Online-Handel und Nachhaltigkeit
Der Online-Handel boomt
Der Umsatz des Online-Handels ist im Jahr 2020 um rund 17 Prozent gestiegen, so die Bundesnetzagentur. Das sind 3,6 Millionen Pakete mehr als im Vorjahr 2019.
Der Einkauf im Internet hat viele Vorteile: Man kann rund um die Uhr bestellen und die Ware wird nach Hause geliefert. Zusätzlich lockt der Online-Handel oft mit günstigeren Preisen und regelmäßig zu Weihnachten oder dem sogenannten Black Friday und dem Singles Day mit vielen Angeboten und Rabatten. Das Warensortiment wächst stetig. Mittlerweile bieten auch Supermarktketten an, die Einkäufe bis vor die Tür zu liefern. Und seit 2021 werben mehrere Start-up-Unternehmen damit, die Bestellungen sogar innerhalb von zehn Minuten zu liefern.
Durch den Online-Handel können Kundinnen und Kunden also Geld, Wege und Zeit sparen. Doch wie sehen die Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesellschaft aus? Ist Online-Shopping klimafreundlich und sozial gerecht? Bei diesen Fragen gehen die Meinungen auseinander: Wer online bestelle, fahre nicht selbst einkaufen und verursache dadurch weniger CO2, so die einen.
Die anderen argumentieren, dass viel Verpackungsmüll durch den Online-Handel entsteht und durch die häufigen Retouren die Ökobilanz schlecht ausfalle. Immer wieder berichten Medien, dass parkende Paketdienste den Verkehr behindern und dass durch den wachsenden Online-Handel die Innenstädte veröden, weil die lokalen Geschäfte an Umsatz verlieren. Die Gewerkschaft ver.di kritisiert außerdem schlechte Arbeitsbedingungen und eine ungerechte Entlohnung der Mitarbeitenden von Online-Händlern und deren Subunternehmen.
Ist der Online-Handel nachhaltig?
Dank Smartphone, Tablet und Co. ist es heute möglich, jederzeit und überall nahezu jeden Artikel einzukaufen. Das lässt die Befürchtung zu, dass tendenziell mehr konsumiert wird und damit die Umwelt stärker belastet wird. Dabei überfordert der Ressourcenverbrauch bereits jetzt die Fähigkeiten des Planeten, sich zu regenerieren. Das heißt, die Menschheit verbraucht mehr natürliche Ressourcen als die Erde innerhalb eines Jahres wiederherstellen kann. Denn die Folgen des steigenden Konsums gelten nicht nur für den Online-Handel, sondern treffen auch auf den stationären Handel zu.
Viele Produkte werden aus begrenzt verfügbaren Rohstoffen hergestellt, wie Erze für Elektroartikel oder Erdöl für Kunststoffprodukte. Diese Ressourcen werden bei übermäßiger Nutzung in Zukunft nicht mehr in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen.
Auch weitere Ressourcen werden durch einen stetig wachsenden Konsum immer mehr beansprucht. So werden zum Beispiel für den Anbau von Lebensmitteln und Futtermitteln, aber auch für die Holzgewinnung naturnahe Flächen umgewandelt und damit riskiert, dass ganze Ökosysteme zerstört werden.
Um Textilien, Autos oder Lebensmittel herzustellen, wird zudem viel Wasser gebraucht. Während in Deutschland jede Person pro Tag durchschnittlich 123 Liter Wasser zum Duschen, Waschen oder Trinken nutzt, kommen weitere 3.900 Liter pro Tag für die Herstellung von Konsumgütern hinzu (Stand 2016). Dieses indirekt genutzte Wasser wird als virtuelles Wasser bezeichnet.
Bei der Herstellung von Konsumgütern entstehen jede Menge Treibhausgase. Besonders in den Industrieländern werden viele Konsumgüter verbraucht und tragen zum hohen Ausstoß an Treibhausgasen bei. In Deutschland lagen die Pro-Kopf-Emissionen von CO2 im Jahr 2019 bei 8,5 Tonnen. Das sind 3,6 Tonnen mehr als im globalen Durchschnitt.
Weitere Infos finden sich unter anderem in den Themen der Woche Nachhaltiger Konsum? So geht’s!, im Hintergrundtext Ressourcen schonen in der Wirtschaft und weiteren Veröffentlichungen zum Thema Konsum.
Wird durch den Online-Handel mehr konsumiert?
