01.11.2018 | Hintergrund

Schülerfirmen als Lernort für nachhaltiges Denken und Handeln

Sie produzieren faire Bio-Textilien oder gesunde Pausensnacks, vermarkten Nüsse aus Kenia oder machen alte Fahrräder wieder flott – das Spektrum der Produkte und Dienstleistungen, die von Schülern/Schülerinnen geführte Unternehmen anbieten, ist groß. Wie können Schülerfirmen dazu beitragen, nachhaltiges Denken und Handeln zu vermitteln? 

Das Konzept der Nachhaltigkeit sowie nachhaltiges Denken und Handeln zu vermitteln, stellt wegen der Komplexität eine Herausforderung dar (siehe auch Thema der Woche Wie kann man Nachhaltigkeit lernen?). Darum sehen die Empfehlungen der Kultusministerkonferenz zur Bildung für nachhaltige Entwicklung nicht nur vor, diese in möglichst vielen Fächern zu berücksichtigen, sondern auch fächerübergreifend sowie über den Unterricht hinaus – zum Beispiel in Schülerfirmen.

Schülerfirmen gelten als besonders geeignetes Lernumfeld für die Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeitsthemen. Sie bieten eine hervorragende Gelegenheit zum Erwerb von Kompetenzen zur verantwortungsvollen und selbstständigen Gestaltung der Zukunft, zudem in einer für Schülerinnen und Schüler attraktiven Form. 

Kompetenzen für die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft

Schülerfirmen bieten die Möglichkeit, die Auseinandersetzung mit Wirtschaftsformen oder die Möglichkeiten gesellschaftlicher Veränderungen mit praktischen Erfahrungen zu verbinden. 

So handelt eine Vielzahl von Schülerfirmen in ganz Deutschland nach den Prinzipien der Nachhaltigkeit. Allein in Niedersachsen sind es über 800.In der NaSch-Community, einem Netzwerk für nachhaltige Schülerfirmen, sind mehr als 80 Projekte registriert, von denen viele in ausführlichen Porträts vorgestellt werden (Stand 2018).

Die Idee der nachhaltigen Schülerfirmen steht in engem Zusammenhang mit einer zentralen gesamtgesellschaftlichen Herausforderung unserer Zeit: der Transformation der Volkswirtschaft hin zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise. Als nachhaltig gilt demnach eine Entwicklung, die dauerhaft ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig ist. Seit den 1990er-Jahren ist dieses Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung in der Politik und zunehmend auch in der Wirtschaft etabliert (siehe auch Hintergrundtext Berufe in der nachhaltigen Wirtschaft).

Das Ziel einer nachhaltigen Wirtschaft wird häufig auch als "Green Economy" bezeichnet. Zahlreiche Unternehmen bezeichnen sich selbst ausdrücklich als "grün" beziehungsweise nachhaltig. Viele sind zum Beispiel im Bundesverband der grünen Wirtschaft oder im Verband der nachhaltigen Unternehmen organisiert.

Zudem gibt es verschiedenste Initiativen, um diese Entwicklung zu fördern. Dazu gehören das Netzwerk grüner Start-ups und Investoren StartGreen oder Förderprogramme für Innovationen.

Was sind Schülerfirmen?

In Schülerfirmen planen, produzieren und verkaufen Schülerinnen und Schüler Waren oder bieten Dienstleistungen an. Sie organisieren sich nach dem Vorbild betrieblicher Strukturen in der "richtigen" Wirtschaft. So müssen die Schüler/-innen Aufgaben verteilen und untereinander entscheiden, wer etwa den Posten des Chefs oder der Chefin, die Buchhaltung oder das Marketing übernimmt.

Die Idee der Schülerfirmen hat sich in Anlehnung an eine Idee aus Wirtschaftsunternehmen entwickelt. So wurden in den 1980er-Jahren erstmals in Deutschland sogenannte Juniorenfirmen als Teil der Berufsausbildung erprobt.

