11.05.2023 | Hintergrund

Was Stadtnatur für Mensch, Umwelt und Klima leistet

Sekundarstufe, Grundschule

Natur in der Stadt ist nicht nur schön anzusehen. Grüne Flächen wie Parks und Gärten haben auch andere wichtige Funktionen: Sie verbessern das Klima in der Stadt, helfen beim Klimaschutz, bieten Pflanzen und Tieren Lebensräume und erfüllen als öffentliche Räume auch soziale Funktionen. Doch Flächen in Städten sind begehrt, ein großer Teil ist bebaut und versiegelt. Was leistet die Stadtnatur, und wie können zusätzliche grüne Flächen geschaffen werden?

Diskussionen über das Leben in der Stadt

Städte sind attraktiv. Und viele Städte wachsen weiter. Vor allem Gebiete, die zentral gelegen sind und bereits in der Vergangenheit gewachsen sind, ziehen weiterhin Menschen an und werden immer dichter besiedelt und bebaut.

Das hat Vor- und Nachteile für die Bewohner*innen. Ein Nachteil ist während der Hitzewellen in den vergangenen Jahren besonders deutlich geworden: Bei großer Hitze ist es in Städten schwer auszuhalten. Dort wird es oft noch heißer als im Umland.

Im Zusammenhang mit dem Klimawandel wird oft über die Entwicklung der Städte diskutiert. Sie müssen einerseits einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, andererseits müssen sie sich an Klimaveränderungen anpassen. Dabei können etwa Grünflächen, Straßenbäume oder renaturierte Fluss- und Bachläufe helfen.

Auch über Städte als Lebensräume für wildlebende Tier- und Pflanzenarten wird seit einigen Jahren zunehmend diskutiert. Beobachtungen belegen, dass eine überraschend große Zahl von Arten auch in Städten lebt. Siedlungsgebiete spielen somit auch eine Rolle für den Schutz der biologischen Vielfalt. Wichtig ist hierbei, dass es ausreichend ökologisch wertvoll gestaltete Bereiche gibt, die den Tier- und Pflanzenarten einen passenden Lebensraum bieten.

Warum ist das wichtig?

Das Thema Stadtentwicklung betrifft die allermeisten Menschen in Deutschland. Heute leben rund 90 Prozent der Bevölkerung in Städten mit mindestens 5.000 Einwohner*innen. Fast 30 Prozent leben in Großstädten. 
Für Siedlungs- und Verkehrszwecke werden große Flächen in Anspruch genommen. Der Anteil dieser Flächen beträgt 14,5 Prozent. Siedlungs- und Verkehrsflächen wachsen weiterhin, jedoch hat sich der Flächenverbrauch verlangsamt.

Wenn Städte wachsen, führt das in der Regel zu mehr Verdichtung und zu Versiegelung. Flächen sind knapp und begehrt, Nutzungskonflikte nehmen zu. Gerade in den boomenden Großstädten und Metropolregionen wie Berlin, Köln, München oder dem Rhein-Main-Gebiet werden Brachen und Grünflächen für zusätzliche Wohn- und Gewerbegebäude sowie Verkehrswege benötigt. Diese sogenannte Nachverdichtung betrifft insbesondere die beliebten Innenstädte.

Gleichzeitig schreitet der Klimawandel voran. Er führt unter anderem vermehrt zu extremer Hitze. Diese trifft Städte in besonderem Maße. Denn dicht bebaute Gebiete sind heißer als das Umland, sie bilden sogenannte Wärmeinseln. Nachts kann es dort bis zu zehn Grad Celsius wärmer sein als am Stadtrand. Große Hitze stellt ein bedeutendes Gesundheitsrisiko dar.

Auch für die biologische Vielfalt sind städtische Gebiete wichtig. Viele Tier- und Pflanzenarten in Deutschland sind bedroht. Eine der wichtigsten Ursachen dafür ist der Verlust von Lebensräumen. Urbane, naturnah gestaltete Räume können vielen heimischen Arten einen Ersatzlebensraum bieten, wenn dieser im Umland nicht mehr ausreichend vorhanden ist.

Worum geht es konkret?

Was kennzeichnet städtische Gebiete?

Als Städte gelten geschlossene Siedlungen mit mindestens 5.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Städte mit mehr als 20.000 Einwohner*innen werden als Mittelstädte bezeichnet, ab 100.000 Einwohner*innen gelten sie als Großstädte.

Siedlungs- und Verkehrsflächen haben sich in Deutschland in der Vergangenheit stark ausgedehnt. Zwischen 1992 und 2021 nahmen sie um 28,6 Prozent zu. Dafür gingen vor allem landwirtschaftlich genutzte Flächen verloren. Der Flächenverbrauch hat sich verlangsamt, doch er beträgt immer noch durchschnittlich 55 Hektar pro Tag. Etwa 45 Prozent der Siedlungs- und Verkehrsflächen wurde versiegelt. Das bedeutet, dass Gebäude oder etwa Asphaltbeläge die natürliche Oberfläche fast vollständig abschließen.

