Wie entsteht Radioaktivität und wie wirkt sie?
Es gibt viele verschiedene Formen von Strahlung, denen Menschen im Alltag ausgesetzt sind – sowohl natürliche als auch künstlich erzeugte. Dazu gehören Licht und Wärmestrahlung, aber auch die Strahlung, die von radioaktiven Stoffen ausgeht. Viele Formen der Strahlung sind gesundheitlich unbedenklich. Doch ab einer bestimmten Dosis kann sie Schäden verursachen.
Was ist ionisierende Strahlung?
Strahlung geht von einer Strahlenquelle aus und transportiert Energie. Die Energie kann in Form elektromagnetischer Wellen transportiert werden, zum Beispiel beim Licht. Sie kann aber auch als Teilchenstrom transportiert werden, zum Beispiel bei Alpha- und Betastrahlung, die von radioaktiven Stoffen ausgeht.
Die Strahlung, die von radioaktiven Stoffen ausgeht, wird umgangssprachlich häufig als "radioaktive Strahlung" bezeichnet, der Fachbegriff ist jedoch ionisierende Strahlung. Als Radioaktivität wird die Eigenschaft der Atomkerne bestimmter Stoffe bezeichnet, sich ohne äußere Einwirkung in andere Kerne umzuwandeln. Dieser Prozess wird als radioaktiver Zerfall bezeichnet. Radioaktive Atome nennt man Radionuklide.
Ionisierende Strahlung ist sehr energiereich. Sie kann die Materie verändern, in die sie eindringt. Dabei werden Elektronen aus der Hülle von Atomen beziehungsweise Molekülen "herausgeschlagen" – das zurückbleibende Molekül ist dann elektrisch positiv geladen, was als "ionisiert" bezeichnet wird. Wenn diese Strahlung auf lebende Zellen trifft, kann sie Schäden in den Zellen und den betroffenen Organismen hervorrufen.
Als Ergebnis der Umwandlung von Atomkernen entstehen Zerfallsprodukte, welche ihrerseits weiter zerfallen können – das heißt, sie können selbst radioaktiv sein. Aus dem Zerfall gehen zuletzt stabile, nicht radioaktive Kerne hervor. Radioaktive Stoffe senden so lange ionisierende Strahlung aus, bis das letzte Radionuklid zerfallen ist.
Die Dauer dieser Zerfallsprozesse radioaktiver Stoffe kann extrem unterschiedlich sein. Das heißt: Je nach Stoff nimmt die Radioaktivität unterschiedlich schnell ab. Daher werden oft Halbwertszeiten genannt. Halbwertszeit heißt die Zeit, die benötigt wird, um den Anteil radioaktiver Kerne auf etwa die Hälfte zu reduzieren. Die Halbwertszeiten können Bruchteile von Sekunden betragen, bei einigen Radionukliden aber auch Milliarden von Jahren.
Radioaktivität wird in der Einheit Becquerel (Bq) gemessen. Die Größe gibt an, wie viele radioaktive Kerne pro Sekunde zerfallen. Die Einheit Becquerel wird meist in Bezug zu Fläche, Volumen oder Masse gesetzt, zum Beispiel Bq pro Quadratmeter.
Beim Zerfall des Atomkerns können verschiedene Arten von Strahlung entstehen: Alpha-, Beta-, Gamma- und Neutronenstrahlung. Bei Alpha-, Beta- und Neutronenstrahlen handelt es sich um Teilchen. Alphastrahlen können die menschliche Haut nicht durchdringen. Betastrahlen hingegen können wenige Millimeter in Haut oder auch Kunststoff vordringen, in der Luft sogar einige Zentimeter oder Meter. Gelangen radioaktive Stoffe in den Körper, etwa durch Lebensmittel, können sie dort Blut, Gewebe und andere Zellen schädigen.
Neutronen werden insbesondere bei der Spaltung von schweren Atomkernen freigesetzt, zum Beispiel bei Uran. Neutronenstrahlung hat eine starke Wirkung auf biologisches Gewebe, und ihre Abschirmung ist aufwändig. Bei Gammastrahlen handelt es sich um eine elektromagnetische Strahlung, etwa wie das Licht, allerdings mit einer wesentlich höheren Fähigkeit, Materie zu durchdringen.
Wo tritt Radioaktivität auf?
Es gibt verschiedene natürliche und künstliche Quellen für Radioaktivität, denen Menschen auch im Alltag ausgesetzt sind.
