05.11.2020 | Hintergrund

Indigene Völker, Menschenrechte und nachhaltige Entwicklung

Grundschule, Sekundarstufe

Die Folgen des Klimawandels und der Umgang damit sind seit vielen Jahren das herausragende Thema der Umweltpolitik. Die sogenannten indigenen Völker spielen in der öffentlichen Debatte nur am Rande eine Rolle. Doch zunehmend verschaffen sie sich Gehör und werden wahrgenommen.

Aufgrund des fortschreitenden Klimawandels befinden sich indigene Völker in einer sehr schwierigen und unverschuldeten Situation: Sie haben ihre angestammten Lebensweisen beibehalten und daher kaum zum Klimawandel beitragen, jedoch sind sie von seinen Folgen oftmals in besonderem Maße betroffen.

Gleichzeitig verfügen sie durch das enge Verhältnis zur Natur ihrer Jagd- und Siedlungsgebiete oft über einzigartiges Wissen, das beim Klimaschutz und der Anpassung an den Klimawandel helfen kann.

Wie ist die Situation indigener Völker?

Weltweit leben rund 370 Millionen Menschen, die als Angehörige indigener Völker gelten, so die Vereinten Nationen. Es gibt mehr als 5.000 indigene Bevölkerungsgruppen in über 90 Ländern.

Als indigene Völker werden – kurz gesagt – Bevölkerungsgruppen bezeichnet, die seit langer Zeit im selben Naturraum leben und eine meist eng an die natürliche Umwelt angepasste Lebensweise beibehalten haben. Früher wurden solche Gruppen oft "Ureinwohner" oder "Naturvölker" genannt. Der Begriff "indigene Völker" wurde von den Vereinten Nationen geprägt, eine offizielle Definition gibt es jedoch nicht (Details siehe nächster Abschnitt).

Zu den indigenen Völkern gehören zum Beispiel die Lakota in den USA, die Maya in Guatemala, die Saami in Nordeuropa, die Buschleute im südlichen Afrika, die Aborigines in Australien und die Maori in Neuseeland.

Die besonderen Lebensweisen indigener Völker sind aus verschiedenen Gründen wertvoll. Zwar haben sie einen Anteil von nur fünf Prozent an der Weltbevölkerung. Doch die kulturelle Vielfalt ist immens – sie sprechen 4.000 der weltweit 7.000 Sprachen.

Und sie sind für die Biodiversität von großer Bedeutung. In den Gebieten, in denen indigene Völker leben und wirtschaften, kommt circa 80 Prozent der weltweiten Biodiversität vor, so die Vereinten Nationen. Oft werden sie daher als "Wächter" der Biodiversität bezeichnet.

Sie haben ein spezielles Verhältnis zu ihren angestammten Gebieten. Die schonende Nutzung des Lands und der natürlichen Ressourcen sichert ihre Lebensgrundlagen. Sie verfügen oft über ein einzigartiges Wissen über die Natur. Dazu gehört, die natürlichen Ressourcen zu erhalten und nachhaltig zu nutzen.

Gleichzeitig sind indigene Völker weltweit mit ähnlichen Problemen konfrontiert. Sie gehören zu den am stärksten benachteiligten und gefährdeten Gruppen, so die Vereinten Nationen. Vielerorts werden ihre Rechte verletzt. Obwohl sie nur fünf Prozent der Weltbevölkerung ausmachen, haben Indigene einen Anteil von 15 Prozent an den Menschen, die weltweit als arm gelten.

In vielen Ländern werden sie diskriminiert und aus ihren angestammten Gebieten vertrieben. Häufig sind sie Gewalt und anderen Rechtsverletzungen ausgesetzt. Oft sind sie die Opfer von Konflikten um die Nutzung von Ressourcen. Vielerorts kommt es zu Gewalt im Zusammenhang mit den Aktivitäten von Agrar- und Bergbauunternehmen oder großen Bauprojekten. Auch die langfristigen Folgen des Verlustes der kulturellen Identität und die Abschiebung ins gesellschaftliche Abseits sind nicht zu unterschätzen.

Was sind "indigene Völker"?

Die Vereinten Nationen betonen, dass indigene Völker sehr vielfältig sind. Sie haben daher keine offizielle Definition für „indigene Völker“, sondern verfolgen den Ansatz, dass das Selbstverständnis und die Identität entsprechender Gruppen maßgeblich sind.