Die Ausgaben für Konsumgüter wachsen stetig, so das Umweltbundesamt. Die privaten Haushalte in Deutschland haben 2020 rund 110,2 Milliarden Euro mehr ausgegeben als noch 2015. Das entspricht einer Zunahme von sieben Prozent in fünf Jahren.
Noch schneller wächst der Online-Handel: Im Jahr 2020 wurden dort 72,8 Milliarden Euro umgesetzt. Das waren rund 23 Prozent mehr als im Vorjahr. 2015 lag der so genannte E-Commerce (engl. elektronischer Handel) Umsatz sogar noch unter 40 Milliarden Euro.
Der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (bevh) berichtet, dass am häufigsten Bekleidung, Elektronik- und Telekommunikationsartikel im Internet bestellt werden. Die Modebranche ("Fashion und Accessoires") macht knapp ein Viertel des gesamten Online-Handels aus. Der Verband geht davon aus, dass der Online-Markt im Jahr 2021 noch einmal um 12,5 Prozent zulegen wird.
Angeführt wird der Online-Markt vom Versandhändler Amazon. Dieser hatte 2020 einen weltweiten Umsatz von 386,06 Milliarden US-Dollar. In Deutschland setzte der Branchenriese 29,57 Milliarden US-Dollar um. Er beschäftigte im selben Jahr weltweit rund 1,3 Millionen Arbeitnehmer/-innen, fast doppelt so viele wie im Jahr davor. Mit großem Abstand folgen der Versandhändler Otto und der Modehändler Zalando. Aber auch lokale Geschäfte steigen immer mehr in den Online-Handel ein.
"Online" oder "stationär": Wie kauft man nachhaltiger ein?
Bis zu 75 Prozent der Treibhausgas-Emissionen im Lebenszyklus eines Produkts werden bereits bei der Herstellung ausgestoßen, erklärt das Umweltbundesamt (UBA). Wichtig sei deshalb vor allem, dass man langlebige Produkte kaufe, um die Umwelt so wenig wie möglich zu belasten. Der Transport und der Handel machen dagegen nur ein bis zehn Prozent der Gesamtemissionen aus, so das UBA weiter.
Ob es nachhaltiger ist, "online" oder "stationär", also im Geschäft einzukaufen, hat das UBA in einer Studie untersucht. Das Ergebnis: Die Umweltbilanzen zu vergleichen sei schwierig, weil viele Faktoren mit hineinspielen. Es komme ganz auf das Produkt und das Kaufverhalten des Kunden an. Ein Beispiel: Bei einer Einkaufsfahrt von fünf Kilometern mit dem Auto werden 600 bis 1.100 Gramm CO2 emittiert, während die Einkaufsfahrt mit dem Fahrrad 0 Gramm CO2 verursacht. Bei einer Bestellung über das Internet fallen für die Lieferung durch einen Paketdienst im Schnitt zwischen 200 und 400 Gramm CO2 an. Die im Vergleich zur Fahrt im eigenen Auto geringeren Emissionen liegen unter anderem an der besseren Fahrzeugauslastung, der effizienten Gestaltung der Lieferrouten und dem zunehmenden Einsatz von Elektrofahrzeugen, so das UBA.
Den größten Einfluss auf die Ökobilanz im stationären Handel – also dem Einkauf im Geschäft – haben die Energieverbräuche vor Ort und die Wahl des Verkehrsmittels der Kundschaft.
Umweltbelastende Faktoren im Online-Handel seien vor allem die Versandverpackungen, Retouren und der Lieferabschnitt bis zur Haustür, die sogenannte letzte Meile, heißt es in der Studie.
Letzte Meile
Transportunternehmen können zwar ihre Ladungen und Routen besser planen als private Einkäufer/-innen. Andererseits gibt es einen Trend zu individuelleren Lieferungen in immer kürzeren Lieferzeiten und zu Wunsch-Uhrzeiten, die vor allem über lokale Kurierdienste abgewickelt werden. Diese verursachen einen besonders hohen logistischen Aufwand und wirken sich entsprechend negativ auf die Umweltbilanz aus. Außerdem liegt eine große Schwäche der Online-Bestellung darin, dass rund ein Viertel der Zustellungen beim ersten Versuch fehlschlägt. Etwa 18 Prozent der Besteller/-innen müssen ihre Lieferung danach selbst abholen. Wenn die Verbraucher/-innen für die dadurch entstehenden zusätzlichen Wege das Auto nutzen, verschlechtert dies die Öko-Bilanz weiter.
