28.05.2014 | Hintergrund

Stadt, Schall, Lärm

Lautsprecher
Grundschule, Sekundarstufe

Warum ist Lärmschutz wichtig? Wie störend ist der Freizeitlärm im Vergleich zu anderen Alltagsgeräuschen in einer Stadt? Wie können Lösungen gefunden werden, wenn Lärmschutz anderen Interessen gegenübersteht?

Ob im Kneipenviertel, in der Nachbarschaft eines Biergartens oder in der Umgebung eines Fußballstadions: Von sogenanntem Freizeitlärm sind viele Menschen betroffen. Meist bleibt er jedoch ein lokales Thema. Deutschlandweit wurde Freizeitlärm anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 2014 diskutiert. Für viele Fans gehört es zum Fußball-Erlebnis dazu, die Live-Übertragungen der Spiele gemeinsam mit anderen zu verfolgen – zum Beispiel beim Public Viewing, oft auf eigens eingerichteten Fanmeilen. Doch wegen der Zeitverschiebung begannen manche Begegnungen der WM in Brasilien erst um 0 Uhr nachts mitteleuropäischer Zeit. Hätten die normalen Vorgaben zum Lärmschutz gegolten, wäre keine Ausstrahlung von Spielen im Freien nach 22 Uhr genehmigt worden. Um auch die späten Public-Viewing-Events zu ermöglichen, hatte die Bundesregierung eine Verordnung verabschiedet, die Sonderregelungen während der WM erlaubte. 

Ausnahmsweise weniger Lärmschutz

Bereits seit der Fußballweltmeisterschaft 2006 gibt es in Deutschland vergleichbare Verordnungen. Grund für die Ausnahmeregelung ist das große öffentliche Interesse. Das gemeinschaftliche Fußballgucken unter freiem Himmel sei mittlerweile Tradition, so das Bundesumweltministerium in einer Pressemitteilung anlässlich der Fußball-Europameisterschaft 2016. Gaststätten und andere Veranstalter können bei den kommunalen Behörden Sondergenehmigungen beantragen. Die Behörden wägen zwischen dem öffentlichen Interesse und dem Schutz der Nachtruhe der Anwohner ab und prüfen unter anderem jeweils, welche Lautstärke zu erwarten ist. Außerdem wird berücksichtigt, wie oft es am gleichen Ort ähnliche Ausnahmen gibt.

Für Geräusche beziehungsweise Schall im öffentlichen Raum gibt es gesetzliche Regeln, denn zu viel davon ist gesundheitsschädlich. Geräusche entstehen durch Schwingungen, die sich in der Luft in Form von Schallwellen ausbreiten. Diese Schwingungen kann das Gehör wahrnehmen. Je nach ihrer Dauer, ihrer Intensität oder ihrer Art können sie im Extremfall direkt Schäden am Gehör auslösen. Weniger starker Schall kann unter anderem zu Konzentrationsschwäche oder Schlafstörungen führen.

Das Gehör kann nicht ausgeschaltet werden

Der Mensch hat einen empfindlichen Hörsinn, der rund um die Uhr aktiv ist – auch im Schlaf. Schalldruckwellen werden von der Ohrmuschel aufgefangen und über den Gehörgang zum Trommelfell weitergeleitet. Das Trommelfell wird in Schwingungen versetzt, die es über die winzigen Gehörknochen im Mittelohr an das Innenohr weitergibt. Im Innenohr befindet sich das eigentlich Hörorgan: die Hörschnecke. Sie enthält Flüssigkeit, welche die Schwingungen in Form von Wellen an feine Härchen abgibt. Wenn diese sogenannten Zilien in Bewegung gesetzt werden, leiten sie die elektrischen Reize an das Hirn weiter. Dort werden sie als akustische Informationen interpretiert. Der Mensch kann diese Verarbeitung akustischer Signale nicht "ausschalten". Er reagiert also bewusst oder unbewusst auf Geräusche.

Als Lärm gelten Geräusche dann, wenn sie als störend empfunden werden. Ob ein Geräusch stört oder nicht, wird unabhängig von seinen physikalischen Eigenschaften von Mensch zu Mensch oft unterschiedlich wahrgenommen. Dieses Phänomen wird bei Musik besonders deutlich. So empfinden die Nachbarn die Bässe aus ihrer "dröhnenden" Musikanlage sicher als angenehm; in der Wohnung nebenan jedoch rauben sie den Bewohnern Schlaf und Nerven, während andere Nachbarn die Bässe gar nicht bewusst wahrnehmen.

Oft wird kontinuierlicher Lärm, wie zum Beispiel das Rauschen von vorbeifahrenden Autos, als weniger störend empfunden als unterbrochener Lärm (intermittierender Lärm), wie zum Beispiel ein Presslufthammer oder auf der Straße singende Fußballfans. Auch Impulslärm, wie zum Beispiele das Hupen eines Autos oder das Tröten einer Vuvuzela, wird als besonders unangenehm empfunden.