Indigene Völker betrachten sich demnach selbst als Volk mit eigenständigen Merkmalen und sind entschlossen, diese zu bewahren. Sie sprechen eine eigene Sprache und bewahren Lebens- und Wirtschaftsweisen, die anders sind als die der Gesellschaften, in denen sie leben. Dazu gehört eine starke Verbindung zum Lebensraum und dessen natürlichen Ressourcen. Sie sind Nachkommen von Völkern, die den Lebensraum ursprünglich bewohnten, bevor Menschen anderer Kulturen einwanderten. Die Indigenen wurden zur Minderheit, während die anderen Gruppen sich meist zur dominanten Bevölkerung entwickelten.

Die Beziehung indigener Völker zur Natur

Die Lebensweise indigener Völker ist von der Beziehung zur Natur in ihren Lebensräumen geprägt. Die Beziehung ist wechselseitig. Einerseits hängt das Überleben der Menschen von ihrer natürlichen Umgebung ab. Andererseits haben indigene Gruppen über viele Jahrhunderte Wissen über die Natur und natürlichen Zusammenhänge in ihren Lebensräumen angeeignet. Dieses Wissen ist die Basis dafür, diese natürlichen Ressourcen nachhaltig zu nutzen.

Doch auch hier ist eine differenzierte Sichtweise wichtig. Angehörige indigener Völker sind nicht automatisch Naturschützer/-innen. Menschen stehen seit jeher in einer Wechselbeziehung mit der Natur und greifen in Ökosysteme ein. Es gibt Hinweise, dass lange vor der Industrialisierung manche Völker die eigene natürliche Lebensgrundlage zerstört haben, zum Beispiel durch übermäßige Jagd oder Brandrodungen. In der Folge ist dann meist die gesamte Kultur kollabiert. Heute, mit den Mitteln der industrialisierten Gesellschaften, passiert dies allerdings in viel größerem Maßstab.

Indigene Völker und der Klimawandel: Beispiele

Die Folgen des Klimawandels für Australien waren in den vergangenen Jahren im Zusammenhang mit großen Buschfeuern ein Medienthema. Die indigenen Völker Australiens – Aborigines – sind besonders betroffen von diesen Folgen, insbesondere in den abgelegenen Regionen des Kontinents. In Australien führt der Klimawandel wie in vielen anderen Regionen der Welt zu höheren Durchschnittstemperaturen und häufigeren Dürreperioden. Niederschläge werden seltener. Infolge der steigenden Temperaturen sind dort weniger essbare wilde Pflanzen verfügbar ("Bush tucker"). Wetterextreme könnten einige Regionen häufiger vom Rest des Landes abschneiden.

Im Zusammenhang mit den Buschfeuern wurde auch deutlich, dass das einzigartige Wissen der Aborigines helfen könnte, mit den Folgen des Klimawandels umzugehen. Denn seit tausenden Jahren haben auch die Aborigines immer wieder in die Natur des Kontinents eingegriffen, indem sie Feuer legten. Durch überliefertes Wissen und Naturbeobachtung konnten sie diese jedoch sehr gezielt einsetzen, um zum Beispiel vertrocknetes, dichtes Unterholz abzubrennen. Dies verringert das Risiko großer Brände.

In der Arktisregion leben eine Reihe von indigenen Völkern, darunter die Inuit, Samen und Nenzen. In dieser Region macht sich der Klimawandel besonders stark bemerkbar. Die Temperaturen steigen doppelt so stark wie im weltweiten Durchschnitt. Die Eisfläche auf dem Meer nimmt ab; Böden, die dauerhaft gefroren waren, tauen auf. Gleichzeitig wird das Wetter wechselhafter.

Das wirkt sich auf die Tierwelt aus – die Bestände verschiedener Arten wandern und verändern sich. Das hat Folgen für die dort lebenden indigenen Völker, die zum Teil von Fischerei und Jagd abhängig sind. Auch die Bedingungen für die Rentierhaltung verändern sich.

Wenn die Wetterbedingungen wechselhafter werden und von den langfristigen Verhältnissen abweichen, kann das auch eine direkte Gefahr für die Menschen in der Region darstellen. Unter den extremen Bedingungen der Arktis kann es lebenswichtig sein, das Wetter einschätzen zu können und zum Beispiel gegebenenfalls Schutz zu suchen.

Die Klimaforschung bezieht zunehmend das Wissen indigener Völker der Arktis ein. Ihre Beobachtungen über das Wetter und die Veränderungen in der Natur sind in eine Reihe von Studien eingeflossen.

Die Mbororo leben in einer trockenen Region, die sich über mehrere Länder Zentralafrikas erstreckt. Ursprünglich sind sie Nomaden, die mit Vieherden umherziehen. Ihr Lebensraum ist zunehmend von Dürre und Wasserknappheit betroffen, die Wüste breitet sich aus. Die Mbororo nutzen traditionelles Wissen und einige traditionellen Maßnahmen, um mit Dürre umzugehen.