Ziel ist es, wirtschaftliche Zusammenhänge und unternehmerisches Handeln zu erfahren. Darüber hinaus geht es auch darum, Schülern/Schülerinnen die Möglichkeit zu geben, personale und soziale Kompetenzen zu erwerben. Indem sie eine Produktidee entwickeln, im Team arbeiten, unternehmerische Entscheidungen treffen oder Konflikte lösen, entwickeln sie wertvolle Schlüsselqualifikationen für Schule, Alltag und Beruf. 

Welche Arten von Schülerfirmen gibt es? 

Die Arbeit in der Schülerfirma kann Teil des regulären Unterrichts sein, meist jedoch findet sie außerhalb statt, zum Beispiel in einer Arbeitsgemeinschaft.

Viele Schülerfirmen sind im direkten Umfeld der Schüler/-innen aktiv. Ein typisches Geschäftsfeld ist die Versorgung mit Lebensmitteln und Schulbedarf an der Schule selbst. Schulkioske oder Verkaufsstände, die Snacks, Getränke oder Schreibwaren anbieten, gibt es zahlreich – auch an Grundschulen. Auch über den Schulkiosk hinaus ist vieles möglich, wie die Ideenbörse und Firmenporträts der NaSch-Community zeigen. 

So gestaltet die Schülergenossenschaft "Printpoeten" vom Eichsfeld-Gymnasium Duderstadt unter anderem Pullis und T-Shirts. Die "Macadamiafans" aus Göttingen vertreiben Bio-Nüsse von kenianischen Kleinbauern, "FLIPS Fahrradladen" repariert und verkauft Fahrräder, und in der "RGS Wolle" verarbeiten Schüler/-innen der 5. und 6. Klasse Wolle und vertreiben ihre Produkte.

Was ist das Besondere an nachhaltigen Schülerfirmen?

Nachhaltige Schülerfirmen haben den Anspruch, die Prinzipien einer nachhaltigen Entwicklung zur Grundlage ihres Wirtschaftens zu machen. Nachhaltigkeit ist hier sowohl Thema als auch Handlungsprinzip (siehe auch Hintergrundtext Der Begriff Nachhaltigkeit und die Rolle der Schule).

Für Schülerfirmen bedeutet das, stets die Folgen des Handelns zu berücksichtigen – sowohl für die Umwelt als auch aus wirtschaftlicher sowie sozialer Sicht. Dabei geht es auch um die Auswirkungen in anderen Regionen der Welt. Zum Beispiel müssen die Schüler/-innen sicherstellen, dass ihr Unternehmen gerecht handelt und unter anderem die Interessen der Entwicklungsländer berücksichtigt sowie die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau. Produkte und Produktion dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt haben, zum Beispiel für Boden, Wasser, Luft oder die biologische Vielfalt. So weit möglich sollten erneuerbare Ressourcen genutzt werden.

Um nachhaltiges Handeln umzusetzen, muss nicht notwendigerweise eine neue Schülerfirma gegründet werden. Wie in der Wirtschaft auch ist es grundsätzlich möglich, ein bestehendes Unternehmen weiterzuentwickeln und eine nachhaltige Wirtschaftsweise einzuführen. 

Aktives erlernen von Schlüsselkompetenzen

Ein zentrales Merkmal von Schülerfirmen ist, dass die Lernenden im Mittelpunkt stehen und eine aktive Rolle spielen. Zudem geht es darum, jeweils reale Anforderungen zu bewältigen wie den Einkauf von Waren, die Kommunikation mit Partnern oder Kunden/Kundinnen außerhalb der Schule, die Organisation von Herstellungsprozessen und anderen Abläufen sowie die Aufgabenverteilung im Team. Das Wissen, das sich die Lernenden aneignen, setzen sie direkt ein, um konkrete Probleme zu lösen.

Diese Bedingungen ermöglichen es unter anderem, sich mit Wechselwirkungen auseinanderzusetzen zwischen erfolgreichem Wirtschaften, ökologischen Kriterien und sozialer Gerechtigkeit. Zudem können die Schüler/-innen wichtige Sozialkompetenzen erwerben, die in unserer Gesellschaft als Schlüsselkompetenzen gelten. Dazu gehört auch, Erfahrungen in der Kooperation im Team und bei der Lösung von Konflikten zu sammeln.