Zu den natürlichen Quellen zählt das Edelgas Radon (Rn-222, Halbwertszeit 3,8 Tage). Radon ist überall auf der Welt vorhanden. Es tritt aus dem Erdboden oder Baumaterialien aus und wird eingeatmet. Auch in Nahrungsmitteln finden sich natürliche Radionuklide, die aus dem Zerfall der radioaktiven Stoffe Thorium und Uran sowie Kalium-40 stammen.
Zur natürlichen Strahlenbelastung trägt auch kosmische Strahlung bei. Sie gelangt aus der Sonne und aus den Tiefen des Weltalls auf die Erde. In großen Höhen ist diese Strahlung deutlich stärker als in niedrigen Lagen: Sie wird auf dem Weg zur Erde durch die dichte Atmosphäre schwächer. Zudem gibt es die terrestrische (irdische) Strahlung. Ihre Ursache sind überwiegend natürliche radioaktive Stoffe in Böden und Gesteinsschichten der Erdkruste sowie in daraus hergestellten Baustoffen.
Neben der natürlichen Strahlung gibt es Strahlung aus künstlichen Quellen. Der überwiegende Teil stammt aus Strahlenanwendungen in der Medizin wie Röntgendiagnostik, nuklearmedizinische Diagnostik sowie Strahlen- und nuklearmedizinische Therapie.
Warum ist radioaktive Strahlung für Menschen gefährlich?
Wenn Strahlungsenergie auf den menschlichen Körper trifft, wird sie vom Gewebe aufgenommen (absorbiert). Die aufgenommene Energie kann vielfältige Wirkungen hervorrufen. Ob und in welchem Ausmaß eine Strahlenbelastung eines Organismus zu einem gesundheitlichen Schaden führt, hängt von der Dosis und Art der absorbierten Strahlung ab, sowie davon, welches Organ oder Gewebe des Körpers hauptsächlich betroffen ist.
Wenn die Strahlendosis einen gewissen Schwellenwert überschreitet, treten unmittelbar Schäden an Gewebe und Organen auf. Die Ursache dafür ist, dass Körperzellen beschädigt oder abgetötet werden. Wenn zu viele Zellen betroffen sind, kommt es zu Funktionseinbußen der betroffenen Organe. Solche unmittelbar auftretenden Strahlenschäden werden als deterministische Schäden bezeichnet.
Neben unmittelbaren Schäden kann die Strahlung Veränderungen am Erbmaterial von Zellen verursachen, sogenannte Mutationen. Die betroffenen Zellen vermehren sich durch den natürlichen Prozess der Zellteilung. Dieser Vorgang kann bei Körperzellen Jahre nach der Exposition (hier: Einwirkung) zur Entstehung von Krebs oder Leukämie führen. Schädigungen des Erbguts werden als stochastische Strahlenwirkungen bezeichnet.
Die Ursachen von Krebs- und Leukämieerkrankungen – ob strahlungsbedingt oder durch andere denkbare Ursachen – lassen sich im klinischen Erscheinungsbild nicht unterscheiden. Doch auch niedrige Strahlendosen können die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Krebs oder Leukämien bei bestrahlten Personen erhöhen.
Welche Dosis ist gefährlich?
Es gibt keinen mit Sicherheit unbedenklichen Dosiswert. Mit der Höhe der Strahlenbelastung steigt jedoch die Wahrscheinlichkeit gesundheitlicher Folgen. Je niedriger die Belastung, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit von Schäden.
Um gesundheitliche Gefahren zu bewerten und zu vermeiden, wurden Grenzwerte für die Strahlenbelastung festgelegt. Die Grenzwerte markieren Werte, unter denen die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten gesundheitlicher Folgen unter einem als annehmbar geltenden Wert liegt.
Um die Strahlenbelastung von Personen zu bewerten, wird die Maßeinheit Sievert verwendet. Sie steht für die sogenannte effektive Strahlendosis. In Deutschland beträgt der Dosisgrenzwert für Menschen, die beruflich Radioaktivität ausgesetzt sind, 20 Millisievert pro Jahr. Im gesamten Berufsleben darf die Dosis 400 Millisievert nicht überschreiten.