Verpackungsmüll
Viele Güter müssen aufwändig verpackt werden, damit sie den Transport schadlos überstehen. Je nach Größe und verwendetem Material resultieren hieraus zusätzliche Emissionen beim Online-Handel. Diese können von 20 Gramm CO2-Äquivalente (für eine kleine Faltschachtel mit einem Volumen von 2,4 Litern) bis 1.000 Gramm (für einen großen Pappkarton mit einem Volumen von 128 Litern) reichen. Manche Shops verwenden darüber hinaus Einheitskartons, das heißt, ihre Größe ist unabhängig vom Inhalt.
Retoursendungen
Die Verbraucherzentrale schätzt, dass in Deutschland bei Bekleidungskäufen mindestens jedes zweite Paket zurückgeschickt wird. Täglich sind das etwa 800.000 Pakete. Dies entspricht ungefähr 400 Tonnen CO2 oder 255 Autofahrten von Frankfurt nach Peking.
Die Streuung zwischen den unterschiedlichen Produktkategorien ist jedoch sehr groß. Bei Bekleidungskäufen im Internet ist die Zahl der Rücksendungen besonders hoch, so der E-Commerce-Verband BEVH. Bei Büchern und Medien, elektronischen Artikeln und Telekommunikation kamen die Retouren-Quoten im Jahr 2019 nicht einmal auf zehn Prozent. Der Durchschnitt aller Retouren-Quoten lag bei ungefähr 20 Prozent. Wer hingegen im Ladengeschäft einkauft, tauscht weniger um, denn er/sie kann sich beraten lassen und findet leichter das passende Produkt.
Die Universität Bamberg hat zudem in einer Untersuchung im Jahr 2019 herausgefunden, dass im Online-Handel knapp vier Prozent der zurückgesandten Ware anschließend entsorgt wird, was etwa 20 Millionen Artikeln pro Jahr entspricht. Das Vernichten von Ware ist für Online-Händler manchmal alternativlos. So ist etwa die Hälfte der Artikel beispielsweise defekt. Bei anderen Artikeln gibt der Marken- und Patentinhaber vor, die Produkte zu vernichten. In 40 Prozent der Fälle wäre es zumindest theoretisch möglich, die Waren beispielsweise zu spenden. Jedoch ist es für den Händler häufig einfacher und günstiger, die Produkte zu vernichten. Die für die Produktion aufgebrachten Ressourcen werden somit verschwendet.
Neben den Umweltauswirkungen haben Retouren auch Nachteile für Kunden/Kundinnen und Händler. So beziffert die Universität Bamberg in ihrer Studie die händlerseitigen Kosten für jedes zurückgeschickte Paket quer über alle Warenkategorien auf 19,51 Euro. Dieser Verlust wird auf die allgemeinen Preise aller Artikel umgelegt.
Auch zur Frage, wie Rücksendungen vermieden und damit insgesamt verringert werden können, gibt es Erkenntnisse aus Studien, die sich unter anderem auf praktische Versuche im Online-Handel stützen. Neben aussagekräftigen Produktbeschreibungen oder Größenberatungen bei Kleidung können viele Kunden/Kundinnen überzeugt werden, ihr Verhalten zu ändern, indem der Zeitverlust infolge unüberlegter Bestellungen und Rücksendungen dargestellt wird. Außerdem führte der Hinweis, dass sich viele andere Kunden/Kundinnen bereits nachhaltig verhalten, indem sie ihre Retouren reduzieren, in den praktischen Versuchen zu einer spürbaren Verringerung der Rücksendequoten.
Sozioökonomische Folgen
Der Online-Handel hat aber nicht nur Umwelt-, sondern auch gesellschaftliche Folgen. Medien und Gewerkschaften berichten, dass die Beschäftigten der Online-Händler und Lieferdienste unter enormem Zeitdruck die Pakete packen und transportieren müssen und oftmals nicht einmal den Mindestlohn erhalten. Sie sind zumeist nicht direkt bei Amazon, Hermes oder GLS angestellt, sondern bei Subunternehmen oder in Leiharbeitsfirmen.
Außerdem schade die Zunahme im Online-Handel den Innenstädten. Zahlreiche Geschäfte können der Konkurrenz aus dem Internet nicht standhalten und müssen schließen. Für den Alltagseinkauf müssen viele Verbraucher/-innen inzwischen weitere Wege zurücklegen.
Kann der Online-Handel nachhaltiger werden?
