmen gibt es?

Bisher versorgen Kraftwerke ihre jeweilige Umgebung mit Strom. Dagegen wird zum Beispiel Strom aus Windkraft vor allem im Norden und Osten Deutschlands erzeugt, denn dort finden sich gute Windbedingungen. Der größte Bedarf an Strom herrscht aber weiterhin im Süden und Westen Deutschlands, wo sich besonders viele große Industriebetriebe befinden. 

Um den Strom von den Erzeugern über große Entfernungen zu den Verbrauchern zu bringen, muss das Netz aus Hochspannungsleitungen ausgebaut werden. 

Der Netzausbau dient dem Umstieg auf erneuerbare Energien und somit dem Klimaschutz, jedoch sind auch negative Folgen für Mensch und Umwelt möglich. Die menschliche Gesundheit könnte durch Hochspannungsleitungen beeinträchtigt werden. Denn unter anderem erzeugen die Leitungen elektrische und magnetische Felder, die den Körper beeinflussen können. Zudem ist der Bau von Stromleitungen mit Eingriffen in die Natur verbunden und verändert das Landschaftsbild.

Bei konkreten Bauvorhaben kommt es immer wieder zu Konflikten, weil verschiedene Gruppen die aus ihrer Sicht negativen Folgen vermeiden wollen. 

Netzausbau: Was soll gebaut werden?

Unser Alltag und die Wirtschaft sind in hohem Maße von der Versorgung mit elektrischem Strom abhängig. Daher sind auch Stromleitungen allgegenwärtig. Sie verbinden Stromerzeuger mit den Verbrauchern, allerdings in der Regel nicht direkt. Die Leitungen sind miteinander verbunden und bilden ein Netz. Strom wird von verschiedenen Erzeugern ins Netz eingespeist, zum Beispiel von Kraftwerken oder Windparks. Auch die verschiedenen Verbraucher sind an das Netz angeschlossen.

In der Steckdose zu Hause kommt der Strom mit einer Spannung von 230 Volt an. Die elektrische Spannung wird in der Einheit Volt (Einheitenzeichen: V) angegeben, bei hohen Spannungen auch in Kilovolt, kurz kV. Ein Kv sind 1.000 V. 230 V sind eine vergleichsweise niedrige Spannung. Haus- und Gewerbeanschlüsse weisen in der Regel eine Spannung bis zu 1000 V auf. Bei einer Spannung von bis zu 1.000 V sprechen Fachleute von Niederspannung. 

Für den Transport von Strom über weite Strecken werden dagegen sehr hohe Spannungen verwendet, in der Regel 220 kV oder 380 kV. Hohe Spannungen sind für die Übertragung elektrischer Energie günstiger, weil dabei weniger Energie durch den Widerstand des Leiters verloren geht. 

Beim Neubau von Stromtrassen im Rahmen des Netzausbaus geht es um das Netz aus Hochspannungsleitungen, das sogenannte Übertragungsnetz. Es dient dem überregionalen Transport von Strom. Der sogenannte Netzentwicklungsplan sieht vor, dass mehrere tausend Kilometer neue Stromtrassen gebaut werden müssen. Der Netzentwicklungsplan wird von den Firmen erstellt, welche die Übertragungsnetze betreiben. Grundlage ist die wahrscheinliche Entwicklung von Stromerzeugung und Strombedarf. Die Pläne werden von der Bundesnetzagentur geprüft. 

Hochspannungsleitungen können in Form von sogenannten Freileitungen oder als Erdkabel verlegt werden. Bei Freileitungen werden sogenannte Seile als elektrische Leiter verwendet. Im Unterschied zu Kabeln sind sie nicht von einer isolierenden Schicht umgeben. Sie werden an hohen Masten aufgehängt, unter anderem um Berührungen und Gefahren durch Stromschläge für Menschen zu vermeiden. 

Stromleitungen und Strahlenbelastung

Alle elektrischen Leitungen, an denen eine Spannung anliegt, sind von elektrischen Feldern umgeben. Fließt in der Leitung Strom, entstehen zusätzlich magnetische Felder. Die Kräfte eines elektrischen Feldes können die Oberfläche von Materialien und auch den menschlichen Körper elektrisch aufladen. Die Stärke des Feldes hängt von der Stärke der Spannung, dem Abstand und dem Material zwischen den Leitern ab. 