Die Versiegelung der Böden ist problematisch, weil hier der natürliche Wasserkreislauf gestört wird: Regenwasser kann weniger gut versickern und die Grundwasservorräte auffüllen. Bei starkem Regen kann die Kanalisation die oberflächlich abfließenden Wassermassen teils nicht fassen – das Risiko für Überschwemmungen steigt. Außerdem verdunstet auf versiegelten Flächen weniger Wasser. Damit können diese im Sommer weniger dazu beitragen, die Luft abzukühlen. Die Versiegelung ist auch ein Grund dafür, dass es in Städten wärmer ist.

Grün- und Erholungsflächen nehmen im deutschlandweiten Durchschnitt knapp neun Prozent der Siedlungs- und Verkehrsflächen ein. Das sind insgesamt deutschlandweit rund 4.200 Quadratkilometer. Von Stadt zu Stadt kann sich der Anteil der Grünflächen stark unterscheiden. Meist gilt: Je kleiner eine Kommune, umso mehr Grünflächen sind vorhanden. Doch auch innerhalb einzelner Städte gibt es Unterschiede. Vor allem in Innenstadtbereichen und Quartieren mit Block- und Blockrandbebauung mangelt es an Grünflächen. Besonders oft fehlt Grün in sozial benachteiligten Quartieren.

Was ist Stadtgrün?

Stadtgrün umfasst eine große Vielfalt von Formen. Dazu gehören sowohl Grünflächen als auch begrünte Gebäude. Zu den Grünflächen zählen Parkanlagen, Friedhöfe, Kleingärten, Brachflächen, Spielbereiche und Spielplätze, Sportflächen, Straßengrün und Straßenbäume, Grünflächen an öffentlichen Gebäuden, Naturschutzflächen oder Wald. Auch private Gärten und landwirtschaftlich genutzte Flächen sind Stadtgrün.

Zudem gehören begrünte Gebäude dazu ("Bauwerksgrün"). Beispiele sind begrünte Fassaden und Dächer sowie Pflanzen an und auf Infrastruktureinrichtungen. Zusammengefasst wird das städtische Grün auch als "grüne Infrastruktur" bezeichnet, da es zahlreiche wirtschaftliche, soziale und ökologische Leistungen erbringt.

Warum ist Stadtgrün für das Klima wichtig?

Grünflächen und Begrünungsmaßnahmen können für ein besseres Stadtklima sorgen, unter anderem weil hier der Boden nicht versiegelt ist. Auch trägt das Blattgrün der Pflanzen zum Temperaturausgleich bei. Städtisches Grün verbessert zudem die Luftqualität, indem es Luftschadstoffe und Staub, einschließlich Feinstaub, absorbiert und filtert. Zudem binden die Pflanzen CO2 und speichern es in Form von Kohlenstoff. Grünflächen tragen so zum Klimaschutz bei.

Stadtnatur und biologische Vielfalt

Wenn Grünflächen, Straßennebenflächen oder auch Dach- und Fassadenbegrünungen naturnah und biodiversitätsfördernd gestaltet werden, können sie wichtige Ersatzlebensräume für Tier- und Pflanzenarten sein. Darüber hinaus sind Stadtwälder, aber auch Brach- und Wildnisflächen wichtige Lebensräume für Tiere und Pflanzen.

Stadtgrün fördert die Lebensqualität

Neben ökologischen übernimmt Stadtgrün auch soziale und gesundheitliche Funktionen. Ein besseres Stadtklima stärkt die Gesundheit der Einwohnerinnen und Einwohner. So fördern die nächtliche Abkühlung und der Frischluftaustausch die Gesundheit der Menschen.

Außerdem wirkt sich Stadtgrün positiv auf das psychosoziale Wohlbefinden und die psychosoziale Entwicklung aus. Menschen brauchen Räume, um sich zu bewegen – insbesondere Kinder. Bewegung in der urbanen Natur hilft beim Stressabbau.

Nicht zuletzt sind Grünflächen Orte der Begegnung. Sie bieten zum Beispiel Raum für gemeinsame Sport- und Freizeitaktivitäten: vom Fußballspielen und Grillen bis hin zum Treffpunkt für Hundebesitzer. Grünanlagen gehören zu den wichtigsten öffentlichen Räumen in den Städten.

Was können wir für mehr Stadtgrün tun?

Auch wenn Städte vor vielen Herausforderungen stehen, sind sie immer auch Orte der Innovation und des Wandels. Gerade hier finden sich kreative Lösungen für mehr Stadtgrün.

National und international gibt es viele Ideen und Projekte, die mehr "Grün" in die Stadt bringen und Stadtentwicklung mit Naturschutz verbinden.