Zum Beispiel lassen sie die Herden nur für kurze Zeit weiden, damit sich die Weiden anschließend erholen können. Sie teilen die Herden auf und halten zunehmend verschiedene Tiere – Ziegen, Kühe, Kamele und andere. Überliefertes Wissen hilft ihnen, die Wetterbedingungen einzuschätzen. Hinweise liefern Beobachtungen in der Natur – zum Beispiel deuten große Früchte einer bestimmten Palme oder viele Nachkommen bestimmter Eidechsen auf gute Bedingungen in der nächsten Zeit hin.

Im Amazonasgebietin Südamerika leben zahlreiche indigene Völker, darunter die Yanomami. Auch hier ist der Klimawandel spürbar. Das hat Folgen für Flora und Fauna, die wiederum Lebensgrundlage der hier lebenden Völker sind. Im Amazonasgebiet haben sich unter anderem die saisonal wiederkehrenden Überschwemmungen verändert und damit die Ablagerung von Sedimenten, die die Bodenfruchtbarkeit fördern. Dadurch haben sich die Fisch- und Schildkrötenbestände verringert. Sie sind Nahrungsquelle für einige indigene Völker. Auch die Verfügbarkeit wilder essbarer Früchte ist zurückgegangen.

Wie können wir das traditionelle Wissen indigener Völker nutzen?

Das einzigartige Wissen indigener Völker anzuerkennen kann dazu beitragen, dass dieses Wissen stärker für die Erhaltung der Umwelt genutzt wird. Das Wissen indigener Völker und wissenschaftliche Erkenntnisse der westlichen Gesellschaften sollten sich dabei ergänzen.

Der Weltklimarat IPCC nennt in seinem Bericht von 2007 das Beispiel der Wasserversorgung in den Anden. Dort haben bereits vor vielen hundert Jahren Menschen das Klima beobachtet und Möglichkeiten entwickelt, das Regenwasser zu nutzen. Dazu gehören Auffang- und Speichersysteme. Dieses Wissen könnte aus heutiger Sicht angesichts des Klimawandels extrem nützlich sein.

Auch afrikanische Völker mussten lernen, mit Umweltveränderungen und Klimaextremen zu leben. In verschiedenen Regionen entwickelten sie zum Beispiel Methoden, die Fruchtbarkeit des Bodens zu erhalten.

Was wird bereits unternommen?

Auf vielen Ebenen der Politik und in vielen Bereichen der nachhaltigen Entwicklung werden indigene Völker heute weit stärker berücksichtigt als noch vor wenigen Jahrzehnten.

Im Jahr 2007 haben die Vereinten Nationen die Erklärung über die Rechte der indigenen Völker verabschiedet. Sie ist zwar eine Absichtserklärung und damit nicht verbindlich, jedoch stellt sie ein Signal dar und definiert Standards zum Schutz und zur Gleichstellung indigener Völker.

Auch in den Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals) der Vereinten Nationen sind direkte Bezüge zu indigenen Völkern enthalten.

Um die Bedeutung indigener Völker beim Schutz der natürlichen Vielfalt hervorzuheben und ihre Rechte zu stärken, wurde der Artikel 8 (j) in dem Übereinkommen zur Biologischen Vielfalt (CBD) von 1992 beschlossen: Hierdurch werden das Wissen sowie Erfindungen und Praktiken indigener Völker unter Schutz gestellt, die für den Erhalt und die nachhaltige Nutzung biologischer Vielfalt relevant sind.

Weiterführende Links

International Labour Office: Indigenous peoples and climate change. From victims to change agents through decent work
http://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---dgreports/---gender/documents/publication/wcms_551189.pdf

UNESCO – Weathering Uncertainty. Traditional knowledge for climate change assessment and adaptation
https://unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000216613

Die Internationale Klimaschutzinitiative (IKI) des BMU: Bedeutung Indigener Völker beim Erhalt der Biodiversität:
https://www.international-climate-initiative.com/de/news/article/indigene_spielen_schluesselrolle_fuer_biodiversitaet_und_klimaschutz

Gesellschaft für bedrohte Völker: Länder, Regionen und Völker
https://www.gfbv.de/de/informieren/laender-regionen-und-voelker/

United Nations Sustainable Development Goals Knowledge Platform: Indigenous Peoples
https://sustainabledevelopment.un.org/majorgroups/indigenouspeoples 

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