Ladungen verursachen elektrische Felder. Die Publikation des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) "Strahlenschutz konkret: Elektrische und magnetische Felder der Stromversorgung" enthält weitere Abbildungen. 

Wenn Strom fließt, das heißt, wenn in der Leitung elektrische Ladungen bewegt werden, entsteht zusätzlich ein magnetisches Feld. Je größer die Stromstärke, desto höher die magnetische Feldstärke. Diese wird üblicherweise in der Einheit der magnetischen Flussdichte Tesla (T) angegeben.

Für die Stromversorgung wird in der Regel Wechselstrom verwendet. In Deutschland hat er eine Frequenz von 50 Hertz (Hz). Dies bedeutet, dass der Strom 100 Mal pro Sekunde seine Richtung ändert. Im gleichen Rhythmus wie der Strom wechseln auch die elektrischen und magnetischen Felder ihre Richtung. 

Elektrische und magnetische Felder gehören zum elektromagnetischen Spektrum. Dieses wird anhand der Frequenz und der Wellenlänge in verschiedene Bereiche eingeteilt (siehe Abbildung). Da sich die Frequenz von 50 Hz im unteren Bereich des elektromagnetischen Spektrums befindet, werden die 50-Hz-Felder als "niederfrequent" bezeichnet.

Funkanwendungen wie WLAN oder Mobilfunk verwenden hochfrequente Felder. Diese sind ebenfalls Teil des elektromagnetischen Spektrums. In Richtung auf höhere Frequenzen folgt dann die optische Strahlung. Noch sehr viel höhere Frequenzen hat die sehr energiereiche ionisierende Strahlung (zum Beispiel Röntgenstrahlung oder Gammastrahlung von radioaktiven Stoffen). 

 

Quelle: Bundesamt für Strahlenschutz (BfS)

Wichtig für die gesundheitliche Wirkung der elektrischen und magnetischen Felder ist die Tatsache, dass sie im Gegensatz zur ionisierenden Strahlung nicht genügend Energie besitzen, um Elektronen aus der Hülle von Atomen und Molekülen herauszuschlagen. Elektrische und magnetische Felder gehören somit zur sogenannten nichtionisierenden Strahlung. Sie können zum Beispiel Körperzellen nicht direkt schädigen und Krebs auslösen.

Wie können Stromleitungen die Gesundheit beeinflussen?

Von außen einwirkende elektrische und magnetische Felder können im menschlichen Körper zusätzliche elektrische Felder erzeugen. Im Körper kommen bereits natürliche elektrische Felder und Ströme vor. Zum Beispiel leiten Nerven ihre Signale in Form von elektrischen Impulsen weiter. Auch das Herz ist elektrisch aktiv. 


Elektrische Wechselfelder führen zu einer Aufladung der Körperoberflächen. Die Hauptauswirkungen magnetischer Wechselfelder sind mehr oder weniger ausgeprägte Wirbelfelder im inneren des menschlichen Körpers. Die Publikation des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) "Strahlenschutz konkret: Elektrische und magnetische Felder der Stromversorgung" enthält weitere Abbildungen.

Bleiben die von außen zusätzlich erzeugten Felder schwach, haben sie nach dem heutigen wissenschaftlichen Kenntnisstand keine nachteilige Wirkung. Werden im Körper Felder über bestimmten Schwellenwerten erzeugt, können gesundheitliche Wirkungen auftreten (siehe nachfolgende Tabelle). Starke Felder können Nerven und Sinneswahrnehmungen beeinflussen. Sehr starke elektrische Felder im Körper können akute Schäden auslösen, zum Beispiel am Herzen. 

Quelle: BfS, Strahlenschutz konkret (12/2016), S. 4

Die genannten gesundheitlichen Wirkungen bei hohen Feldstärken sind wissenschaftlich unstrittig. Für niedrigere Feldstärken werden verschiedene mögliche Folgen für die Gesundheit im Zusammenhang mit elektrischen und magnetischen Feldern diskutiert. Zum Beispiel wird untersucht, ob die Felder zu einem erhöhten Auftreten von Alzheimer oder ALS führen. Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine Erkrankung des Nervensystems. Einige Studien deuten auf einen Zusammenhang hin, andere jedoch nicht.