Umnutzung von Industrieflächen

Zu den möglichen Maßnahmen gehört die Umnutzung von ehemaligen Industrieflächen. Ein Beispiel ist der Emscher Landschaftspark im Ruhrgebiet, in dessen Zentrum die Zeche Zollverein liegt. Von 1989 bis 1990 wurden die Industrieflächen renaturiert, während die industriellen Strukturen teils erhalten blieben. Die Natur entfaltet sich frei auf den Industriebrachen und wird durch behutsame Pflege weiterentwickelt. So entsteht ein Miteinander von städtischer "Wildnis" und Stadtgrün mit besonderem Charme.

Naturnahe städtische Grünflächen

Der Stadtwald in Lübeck gilt als herausragendes Beispiel dafür, wie naturnahe Räume in der Stadt gepflegt und weiterentwickelt werden können. Er wird seit 1994 nach dem Konzept der naturnahen Waldnutzung bewirtschaftet.

Grüne Wände und Dächer

Neben großen Grünflächen ist auch mit weniger aufwendigen Mitteln und mit weniger Platz eine urbane Begrünung möglich – zum Beispiel durch Fassaden- und Dachbegrünung, oft auch als "grüne Architektur" bezeichnet. So hat die Bonner Kunst- und Ausstellungshalle einen öffentlich zugänglichen begrünten Dachgarten mit wechselnden Ausstellungen – häufig zum Thema Natur und Kunst. Auch Fassaden können begrünt werden. Man spricht auch von "Living Walls" – von lebenden Fassaden.

Die Begrünung privater Gebäude liegt in der Hand der Eigentümer*innen. Maßnahmen zur Begrünung können aber finanziell, planungsrechtlich und beratend durch die Kommunen gefördert werden: Die Stadt Hamburg zum Beispiel förderte von 2015 bis 2019 gezielt die Begrünung von Flachdächern mit insgesamt drei Millionen Euro. Neben den kommunalen Förderprogrammen unterstützen die Europäische Union sowie Bund und Länder Maßnahmen für städtisches Grün.

Gärtnern in der Stadt

Auch private Haushalte können sich einbringen, indem sie eigene Grundstücke entsiegeln und begrünen, zum Beispiel Innenhofflächen oder befestigte Wege. Im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg erhalten Eigentümerinnen und Eigentümer, aber auch Mieterinnen und Mieter seit 1999 Finanzierungshilfen für die Begrünung ihrer Innenhöfe.

Auch die zahlreichen Kleingartenanlagen in deutschen Städten verbessern das Stadtklima. Außerdem sind sie wichtig für das soziale Miteinander und fördern die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger – und zwar aller Altersgruppen.

Eine weitere Möglichkeit ist es, den eigenen Garten oder Balkon mit heimischen Wildpflanzen naturnah zu gestalten und so die biologische Vielfalt zu fördern. Ideen und Ansätze bietet das Projekt "Tausende Gärten – Tausende Arten", dessen Ziel es ist, alle Menschen bundesweit für mehr Artenvielfalt in Privatgärten und auf öffentlichen Flächen zu begeistern und gemeinsam mit Gärtnereien und Saatgutbetrieben die naturnahe Gartengestaltung mit heimischen Wildpflanzen populärer zu machen.

Andere Ansätze für das eigene Gartenglück bietet das "Urban Gardening". Dabei nutzen Privatpersonen, Initiativen oder Gruppen ungenutzte Flächen für die Gartenarbeit. Meist wird dabei auf den ökologischen und nachhaltigen Anbau von Obst, Gemüse oder Kräutern gesetzt. Beim Urban Gardening geht es auch um die Gemeinschaft. Viele Projekte sind frei zugänglich.

Ein weiterer Ansatz ist die "Essbare Stadt". Zum Beispiel werden in Andernach in Rheinland-Pfalz seit 2010 Mangold, Grünkohl und andere Obst- und Gemüsesorten gezielt auf öffentlichen Grünflächen angebaut, unter anderem in der Altstadt. Alle Bürgerinnen und Bürger sind eingeladen, beim Anbau zu helfen, ebenso Schulen und Kindergärten. Auch ernten dürfen alle.

Angesichts der vielfältigen Interessen ist es eine wichtige Voraussetzung für die Bewahrung und Schaffung von Stadtgrün, übergreifende Konzepte und Strategien zu entwickeln und dabei alle relevanten Akteure und Entscheidungsträger einzubinden. Dazu gehören zum Beispiel die Bereiche Stadtplanung, Raum- und Regionalplanung sowie Bau- und Verkehrswesen. Insbesondere Bürgerinnen und Bürger, die Grünflächen nutzen und/oder sich engagieren wollen, sollen mit einbezogen werden. Der Politik kommt dabei die Aufgabe zu, integrierte Strategien zu entwickeln.

Weiterführende Links

Bundesumweltministerium: Stadtnatur

Bundesumweltministerium (2015): Grün in der Stadt − Für eine lebenswerte Zukunft ("Grünbuch Stadtgrün")

Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen: Grün in der Stadt ("Weißbuch Stadtgrün")

Bundesamt für Naturschutz: Naturschutz im Siedlungsbereich 

Projekt "Tausende Gärten- tausende Arten"

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