Akute Strahlenschäden – deterministische Schäden – treten ab einem Dosis-Schwellenwert von circa 500 Millisievert (mSv) auf, bei ungeborenen Kindern bereits ab circa 50 bis 100 mSv. Dazu zählen verbrennungsähnliche Erscheinungen der Haut, Haarausfall, Beeinträchtigungen der Fruchtbarkeit und Blutarmut (Anämie). Wenn in einem Teil des Gewebes oder in einem Organ das Ausmaß der Zellabtötung eine gewisse Höhe überschreitet, kommt es zu Funktionseinbußen des betroffenen Organs oder Gewebes.
Zu solchen hohen Dosen kann es bei Unfällen mit radioaktiven Stoffen kommen. Neben den Reaktorunfällen in Tschernobyl und Fukushima zählt der Strahlenunfall in Goiâna, Brasilien im Jahr 1987 dazu. Dort wurde radioaktives Material aus einer ehemaligen Strahlenklinik gestohlen und von den Dieben aus Unkenntnis aus dem Sicherheitsbehälter entnommen. Vier Menschen kamen ums Leben.
Ab einer Schwellendosis von 1.000 mSv innerhalb kurzer Zeit treten akute Strahleneffekte auf, zum Beispiel Übelkeit und Erbrechen. Eine Belastung von 3.000 bis 4.000 mSv innerhalb kurzer Zeit ist lebensbedrohlich: Ohne medizinisches Eingreifen sterben bei dieser Dosis 50 Prozent der exponierten Personen nach drei bis sechs Wochen.
Zum Vergleich: Die Strahlung aus natürlichen Quellen, beispielsweise aus der Nahrung oder durch kosmische Strahlung, summiert sich in Deutschland pro Jahr und Person auf durchschnittlich 2,1 mSv (effektive Dosis). Je nach Wohnort, Ernährungs- und Lebensgewohnheiten liegt sie zwischen zwei und drei Millisievert, kann aber in Ausnahmefällen bis zu zehn Millisievert erreichen.
Die Strahlenbelastung aus künstlichen Quellen – wie zum Beispiel aus Röntgenuntersuchungen oder Computertomographien (CT) – beträgt in Deutschland circa 2,0 mSv pro Jahr. Bei einer Röntgenaufnahme, beispielsweise des Brustkorbs, werden maximal 0,03 mSv erreicht; eine CT-Untersuchung des ganzen Körpers kann zu 10 bis 20 mSv führen. Auch bei Flügen führt Höhenstrahlung zu einer Belastung. Bei einem Flug von München nach Japan werden Werte bis zu 0,1 mSv erreicht.
Was tun gegen Gefahren durch ionisierende Strahlung?
Der beste Schutz gegen gesundheitliche Gefahren durch Radioaktivität ist, die Belastung zu vermeiden. Daher besteht Strahlenschutz vor allem darin, die Exposition so gering wie möglich zu halten. Dies betrifft sowohl die Belastung durch Strahlenquellen außerhalb des Körpers, zum Beispiel beim Röntgen, als auch die Aufnahme von Radionukliden mit der Nahrung oder Atemluft. Zum Beispiel sind Pilze in verschiedenen Gegenden Süddeutschlands immer noch mit Cs-137 aus der Freisetzung nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl angereichert.
Jede technische oder medizinische Anwendung ionisierender Strahlung muss gerechtfertigt sein. Für Strahlendosen gibt es Grenzwerte, deren Einhaltung überwacht wird. Bei technischen Anwendungen spielt die sogenannte Abschirmung eine wichtige Rolle. Gegen Alpha- und Betastrahlung von außen können bereits Schutzanzüge, Schutzhandschuhe, oder Atemschutzmasken schützen. Die Aufnahme in den Körper kann jedoch zu einer erheblichen Belastung führen. Zur Abschirmung von Gammastrahlung müssen dagegen schwere Materialien wie beispielsweise Blei und Beton verwendet werden. Auch die Abschirmung von Neutronenstrahlung ist aufwändig.
Nach dem Freisetzen von Radioaktivität in die Umwelt kann die Belastung unter anderem verringert werden, indem oberflächliche Verunreinigungen durch radioaktive Stoffe beseitigt werden. Die Verunreinigung wird als Kontamination bezeichnet, die Entfernung als Dekontamination. Nach den Unfällen von Tschernobyl und Fukushima wurden zum Beispiel Gebäude und Ausrüstung gereinigt und belastete Erde abgetragen.
Weiterführende Links zum Thema:
Bundesamt für Strahlenschutz: Ionisierende Strahlung
https://www.bfs.de/DE/themen/ion/ion_node.html
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