Lärm berechnen, Lärmgrenzen setzen

Eindeutig gemessen werden kann die Intensität eines Geräuschs. Diese Größe wird in Form des Schalldruckpegels angegeben. Die Einheit ist Dezibel, kurz dB. Für die Wahrnehmung der Lautstärke spielt zudem die Frequenz der Schallschwingungen eine Rolle. Die Frequenz bestimmt die Tonhöhe: Je höher die Frequenz ist, desto höher der Ton. Die Einheit der Frequenz ist Hertz (Hz). Hohe und sehr tiefe Töne werden lauter wahrgenommen als Töne im mittleren Frequenzbereich. Daher wird als Maß für die Lautstärke die Einheit dB(A) verwendet. Das "A" bedeutet, dass im so angegebenen Dezibel-Wert neben dem Schalldruck auch die Frequenz berücksichtigt wird, um den Eigenschaften des menschlichen Gehörs gerecht zu werden. (Mehr Informationen zu akustischen Grundlagen und physikalischen Größen finden sich im Thema der Woche "Lärm, lass nach")

Ab 85–90 dB(A) kann das Gehör direkt geschädigt werden. Ab 120 dB(A) löst der Schall Schmerz aus. Weniger intensive Störgeräusche können sich – abhängig von der Dauer – indirekt auf den Gesundheitszustand auswirken, indem sie Stress auslösen. Dieser kann zu Konzentrations- und Schlafstörungen führen.

Lärmstufe Geräuschart Lautstärke Geräuschempfinden
I
30 - 65 dB(A)
Psychische Reaktion
Ticken einer leisen Uhr, feiner Landregen, Flüstern30 dB(A)sehr leise
nahes Flüstern, ruhige Wohnstraße40 dB(A)ziemlich leise
Unterhaltungsgespräche50 dB(A)normal
Unterhaltungsprache in 1m Abstand60 dB(A)normal bis laut
II
65 - 90 dB(A)
Physiologische Reaktion
laute Unterhaltung70 dB(A)laut bis sehr laut
Straßenlärm bei starkem Verkehr80 dB(A)sehr laut
III
90 - 120 dB(A)
Gehörschaden, Ohr-Schmerz
laute Fabrikhalle90 dB(A)sehr laut
Autohupen in 7m Abstand100 dB(A)sehr laut bis unerträglich
Kesselschmiede110 dB(A)sehr laut bis unerträglich
Flugzeugtriebwerk120 dB(A)unerträglich bis schmerzhaft
 130 dB(A)Schmerzschwelle

Quelle: Bundesumweltministerium

Lärmquellen in der Stadt

Geräusche sind im Alltag allgegenwärtig. Insbesondere in Städten ist die Lärmbelastung für viele Menschen groß. Die häufigste Ursache sind Verkehrsgeräusche. Im Rahmen einer Umfrage des Umweltbundesamtes (UBA) zum Umweltbewusstsein in Deutschland gaben etwa 60 Prozent der Menschen an, von Straßenverkehrslärm belästigt zu werden. Auch Gewerbe, Industrie und Baustellen stellen beträchtliche Lärmquellen dar. An zweiter Stelle der störenden Geräusche liegt jedoch weder Verkehr noch Industrie, sondern der Nachbarschaftslärm. Über 40 Prozent der befragten Personen fühlt sich durch Geräusche von Nachbarn belästigt.

Das Verhalten der Menschen kann viel Lärm verursachen, zum Beispiel durch private Feiern, aber auch durch Gaststätten oder öffentliche Musik- und Sportveranstaltungen. Dieser sogenannte Freizeitlärm ist für viele Betroffene aus mehreren Gründen problematischer als Verkehrslärm: Zum einen fällt er oft in die Abendstunden oder auf Wochenenden. Zum anderen besitzt Begleitlärm einer Sportveranstaltung starke Lautstärkeschwankungen. Fußball verursacht neben Tennis und Freibäder den meisten sogenannten Sportbegleitlärm, so die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

Gleichzeitig ist ein Zusammenleben ganz ohne Freizeitlärm kaum vorstellbar. So appellieren Behörden wie das Bundesumweltministerium bei Konflikten auch an die gegenseitige Rücksichtnahme.

Wie kann Lärm gemindert werden?

Lärm kann entweder an der Lärmquelle selbst oder durch Schallschutzmaßnahmen gemindert werden. So können Gaststättenbetreiber verantwortlich gemacht werden, wenn ihre Gäste zu laut sind. Auf Restaurantterrassen und in Biergärten wird daher in der Regel ab einer bestimmten Uhrzeit nichts mehr ausgeschenkt.