Um die Digitalisierung in Deutschland umweltfreundlicher zu gestalten und um unter anderem auch die negativen ökologischen Auswirkungen des Online-Handels zu stoppen, hat das Bundesumweltministerium eine sogenannte Digitalagenda erstellt. Darin werden neben strategischen Grundsätzen und Zielen über 70 Maßnahmen beschrieben, die der ökologischen Krise innovativ entgegenwirken.
Ein Beispiel ist ein Pass für Produkte, der es ermöglicht, beim Online-Shopping nachhaltige Konsumentscheidungen zu treffen und das Recycling von Produkten zu erleichtern.
Weitere Maßnahmen sind beispielsweise, dass umweltfreundliche Produktalternativen im Onlinebereich sichtbar werden, zum Beispiel durch Umweltzeichen wie den "Blauen Engel" oder das "Öko-Siegel". Umweltbelastungen (zum Beispiel CO2-Emissionen) durch mögliche Retouren sollten angeben werden und/oder Retourenkosten auf Verbraucher/-innen umgelegt werden.
Um Retouren zu vermeiden, sollten Produktbeschreibungen verbessert werden. Eine weitere Idee in diesem Bereich fördert die Bundesregierung: Ein Avatar zur digitalen Anprobe von Kleidung soll dabei helfen, von vorneherein passende Produkte auszuwählen.
Digitale Konsumassistenten könnten zudem aktiv nachhaltigere Alternativen (zum Beispiel zertifizierte Produkte) anbieten.
Außerdem sollen im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI) sogenannte Mikro-Depots eingerichtet werden. Zusätzlich finanziert das Bundesumweltministerium E-Lastenräder und Lastenanhänger mit elektrischer Antriebsunterstützung, damit der Lieferverkehr konsequent umwelt- und klimafreundlich erfolgen kann. Dadurch sollen die Treibhausgasemissionen auf der letzten Meile verringert werden.
Was kann ich selbst tun?
Die größte Stellschraube für den ökologischen Einkauf sind langlebige Produkte, die umweltfreundlich hergestellt werden, so das Umweltbundesamt. Auf individueller Ebene ist es deshalb wichtig, dass Kunden/Kundinnen auf Prüfzeichen und Umweltsiegel achten, wie das staatliche Umweltzeichen "Blauer Engel", das Fair-Trade- und das Bio-Siegel, mit dem fair gehandelte beziehungsweise ökologisch produzierte Waren ausgezeichnet werden. Es gibt zahlreiche andere Label – einen guten Überblick bietet das Portal www.siegelklarheit.de der Bundesregierung.
Weitere Tipps für eine bessere Ökobilanz beim Einkaufen:
- Online-Bestellungen an eine in der unmittelbaren Umgebung befindliche Packstation liefern lassen. So wird vermieden, dass der Versanddienst erneut kommen muss, wenn niemand zu Hause ist.
- Nur die Dinge online einkaufen, die nicht im Laden in der Innenstadt zu erhalten sind. Damit stärkt man die Händler vor Ort.
- Vorausschauend shoppen, sodass der Händler mehrere benötigte Waren in einer Sendung schicken kann. Kleidung von vornherein in der richtigen Größe bestellen.
- Alltagsprodukte sollte man möglichst zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem öffentlichen Nahverkehr einkaufen, um CO2-Emissionen zu vermeiden.
- Bei Online-Einkäufen die Zustellvariante "Standard" oder "Normal" wählen. "Express"- oder "Prime"-Dienste führen zu zusätzlichen Belastungen für die Umwelt.
Eine weitere Möglichkeit ist, online Second-Hand-Produkte einzukaufen. Dadurch fallen zwar weiterhin die Emissionen für den Transport an, jedoch verringern sich die Umweltauswirkungen der Herstellung. Der Markt für Second-Hand-Produkte ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Mittlerweile gibt es zahlreiche Anbieter und Plattformen, unter anderem ebay, medimops und vinted.
Weiterführende Links
Bundesumweltministerium: Nachhaltiger Konsum im Online-Handel
https://www.bmu.de/themen/nachhaltigkeit-digitalisierung/konsum-und-produkte/nachhaltiger-konsum-im-online-handel
Bundesumweltministerium: Nachhaltiger Konsum
https://www.bmu.de/themen/nachhaltigkeit-digitalisierung/konsum-und-produkte/nachhaltiger-konsum
Umweltbundesamt – Die Ökologisierung des Online-Handels – Neue Herausforderungen für die umweltpolitische Förderung eines nachhaltigen Konsums
https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/5750/publikationen/2020_12_03_texte_227-2020_online-handel.pdf
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