Auch mögliche Zusammenhänge zwischen Krebserkrankungen bei Erwachsenen und Magnetfeldern geringer Intensität wurden untersucht. In den meisten bisherigen Studien wurde kein erkennbarer Zusammenhang gefunden. Anders ist dies bei der Leukämieerkrankung bei Kindern – glücklicherweise eine seltene Erkrankung. Hier fanden mehrere epidemiologische Studien ein erhöhtes Risiko, an Leukämie zu erkranken, wenn die Kinder dauerhaft überdurchschnittlich hohen, aber unter den Grenzwerten liegenden Magnetfeldern ausgesetzt waren. Die Magnetfeldbelastung, ab der ein erhöhtes Leukämierisiko beobachtet wurde, kommt in deutschen Haushalten aber selten vor. In den Studien wurden teilweise die häuslichen Gesamt-Magnetfeldbelastungen gemessen. Hochspannungsleitungen in Wohnungsnähe können dazu einen Teil beitragen. In den meisten Wohnungen in Deutschland ist der von Hochspannungsleitungen verursachte Anteil allerdings vergleichsweise gering. Den größeren Beitrag leisten üblicherweise Hausinstallationen und Elektrogeräte. Hinzu kommt, dass nicht bekannt ist, wie der Einfluss der Magnetfelder auf das Leukämie-Risiko zustande kommen könnte. Der Zusammenhang zwischen Magnetfeldern und der Leukämie bei Kindern bedarf weiterer Untersuchungen.

Zudem wird die sogenannte Elektrosensibilität wissenschaftlich untersucht. Demnach bezeichnen sich etwa zwei Prozent der deutschen Bevölkerung als elektrosensibel. Sie führen unterschiedliche Beschwerden auf das Vorhandensein elektrischer und magnetischer Felder in ihrer Umwelt zurück, zum Beispiel Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Müdigkeit und Konzentrationsstörungen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen elektrischen und magnetischen Feldern und den Beschwerden konnte wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden.

Niederfrequente elektrische und magnetische Felder werden auch durch Haushaltsgeräte und Elektroinstallationen im Haus erzeugt. Zum Beispiel können unmittelbar an der Oberfläche von Küchen- oder Bohrmaschinen relativ hohe Feldstärkewerte auftreten. Sie nehmen mit jedem Zentimeter Entfernung vom Gerät erheblich ab. Die Feldstärken im Haushalt liegen in der Regel weit unterhalb der Werte, die Gesundheitswirkungen auslösen können. Eine Tabelle mit magnetischen Flussdichten von Haushaltsgeräten bietet das Bundesamt für Strahlenschutz auf seiner Internetseite an.

Diskussionen über Netzausbau-Vorhaben

Neben möglichen gesundheitlichen Folgen bringt der Bau von Hochspannungsleitungen weitere Beeinträchtigungen mit sich. Die Planung von Trassen führt daher immer wieder zu Diskussionen und Kritik von verschiedenen Seiten.

Zum Beispiel, wenn betroffene Anwohnerinnen und Anwohner fordern, dass eine Trasse mit möglichst großem Abstand zu Wohngebieten gebaut wird, zum Beispiel durch einen Wald. Das jedoch kann aus Sicht der Forstwirtschaft und des Naturschutzes problematisch sein.

Auch Erdkabel können für Konflikte sorgen. Denn beim Bau werden relativ große Flächen beansprucht, und der Boden wird beeinträchtigt.

Der Leitungsbau betrifft Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt in vielfältiger Weise. Während der Bauphase können Pflanzen beschädigt und Tiere verletzt oder getötet werden. Zudem wird ihr Lebensraum beeinträchtigt oder sogar zerstört, wenn Vegetation entfernt und Boden ausgehoben wird. Auch der Lärm in der Bauphase kann Tiere stören.

Durch die Anlage selbst entstehen unter anderem Schneisen, die für die Leitungen stetig offengehalten werden müssen. So verändert sich der Lebensraum dauerhaft. Das ist besonders problematisch, wenn schützenswerte Gebiete oder Gewässer von Leitungen durchquert werden müssen. Auch das Landschaftsbild wird verändert, vor allem durch Freileitungen.

Lösungsansätze – von Strahlenschutz bis Naturschutz

Wie sich einzelne Netzausbau-Vorhaben auswirken, muss von Fall zu Fall beantwortet werden. Es gibt keine Lösung, die in jeder Hinsicht ideal ist. Erdkabel stellen zum Beispiel im Gegensatz zu Freileitungen kein Hindernis für Zugvögel dar. Allerdings sind für ihren Bau Erdarbeiten nötig, die unter anderem das Grundwassersystem beeinflussen können.