Dadurch kann die Mitwirkung in einer Schülerfirma den Übergang von Schule in Berufsausbildung oder Studium erleichtern.

Nicht zuletzt können Schülerfirmen die Schüler/-innen in besonderer Weise aktivieren und motivieren. Der Bezug zur Praxis und die Möglichkeit, selbst etwas bewegen zu können, fördert die Identifikation der Schüler/-innen mit ihrer Arbeit.

Von der Idee zur Umsetzung

Die Gründung einer Schülerfirma stellt nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern auch Pädagogen und Pädagoginnen vor große Herausforderungen und erfordert eine gründliche Vorbereitung. Die Erfahrungen aus der Praxis legen nahe, eine nachhaltige Schülerfirma Schritt für Schritt und in einem fortwährenden Verbesserungsprozess zu entwickeln.

Zu den wichtigsten Schritten gehören:

  • die Entwicklung einer nachhaltigen Geschäftsidee beziehungsweise eines Produkts oder einer Dienstleistung,
  • die Prüfung von Umsetzbarkeit und organisatorischen Voraussetzungen (zum Beispiel Rechtsform und Trägerschaft),
  • Planung der Umsetzung beziehungsweise Ausarbeitung eines Businessplans (zum Beispiel Finanzierung, Personal, Räume),
  • Marketing. 

Bereits der Planungsprozess bietet Gelegenheit, verschiedene Aspekte nachhaltiger Entwicklung zu thematisieren. Dazu gehört die Auseinandersetzung mit ... 

  • ... dem Begriff der Nachhaltigkeit und den Prinzipien nachhaltigen Wirtschaftens,
  • ... konkreten Problembereichen nicht nachhaltigen Wirtschaftens, zum Beispiel der Ausbeutung von endlichen Rohstoffen, den Umweltfolgen bestimmter Produktionsweisen oder schlechten Arbeitsbedingungen in Herstellerländern sowie
  • ... der Reflexion von Konsumbedürfnissen bei der Entwicklung einer Geschäftsidee sowie einer Marketingstrategie.

Wo gibt es Infos und Unterstützung?

Die Planung und Weiterentwicklung nachhaltiger Schülerfirmen werden durch Handreichungen und Werkzeuge erleichtert, die teilweise frei zugänglich im Internet vorliegen. Dazu gehört die Handreichung "Nachhaltige Schülerfirmen – Gründen, Umsetzen, Gestalten" mit insgesamt 5 Bänden. Hinzu kommen Materialien zu Methoden oder bestimmten Aspekten einer Gründung wie das Sustainable Business Canvas, ein Konzept zur Entwicklung von Geschäftsmodellen, das die Initiative StartGreen zur Verfügung stellt.

Neben Informationen bieten verschiedene Akteure praktische Unterstützung sowie Förderung. Einen Überblick bietet das Portal Unternehmergeist macht Schule des Bundeswirtschaftsministeriums. Das Portal informiert allerdings zu Schülerfirmen allgemein und beschränkt sich nicht auf nachhaltige Schülerfirmen. Die Angebote reichen von Fortbildungen und Workshops über Wettbewerbe bis hin zu Förderprogrammen.

Eine Plattform für Austausch und Information bietet die NaSch-Community, das bundesweite Netzwerk nachhaltiger Schülerfirmen. Auch auf Länderebene gibt es mehrere Initiativen, beispielsweise das Netzwerk Nachhaltiger Schülerfirmen in Niedersachsen, wo die Schulbehörde den Schulen Unterstützung durch Fachleute bietet. 

Weiterführende Links

Netzwerk Nachhaltige Schülerfirmen: Gründen, umsetzen, gestalten
https://www.nasch-community.de/wws/handreichung-nachhaltige-schuelerfirmen.php

NaSch Community: Praxismaterial zu Aufbau und Betrieb von Schülerfirmen
https://www.nasch-community.de/wws/material-schuelerfirmen.php

StartGreen: Praktische Werkzeuge zur Entwicklung von Geschäftsmodellen'https://start-green.net/tools/

StartGreen@School: Fortbildungen, Gründungscamps, Unternehmenspartnerschaften
https://start-green.net/school/angebote/