Bei manchen Lärmquellen hilft die Technik. Zum Beispiel kann Verkehrslärm reduziert werden, wenn Autos, Straßenbahnen, Fernverkehrszüge oder die Fahrbahnen selbst entsprechend konstruiert werden. Wenn Lärm nicht an der Quelle verhindert werden kann, helfen Schallschutzmaßnahmen: zum Beispiel Lärmschutzwände an Autobahnen oder Bahnstrecken, Schallschutzfenster in Gebäuden oder Dämmungsmaterial an den Wänden einer Diskothek.

In vielen Bereichen ist Lärmminderung bereits Teil der Planung. So ist es im Städtebau gesetzliche Pflicht, Lärmschutz in Planungsprozessen zu berücksichtigen, sei es beim Hausbau oder bei der Erweiterung des Schienennetzes. 

Da Lärm ganz verschiedene Bereiche wie Gewerbe, Bau oder Verkehr berührt, finden sich entsprechende Regelungen in verschiedenen Bereichen des Rechts. Die wichtigsten Regelungen zum Lärmschutz enthält das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSCHG), das Teil des Umweltrechts ist. Das Immissionsschutzgesetz regelt den Schutz vor verschiedenen schädlichen Umwelteinwirkungen. Neben Lärm gehört unter anderem die Luftverschmutzung dazu.

Teile des Bundesimmissionsschutzgesetzes beruhen auf einer EU-Richtlinie, der Umgebungslärmrichtlinie. Nicht alle Regelungen finden sich jedoch im Bundesrecht, denn sogenannter verhaltensbezogener Lärm – und damit ein großer Teil des Freizeitlärms – fällt in die Zuständigkeit der Länder. Damit haben die Länder die Möglichkeit, örtliche Besonderheiten zu berücksichtigen.

Leben ohne Freizeitlärm?

Ob die Fußballweltmeisterschaft, ein Musikfestival, ein Geburtstag oder eine große Familienfeier: Störende Geräusche komplett zu vermeiden ist nicht möglich und in vielen Fällen auch nicht wünschenswert. Dass mancher Lärm Teil des Zusammenlebens ist, macht auch eine besondere Regelung deutlich: Lärm von Kinderspielplätzen muss in Wohngebieten geduldet werden.

Auch die gesetzlichen Regelungen sehen oft vor, dass verschiedene Interessen abgewogen werden müssen. Dabei ist es nicht leicht, eindeutige Grenzen zu ziehen, wann Lärm aus besonderem Anlass oder aus öffentlichem Interesse entsteht und wann er für Betroffene nicht mehr zumutbar ist. Dies zeigt sich immer wieder an konkreten Beispielen, wie der Konflikt um die Admiralbrücke in Berlin-Kreuzberg. Die Admiralbrücke hat sich in den vergangenen Jahren zu einem beliebten Treffpunkt entwickelt – und gleichzeitig zu einer dauerhaften Lärmquelle für die Anwohner. Hunderte feiernde und musizierende Menschen trafen sich dort fast täglich, die Brücke wurde zum Anziehungspunkt im Berliner Nachtleben und sogar in Reiseführern erwähnt. Viele Anwohner jedoch beklagten sich über die Lärmbelästigung, in Wohnungen wurden dB-Werte weit über dem zumutbaren Wert gemessen.

Als Lösungsvorschlag erwog die Stadtregierung unter anderem, die Brücke wieder für den Verkehr zu öffnen und somit für die Feiernden unattraktiv zu machen. Dies wurde jedoch verworfen; in einem Vermittlungsverfahren sollte stattdessen ein Kompromiss zwischen Partyszene und Anwohnern gefunden werden. Mittlerweile gilt eine Sperrstunde ab 22 Uhr. Sie wurde von der Polizei mittels "freundlicher Ansprache" durchgesetzt: Die Beamten fordern die Feiernden mit einem Hinweis auf die Anwohner zum Gehen auf – was meistens funktioniert.

Insbesondere bei Lärm in der Nachbarschaft empfehlen Behörden, zunächst auf die freundliche Ansprache zu setzen. Denn gerade Feiern oder Musik werden von den Verursachern häufig nicht als mögliche Belästigung erkannt. Erst wenn dies nicht weiterhilft, sind die örtlichen Ordnungsbehörden die richtigen Ansprechpartner. Sie können die örtlich geltenden Regelungen durchsetzen.

Weiterführende Links:

Bundesumweltministerium: Pressemitteilung zur Public-Viewing-Verordnung
http://www.bmu.de/presse/pressemitteilungen/pm/artikel/fussball-em-2016-bundesumweltministerin-hendricks-macht-weg-frei-fuer-public-viewing/

Umweltbundesamt: Themenseite Verkehr und Lärm
http://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Unterrichtsmaterialien "Lärm und Gesundheit"
https://shop.bzga.de/laerm-und-gesundheit-5-10-20350000/ 

 

 

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