Per Gesetz sind daher sogenannte Umweltverträglichkeitsprüfungen beim Netzausbau vorgesehen. Es gibt gesetzlich definierte Schutzgüter, die dabei beachtet werden müssen: 

  • Menschen, einschließlich der menschlichen Gesundheit
  • Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt
  • Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft
  • Kulturgüter und sonstige Sachgüter 

Zum Schutz der menschlichen Gesundheit gelten gesetzlich festgelegte Grenzwerte für Anlagen der Stromversorgung. Dazu zählen neben Hochspannungsleitungen auch Umspannwerke und Trafostationen. Die elektrischen und magnetischen Felder dürfen in Bereichen, in denen sich Menschen häufig oder länger aufhalten, bestimmte Stärken nicht überschreiten. 

Grundsätzlich gilt, dass die Stärke elektrischer und magnetischer Felder mit der Entfernung abnimmt. Elektrische Felder können zudem gut abgeschirmt werden, zum Beispiel durch gängige Baumaterialien für Häuserwände oder das Erdreich. Eine Abschirmung gegen äußere Magnetfelder ist nur mit großem Aufwand möglich.

Die Belastung der Bevölkerung durch elektrische und magnetische Felder kann demnach beim Bau von Stromtrassen gering gehalten werden, indem ausreichende Abstände zu Wohngebäuden eingehalten werden. 

Auch wenn die Grenzwerte eingehalten werden, rät das Bundesamt für Strahlenschutz generell zur Vorsorge. Die Belastung durch elektrische und magnetische Felder sollte so gering wie möglich sein. Dies gilt sowohl für Hochspannungsleitungen als auch im Haushalt und im Alltag. Neue Stromtrassen sollten demnach möglichst nicht durch Wohngebiete geführt werden. 

Die novellierte 26. Bundesimmissionsschutzverordnung (26. BImSchV) sieht für 50-Hz-Freileitungen mit einer Nennspannung von 220 kV und mehr, die in einer neuen Trasse errichtet werden, ein Überspannungsverbot vor. Das bedeutet: Trassen für neue Höchstspannungsleitungen mit Wechselstromtechnik müssen aus Vorsorgegründen so geplant werden, dass die Leitungen nicht über Gebäude oder Gebäudeteile, die zum dauerhaften Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, hinwegführen.

Für die meisten Menschen verursachen nicht Hochspannungsleitungen, sondern Elektroinstallationen und Geräte im Alltag und im Haushalt den größten Teil ihrer Belastung. Bei Elektroinstallationen sollten die Feldstärken möglichst gering gehalten werden. Leitungen mit starken Strömen, die zum Beispiel mehrere Wohnungen versorgen, sollten mit möglichst großem Abstand zu Aufenthaltsräumen verlegt werden. Bei der Nutzung von elektrischen Geräten kann die Belastung ebenfalls gering gehalten werden, wenn Abstände zu den Feldquellen eingehalten werden. Das gilt zum Beispiel auch für das Aufstellen von Radioweckern oder Babyphonen neben dem Bett. Elektrische Geräte sollten nach Gebrauch vollständig abgeschaltet werden und nicht im "Standby"-Modus laufen. 

Beim Ausbau bestehende Infrastruktur beachten

Bei der Netzplanung gilt das Prinzip, dass die Verbesserung bestehender Leitungen Vorrang vor dem Ausbau oder Neubau hat. Und wenn es möglich ist, sollen neue Freileitungen parallel zu bestehenden Infrastrukturen gebaut werden. Das können bereits vorhandene Leitungen, Straßen oder Schienen sein. 

Auch nachdem eine Stromleitung gebaut ist, bleiben Wirkungen auf die Umwelt. Trassen müssen gepflegt werden, damit zum Beispiel nachwachsende Pflanzen die Leitung nicht beschädigen. Das sogenannte ökologische Trassenmanagement soll dazu dienen, die negativen Folgen dieser Maßnahmen so gering wie möglich zu halten. 

Weiterführende Links

Bundesamt für Strahlenschutz: Strahlenschutz beim Ausbau der Stromnetze http://www.bfs.de/DE/themen/emf/netzausbau/netzausbau_node.html 

Bundesumweltministerium: Netzausbau mit der Natur
https://www.bmu.de/publikation/netzausbau-mit-der-natur-fruehzeitige-beteiligung-macht-es-moeglich/

Bundesnetzagentur: netzausbau.de – Wissenswertes
https://www.netzausbau.de/wissenswertes/de.html

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